Schweiz
Musik

Der Konzertveranstalter André Béchir fordert den Bau einer Konzerthalle

US singer-songwriter Taylor Swift performs during her concert as part of her 'Eras Tour' at the Letzigrund Stadium in Zurich, Switzerland, on 9 July, 2024. (KEYSTONE/Ennio Leanza) EDITORIAL  ...
André Béchir veranstaltete Schweiz-Konzerte aller grosser Stars – etwa von Taylor Swift in Zürich im Jahr 2024.Bild: keystone

«In den 80ern stehen geblieben» – wieso grosse Konzerte in der Schweiz in Gefahr sind

André Béchir holte die ganz grossen Musik-Stars in die Schweiz. Das werde immer schwieriger, warnt er. Doch er hat eine Idee, wie das Land attraktiv bleiben könnte.
07.02.2025, 08:2607.02.2025, 09:09
Stefan Ehrbar / ch media
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AC/DC, Taylor Swift, Bruce Springsteen: Es gibt kaum weltbekannte Künstlerinnen und Künstler, die André Béchir nicht in die Schweiz geholt hätte. Seit der 75-Jährige 1968 sein erstes Konzert veranstaltete, hat er ein riesiges Netzwerk aufgebaut. Er gründete die Agentur C&S Agency, kaufte zusammen mit zwei Kollegen Good News, gründete ABC Production und beriet den Branchenführer Gadget. Seit 2023 unterstützt er die Agentur TAKK ab Entertainment. Diese veranstaltet dieses Jahr Konzerte von Lenny Kravitz, Ed Sheeran oder Kylie Minogue. Jetzt schlägt Béchir Alarm: Die grossen Namen könnten die Schweiz in naher Zukunft links liegen lassen.

Ein Grund sei die Infrastruktur: Selbst das Zürcher Letzigrund-Stadion, das bei Konzerten knapp 50'000 Menschen fasst, sei im internationalen Vergleich zu klein. Auch mit höheren Ticketpreisen in der Schweiz können nicht dieselben Erlöse erzielt werden wie in Konzerten in Stadien im Ausland mit 70'000 oder mehr Besuchern.

Bei den Hallen zeige sich das gleiche Bild: Das Zürcher Hallenstadion mit seiner Maximalkapazität von 15'000 Zuschauerinnen und Zuschauern entspreche nur knapp den heutigen Kapazitätsbedürfnissen internationaler Tourneen grosser Künstler. Zudem sei das 1939 eröffnete Gebäude nicht mehr «State of the Art».

«Bern hat Chance vertan»

«Überall auf der Welt werden neue Stadien und Hallen gebaut oder geplant», sagt Béchir. Er erwähnt Projekte in Wien, München oder Mailand, wo Städte und Politiker realisiert hätten, was solche Events wirtschaftlich bedeuten. «Nur in der Schweiz ist man zufrieden mit dem, was man hat. Wir sind in Sachen Stadien und Hallen in den 1980er-Jahren stehen geblieben». Selbst die grösseren Um- und Neubauten der vergangenen Jahre seien Enttäuschungen – etwa die sanierte St. Jakobshalle in Basel. «Es ist für die Schweiz typisch, dass man die Halle umbaut und Veranstalter nur bedingt um Rat und Bedürfnisse fragt, oder wie diese in Zukunft aussehen könnten.»

Mehr Chancen hätte Bern dank seiner Lage im Zentrum des Landes gehabt, auch weil das grosse und ausgehfreudige Zürcher Publikum es eher bevorzuge, nach Bern statt nach Basel zu reisen. «Doch mit der neuen Festhalle hat Bern seine Chance vertan», sagt Béchir. Sie fasst gerade einmal 9000 Menschen.

Dabei hatte Béchir zu Good-News-Zeiten die Chance, zusammen mit den Firmen Hänseler Immobilien und Allreal das Härte-Areal in Wallisellen ZH zu entwickeln. Der Plan bestand darin, zusätzlich zu einer Halle für 15'000 Personen ein Hotel, ein Altersheim, Kleingewerbe und Wohnraum zu bauen. Die Firma Anschutz, weltweiter Veranstalter im Bereich Sport und Entertainment und Betreiber der Londoner O2-Arena, war laut Béchir bereit, einen Grossteil der Mehrzweckhalle zu finanzieren.

Lobbyiert die Kultur zu wenig?

Das Budget habe 225 Millionen Franken betragen. Der damalige Gemeinderat sei hinter dem Projekt gestanden. Selbst eine Tramhaltestelle der Glatttalbahn sei ein Thema gewesen. Unter strenger Geheimhaltung habe ein Projektwettbewerb stattgefunden, bei dem ein Architekt ausgewählt worden sei. «Wir fanden für alle Teile des Projekts Investoren, nur für die Halle nicht. Wir waren sogar in der Lage, eine 2-Prozent-Rendite auszuweisen», sagt Béchir. Schlussendlich hätten lediglich 50 Millionen Franken gefehlt. Keine Bank habe einen Kredit gegeben. «Wir bringen solche Visionen in der Schweiz leider nicht mehr auf den Boden.»

