Wofür will uns SRF mit «Unsere kleine Botschaft» eigentlich bestrafen?
Nehmen wir zur Veranschaulichung doch einfach zwei Bären. Sie kriechen nach einem verregneten Wochenende gemeinsam aus einer Höhle, freuen sich darauf, einen Bienenstock zu plündern und sich mit Honig die Kante zu geben. Sie stehen mitten im schönsten Herbstwald, sacht entblössen sich die Bäume und lassen goldene Blätter rieseln und die Bären schütteln sich.
Bär Nummer eins, nennen wir ihn Saubär, ist übers Weekend fidel verschlumpft, aus seinem Pelz fliegen Fetzen von fettigen Pizzakartons, zerquetsche Bierdosen, undefinierbare kleine Tierleichenteile, überhaupt die Überreste seines ganzen krümeligen Haushalts. Dann hat er sich ausgeschüttelt. Und siehe da: Der Pelz sitzt und schimmert, der ganze Bär ist eine Pracht.
Bär Nummer zwei, nennen wir ihn Sauberbär hat sein ganzes Wochenende damit verbracht, sich verbissen säuberlich nach den Tips von «GQ for Bears» zu pflegen, er will alles richtig machen und perfekt sein und zum König des Waldes werden. Jetzt schüttelt er sich – und verliert dabei alle seine Haare. Der Bär ist nackt und ein Elend und all die Wildschweine, Rehe und Eichhörnchen können kaum hinsehen vor lauter Fremdscham.
Okay, diese Vergleichsanordnung dauert zu lange und vielleicht hinkt sie etwas. Aber der Saubär heisst «Tschugger». Der Sauberbär heisst «Unsere kleine Botschaft». «Tschugger» ist ins Herz gemeisselt. «Unsere kleine Botschaft» hat keins, sie fühlt sich an wie unsere kleine Strafe. Aber wofür?
Gemeinsam haben die beiden Serien Johannes Bachmann, einen der Autoren von «Tschugger» und Regisseur von «Unsere kleine Botschaft» sowie ein paar weitere Autoren. Die Idee zur sogenannten Sitcom (ohne eingespielte Lacher) stammt von Serien-Debütant Marco Edmonds, der selbst vier Jahre lang in der Schweizer Botschaft in Peking gearbeitet hat und seit 2017 Digital Storyteller Marketing bei SRF ist.
«Unsere kleine Botschaft» – der Titel ist putzig angelehnt an die legendäre amerikanische Familienserie «Unsere kleine Farm» – führt uns sechs Folgen lang in ein ungenannt bleibendes, unbedeutendes, natürlich korruptes lateinamerikanisches Land, wo sich die Schweiz mit Liechtenstein eine Botschaft teilt.
Die Schweiz will eine Bahn durch den Regenwald bauen, Umweltschützer und Regenwaldbewohner wollen das nicht, es kommt zum diplomatischen Chaos, aber noch grösser ist selbstverständlich das Chaos innerhalb der Botschaft. Und da werden Witze mit so viel Anlauf so lange ausgewalzt, bis sie gar nicht mehr wahrnehmbar sind. Spontaneität, Originalität, Überraschung – wozu? Und wieso soll man sich Mühe mit einer Figur geben, wenn ein Klischee doch viel schneller zur Hand ist? Wie wärs mit Charme? Anyone? Lustig ist einzig Liechtensteins Botschafterin, eine gefriergetrocknete Pragmatikerin mit einer mädchenhaften Schwäche für «der Fürscht».
«Unsere kleine Botschaft» ist nach «Mindblow» (ein einstiger «MusicStar»-Teilnehmer versucht heute, seinen Carcrash-Auftritt von 2003 per Zeitreise auszuradieren, Baschi wird mit KI verjüngt und so weiter und so Quatsch) bereits der zweite Serienversuch von SRF mit Partikeln der «Tschugger»-Crew, der misslungen ist.
Manchmal ist ein Produkt eben einfach eine Frage der Chemie. Und wenn man aus einer Erfolgsformel ein Molekül entfernt, fällt sie in sich zusammen, das ist keine Schande, das ist einfach schade. Vielleicht sollte man in solchen Fällen den Mut haben, ein Projekt unterwegs abzubrechen. Oder nicht auszustrahlen. Aber die Rückkehr des Hölzernen, Groben, das wir doch in den letzten Jahren so elegant überwunden glaubten, die sollte man wirklich nicht feiern
Oder anders: David Constantin mit seinen wilden, schamlos schrägen Kreativitäts-Lawinen, ob als Autor, Regisseur oder Bax, fehlt bitterlich. Er ist der grosse Ab- und dennoch Anwesende, das zeigt sich in «Unsere kleine Botschaft» schon nur bei einem Botschaftsmitarbeiter namens Konsti, der gerne geschmacksfremde Hemden und Schnauz trägt (Frage: Wie platt kann man sein? SRF: Jaaaa!). Überhaupt sind die «Tschugger»-Referenzen omnipräsent und übereifrig, beim Look, beim Personal, beim Slapstick. Es bleibt halt einfach alles auf nicht einmal halber Strecke stecken. Wie der Zugbau im Regenwald.
«Unsere kleine Botschaft» läuft ab dem 31. Oktober auf SRF 1 und auf Play SRF.
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