Baschi national. Immer wenn von Baschi die Rede ist, dann schleicht sich irgendwann dieses «national» rein. Ein Titel, der selbst in der titelfreudigen Schweiz nur höchst selten verliehen wird. Köbi «national» Kuhn hatte ihn, Polo «national» Hofer auch, Beni «national» Thurnheer sowieso. Sonst gibt's das «national» höchstens temporär. Etwa nach einem Olympiasieg. Dann bedeutet es: Wir sind stolz auf dich.
Das dauerhafte «national» dagegen meint etwas anderes. Erstens: Er (oder seltener: sie) gehört ein bisschen uns. Und, fast wichtiger: Er oder sie ist einer oder eine von uns. Im Falle von Baschi meint das: Er ist nicht zu perfekt, er ist nicht zu intellektuell, er ist nicht zu schön. Baschi, so denken wir uns immer, könnte jederzeit mit uns allen in der Beiz sitzen und mit uns über Fussball schwatzen. Oder vielleicht: Wir alle könnten Baschi sein.
Das beginnt schon beim Start seiner Karriere. In der Sendung «Musicstar» auf SF (das R in SRF kam erst später dazu). Wie Sebastian Bürgin da mit siebzehn auftritt, ist erfrischend. Andere können besser singen, können besser performen, sind überlegter gestylt. Aber Sebastian Bürgi ist Baschi. Er scheidet frühzeitig aus und macht dann doch Karriere.
Castingshows waren damals noch nicht zynische Menschenschauen, die sich vor allem darauf spezialisiert haben, grosse Träume möglichst öffentlichkeitswirksam platzen zu lassen. «Leider Nein» hiess bei «Musicstar» die Rubrik, in der die schrägen Vögel mit den falschen Tönen ihre fünfzehn Sekunden Ruhm (oder Häme) bekommen haben. Im Gegensatz zu den heutigen Krawallformaten war das aber sehr harmlos.
Es liess aber noch Platz für Menschlichkeit abseits von einstudierten Tanzschritten und möglichst wild phrasierten Tönen. Und genau so eroberte Baschi das Herz der Fernsehschweiz. Und auch wenn es nicht für den Sieg reichte, wurde das Talent entdeckt. Baschi geriet unter die Fittiche von Roman Camenzind, einem Produzenten mit Hit-Garantie. Er zimmert Baschi unter anderem «Gib mir e Chance». Ein Rock-Schmachtfetzen aus dem Lehrbuch. Baschi gibt den reuigen Lover, der irgendeinen Blödsinn begangen hat und sich jetzt für die Liebe um Kopf und Kragen singt.
Damit wurde eine Legende geboren, die Baschi bis heute fürstlich pflegt. Der Tunichtgut, der über die Stränge haut. Das aber auf so charmante Art und Weise, dass es praktisch unmöglich ist, diesem Baschi irgendwas übel zu nehmen. Baschi wurde zur Schweizer Variante eines Rockstars. Er zertrümmert keine Hotelzimmer und macht um die harten Drogen einen grossen Bogen. Dafür trinkt er mal ein Bier über den Durst, versteckt seine Überforderung nicht und pendelt zwischen Grössenwahn und Selbstzweifel.
Musikalisch ist Baschi eigentlich alles andere als ein Rockstar. Da hat es schon ein paar Stromgitarren und manchmal sogar mal knackige Riffs, aber es bleibt immer sehr poppig. Und in den Balladen - einer der Königsdisziplinen von Baschi - fehlen nicht selten nur wenige Meter in den Schlager. Baschi darf das aber.
Auch weil er es schafft, alles mit einem nötigen Augenzwinkern zu versehen. In LSG, das steht für «Liebi, Sex und Gäld», lässt er andere bekannte Mundartsänger sämtliche Klischees über ihn ausschütten. Im Refrain säuseln Frauenstimmen (unter anderem Fabienne Louves) dann: «So vieli Type wüssed ned, was eus glücklich macht/aber de Baschi het immer alles richtig gmacht.» Das ist schlicht grossartig.
Auch der Umgang mit dem Erfolg ist bei Baschi typisch «national». Er ist zwar - das gibt er auch zu - ehrgeizig und ambitioniert, und gleichzeitig nimmt er sich nicht zu wichtig. So mögen die Schweizerinnen und Schweizer ihre Stars.
Das gilt auch für die Provokationen, die Baschi in regelmässigen Abständen in die Welt absondert. Mit «wenn das Gott wüsst» erhitzte er, angefeuert vom Boulevard, die Gemüter in strenggläubigen Kreisen. Allerdings, wie es in Kochbüchern heissen würde, nur auf geringer Hitze. Und wenn er dann und wann über sein Gemächt, seine Exzesschen und seine Libido singt, dann ist das wohlkalkuliert so temperiert, dass sich niemand nachhaltig die Finger verbrennt.
Das macht es auch möglich, mit Baschi mitzufiebern. Etwa, wenn er erst im fünften Anlauf einen Swiss Music Award gewinnen konnte. Vier Mal nominiert, vier Mal leer ausgegangen. Als es dann endlich funktionierte, freuten sich dann sogar diejenigen, die manchmal ab dem Baschi die Nase rümpfen. Die gibt es schon auch. Einigen Musikerinnen und Musikern stösst es sauer auf, dass Baschi mit seiner rumpligen Art und den dünnen Songs erfolgreicher ist als sie selbst. Anders als sie versteht er es aber, das Gegebene optimal zu nutzen.
Und das schon seit zwanzig Jahren. Kaum eine Bühne in der Deutschschweiz, die Baschi noch nicht bespielt hat. Baschi «national» ist auch ein Hinweis auf die Grenzen. Über den Röstigraben oder gar ins Ausland hat er es nie geschafft. Ein Versuch, in Deutschland Fuss zu fassen, wurde rasch wieder beendet. Das Scheitern hat er nie versteckt.
«Ich mache immer noch das, was ich am besten kann», sagte Baschi in diesem Sommer zu dieser Zeitung. Das ist vor allem: sich selbst zu sein.
Baschi jetzt ist immer noch Sebastian Bürgin. Am Freitag wird er 38 Jahre alt. Mittlerweile ist aus dem Flaum bei «Musicstar» ein respektabler Bart gewachsen, der Bauch wurde auch etwas grösser. Seit drei Jahren ist er verheiratet. Schwiegersohn von Fussballlegende Günter Netzer. Am Samstag feiert Baschi sein Jubiläum in seiner Heimat in Gelterkinden mit einem grossen Konzert. Radio SRF3 und der «Blick» übertragen live.
Baschi national, halt. (aargauerzeitung.ch/lyn)