107 Milliarden Franken sind viel Geld. Coop und Migros zusammen brauchen fast zwei Jahre, um so viel Umsatz erzielen. Der Bund könnte sich mit dieser Summe 16 Monate lang finanzieren oder fünfmal die Neat bauen. In den USA wollen nun alleine die acht grössten Medienfirmen wie Disney, Comcast oder Amazon so viel in nur einem Jahr in Filme, Serien und TV-Shows investieren. Das berichtete die «Financial Times» (FT).
Um Kundinnen und Kunden für ihre Streamingdienste zu gewinnen, brauchen sie neue Inhalte – am besten Serien und Filme, über welche die ganze Welt spricht. «Es gibt kein Zurück mehr», sagt der Analyst Michael Nathanson. «Der einzige Weg, im Streaming-Krieg mitzuhalten ist, mehr für exklusive Inhalte auszugeben.»
Disney will laut der Zeitung die Investitionen dieses Jahr um 35 bis 40 Prozent auf umgerechnet 21 Milliarden Franken erhöhen. So sollen etwa ein Pinocchio-Film mit Tom Hanks oder ein Obi-Wan Kenobi-Film aus dem Universum von «Star Wars» auf der Plattform starten.
Der global und in der Schweiz dominierende Anbieter Netflix soll gemäss FT dieses Jahr 25 Prozent mehr investieren als noch 2021 und insgesamt für 16 Milliarden Franken neue Shows und Filme produzieren. Die letzten Monate wuchs Netflix langsamer als zuvor – und gab die Schuld dafür unter anderem dem Coronavirus, das die Produktion verschiedener Titel verzögert habe.
Wenn die neuen Inhalte neue Abonnenten auf die Plattform locken, könnte der Plan von Netflix aufgehen und die Firma würde dieses Jahr erstmals Gewinn schreiben. Alleine in der Schweiz dürfte Netflix mit seinen knapp drei Millionen zahlenden Nutzerinnen und Nutzern jährlich fast eine halbe Milliarde Franken Umsatz generieren.
Von solchen Zahlen sind andere Dienste weit entfernt – und ob sie je die Gewinnschwelle erreichen werden, ist alles andere als sicher. Die «Financial Times» zitiert einen Experten der Bank Morgan Stanley damit, dass es alles andere als sicher sei, dass «ein Schatz am Ende dieses Regenbogens liegt». Besonders traditionelle Medienhäuser hätten es schwer, ihr Business umzubauen und plötzlich lukrative Streaming-Häuser zu werden.
Viele Fernsehsender haben zwar ein grosses Archiv von eigenen Inhalten, das sie auf ihre Streaming-Dienste stellen können – doch das alleine reicht noch nicht. Sie müssen deshalb weitere Rechte hinzukaufen oder viel Geld in exklusive Serien investieren. In der Schweiz versucht das etwa CH Media, zu dem auch diese Zeitung gehört, mit dem vor wenigen Wochen lancierten Streamingdienst «oneplus».
Anders sieht die Situation für Netflix aus, den ältesten unter den etablierten Diensten. Zunächst setzte die Firma aus Kalifornien, die 1997 mit dem Verleih von DVDs ihren Betrieb aufnahm, für ihre Streaming-Plattform auf eingekaufte Filme und Serien. Das gehört zwar auch heute noch zum Erfolgsrezept: So finden sich unter den beliebtesten Titeln in der Schweiz derzeit mehrere Filme aus der Harry-Potter-Reihe oder die Spitalserie «The Good Doctor» des US-Fernsehsenders ABC.
Doch Netflix verliert auch viele Inhalte wieder. Als Disney seine Streaming-Plattform Disney+ im Jahr 2019 weltweit lancierte, verlängerte der Konzern seine Verträge mit Netflix nicht und bot danach seine Inhalte seither exklusiv auf der eigenen Plattform an. Einen wahren Kassenschlager, die Serie «The Office», kann Netflix in den USA nicht mehr zeigen, weil diese nun auf dem Streamingdienst «Peacock» der Medienfirma NBCUniversal läuft, welche die Serie erst produziert hatte.