Weder Investoren noch Politiker seien bereit für einen grossen Wurf. So plane man auf dem Flughafen Areal in Dübendorf, einer der grössten Landreserven der Schweiz, einen Innovationspark. Ein solcher brauche aber Leben. Dann fänden sich auch innovative Leute und Firmen. «Dort wäre ein Hallenprojekt mit 15'000er-Kapazität eine grosse Chance für diverse Innovationsentwicklungen», sagt Béchir. «Das Beispiel London, wo die O2-Arena auf der grünen Wiese gebaut wurde, zeigt dies. Nach dem Bau des Stadions haben innovative Firmen die Gegend zum Boomen gebracht.»

Die kommerzielle Kultur habe in der Politik keine Lobby – anders als der Sport. In Zukunft sollten sich Sport und Veranstalter für Grossprojekte im Interesse aller an einen Tisch setzen, findet Béchir. Amerika mache das vor: «Da teilen sich Hockey, Basketball, Kongresse und Konzerte ohne Wenn und Aber die gleiche Lokalität. Dafür haben alle eine optimale, den Zuschauer- und Benutzeransprüchen entsprechende moderne Arena.»

Nicht zu vergessen seien die Steuern, die die Künstlerinnen und Künstler bei Auftritten in der Schweiz bezahlen sowie die direkte und indirekte Wertschöpfung durch Hotelübernachtungen, Gastronomiebesuche oder die ÖV-Nutzung der Zuschauerinnen und Zuschauer.

André Béchir warnt: Der Schweiz droht konzertmässig der Abstieg in die Mittelklasse.
André Béchir warnt: Der Schweiz droht konzertmässig der Abstieg in die Mittelklasse.bild: zvg

Wenn die Stadt Zürich 370 Millionen Franken in ein neues Sportzentrum im Stadtteil Oerlikon investiere, aber nichts in eine Modernisierung des Hallenstadions oder eine neue Konzerthalle, stimmten die Verhältnisse nicht mehr. Es gehe ihm nicht darum, den Sport gegen die Kultur auszuspielen, betont Béchir. Viel eher würden sich Synergien ergeben.

So könnte etwa in Zürich-Nord eine moderne, grosse Konzerthalle gebaut werden. Der Standort sei ideal – dank der ÖV-Erschliessung und der Nähe zum neuen Hallenbad, der offenen Rennbahn oder dem Theater 11, aber auch zur Autobahn und Parkhäusern. Für Konzerte sei die Anreise per Auto immer noch gefragt. «Wir müssen nicht Las Vegas kopieren und ein zweites ‹Sphere› bauen», sagt Béchir. «Aber wir brauchen jetzt einen Plan, wie wir die Bedürfnisse der Künstlerinnen und Künstler, Sportlerinnen und Sportler, wie auch des Publikums in den nächsten 10 bis 20 Jahren erfüllen können. Das beinhaltet neue Infrastruktur. Sonst wird die Schweiz zum B-Markt, in dem die ganz grossen Acts nicht mehr auftreten, und der auch bei grossen internationalen Sportevents nicht mehr mithalten kann.»

Viele Verantwortliche gäben sich zwar Mühe und sähen die Problematik. Thomas Kastl, der für die Basler St. Jakobshalle zuständig ist, bezeichnet Béchir als «sehr innovativ». Nur dank Letzigrund-Manager Peter Landolt, der Veranstalter «in jeder Form» unterstütze, fänden dieses Jahr überhaupt Stadionkonzerte in der Schweiz statt. Dass es etwa in Bern keine gibt, liegt daran, dass das Stadion nicht wie in Zürich der Stadt, sondern dem Fussballclub gehört und dieser kategorisch abgesagt hat.

Derzeit sind in Zürich im Frühling und Sommer vier Stadionkonzerte geplant. Je zweimal treten Ed Sheeran und die Band Imagine Dragons auf. Immerhin: die schlimmsten Befürchtungen von Béchir, dass wegen der Fussball-EM der Frauen gar keine Grosskonzerte stattfinden, erfüllten sich also nicht.

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131 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kritiker 2.1
07.02.2025 09:19registriert März 2020
Mittlerweile meide ich Grossanlässe; zu viel Gedränge, zu viel Gepöbel, zu teuer. 🤷🏼‍♂️ Auch kleine Anlässe haben durchaus ihren Charme. 🥰
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Grüner Kobold
07.02.2025 09:22registriert Oktober 2018
Na will denn eine Mehrheit überhaupt ein solcher Kommerz Gigantismus? Beste Konzerte sind eh von der Szene für die Szene in überschaubarer Grösse (persönliche Meinung)
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Roli_G
07.02.2025 09:22registriert Januar 2021
Sicher, wir müssen Grossverdiener mit massiven staatlichen Ausgaben alimentieren. Mann kann das Geld dann ja bei den IV Bezügern wieder reinholen.
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