Netflix hat solche Entwicklungen früh antizipiert und produziert jährlich Dutzende Serien und Filme, die ein Millionen-, wenn nicht Milliardenpublikum finden – zuletzt etwa den Satire-Film «Don't Look Up» mit Leonardo DiCaprio oder die Serie «Squid Game». Netflix profitiert davon, früh auf dem Markt gewesen zu sein und bereits eine grosse Abonnentenbasis hinter sich zu wissen.
Andere Streamingdienste hingegen können nicht darauf zählen. Sky Show beispielsweise kommt in der Schweiz laut Zahlen des IGEM-Digimonitors vom August 2021 auf nur 280'000 zahlende Kundinnen und Kunden, die Konkurrenz des Online-Giganten Amazon mit seinem Streamingdienst Prime auf etwa 300'000.
Trotzdem bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ebenfalls viel Geld in die Produktion von hochstehenden Inhalten zu investieren. Mittlerweile greifen sie dafür auch wieder auf Rezepte aus der alten Schule des Fernsehmachens zurück – etwa, in dem jede Woche nur eine Folge einer neuen Serie veröffentlicht wird, um Kündigungen nach einer kostenfreien Testphase zu verhindern.
So veröffentlichte etwa der Streaming-Dienst HBO Max die neuen Folgen seiner «Sex And The City»-Nachfolgeserie «And Just Like That» in den USA jeweils im Abstand von einer Woche. Disney geht mit Serien wie «Dopesick» oder «The Book of Boba Fett» gleich vor.
Ein Problem bleibt allerdings: Nur wenige Nutzerinnen und Nutzer sind bereit, für mehrere Dienste gleichzeitig zu bezahlen. Gemäss einer Studie des Vergleichsportals moneyland.ch ist es eine «kleine Minderheit». So bezahlen nur 8 Prozent der Befragten in der Schweiz für zwei Streamingdienste und nur 1.8 Prozent für drei oder vier.
Das ficht Eric Grignon, den Schweizer Chef von Sky, nicht an. «In den USA hat eine Person durchschnittlich 3.2 Streaming-Dienste abonniert, in Skandinavien sogar mehr als vier», sagt er dem Portal vybe.ch. Er denke nicht, dass Schweizerinnen und Schweizer anders seien. «Selbst wenn man zwei oder drei Streaming-Dienste abonniert, ist das noch immer günstiger als die Grundgebühren des Kabelanschlusses mit einem TV-Abo.»
Sky könnte in diesem Jahr zu den grossen Gewinnern im Markt gehören. Denn der Anbieter hat einen weiteren Weg gefunden, an exklusive Inhalte zu kommen: Kooperationen mit US-Streamingdiensten, die hierzulande noch nicht aktiv sind. Bereits seit einiger Zeit laufen Inhalte von HBO in Europa exklusiv auf Sky – mit ein Grund, weshalb der Streamingdienst HBO Max hier wohl erst 2025 oder 2026 lanciert werden dürfte.
Dieses Jahr kommen die Inhalte von Peacock und des Studios Paramount hinzu. Peacock werde noch Anfang Jahr Schweizer Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen, sagt Sprecherin Alexandra Delvenakiotis. Ob es deswegen eine Preiserhöhung gibt, will sie nicht verraten.
Eine solche gab es bei Sky schon letztes Jahr, als der Anbieter die beliebtesten Filme zum neuen Angebot Sky Cinema zügelte. Wer neben den Serien auch auf diese zugreifen will, muss seither tiefer in die Taschen greifen und lässt 19.90 Franken pro Monat liegen. Alleine ist Sky nicht: Auf Januar hat auch Netflix die Preise je nach Abo um zwei bis drei Franken erhöht. Der Streaming-Krieg muss irgendwie finanziert werden. (aargauerzeitung.ch)
Wie wäre es denn mal, mit etwas mehr Zusammenarbeit statt ständig neuer Exklusiver Inhalte? Was fehlt ist ein Spotify für Filme und Serien, wo die Produzenten pro View einen Betrag erhalten. Dadurch erreichen sie mit ihren Produktionen mehr Reichweite und somit mehr Umsatz...
Die Leute sind nicht bereit monatlich 20 bis 30 Franken auszugeben, um ihre Lieblingsserien zu schauen. Bin gespannt, wie sich die illegalen Portale entwickeln.