Leben
Wissen

Frühlingsgefühle gibt's – doch sie haben nicht mit Sexualhormonen zu tun

Frühlingsgefühle gibt es – doch sie haben nicht direkt mit Sexualhormonen zu tun

Die Stimmung hellt sich auf und Partnerschafts-Plattformen haben Hochbetrieb. Der Frühling macht uns aus verschiedenen Gründen munter.
08.05.2023, 19:4808.05.2023, 19:48
Jörg Zittlau / ch media
Mehr «Leben»

Parship hat im Frühjahr 11 und Elitepartner sogar 17 Prozent mehr Registrierungen als im Herbst. Laut Partnerschaftsbörsen sind also Frühlingsgefühle durchaus real. Und auch Wissenschafter bestätigen ihre Existenz. Allerdings mit anderen Erklärungen als vermutet.

verliebtes paar im frühling
Hat der Frühling tatsächlich einen Einfluss auf unsere Gefühle? Bild: Shutterstock

So lautet der öffentliche Tenor, dass im Frühling besonders viele Geschlechtshormone ausgeschüttet werden. «Ob es jedoch tatsächlich zu jahreszeitlichen Schwankungen kommt, ist umstritten», betont Karsten Müssig von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. «Man muss da schon etwas um die Ecke denken.»

Im Frühling verändert sich unser Verhalten

Was konkret heisst: Es ist der Umstand, dass die Menschen wieder mehr ins Freie gehen und sich dabei mehr bewegen und dem erwachenden Leben rundherum zusehen, der die Libido belebt, aber nicht die Jahreszeit an sich. «Wenn etwa ein Mann im Frühjahr wieder mehr Sport treibt, wird er dadurch in der Regel auch mehr Testosteron produzieren», erläutert der Internist und Hormonexperte. «Aber das liegt dann eben in erster Linie am Sport, und erst in zweiter Linie am Frühling.»

Bei Frauen käme hinzu, dass sie oft die Pille einnehmen und sich dadurch permanent in einem schwangerschaftsähnlichen Zustand befinden. «Dadurch kann der Frühling kaum noch etwas an ihren Sexualhormonen ändern», erklärt Müssig.

Eine weitaus grössere Rolle spielen bei den Frühlingsgefühlen stattdessen die Hormone Serotonin und Melatonin. Das erstgenannte wird aufgrund seiner stimmungsaufhellenden Wirkung auch gerne als Gute-Laune-Hormon bezeichnet, während das letztgenannte den Schlaf anstösst.

Mehr Glückshormone an längeren Tagen

Die Balance zwischen diesen beiden wird wesentlich, wie Peter Walschburger von der FU Berlin erklärt, über den angeborenen Taktgeber für den Tag-Nacht-Rhythmus gesteuert: den Nucleus suprachiasmaticus. «Er liegt eigentlich tief im Gehirn», so der Biopsychologe. «Aber über spezielle Rezeptoren im Auge passt er seinen Rhythmus den äusseren Lichtverhältnissen an.» Auf diese Weise sorge er bei länger werdenden Tagen dafür, dass mehr Serotonin und weniger Melatonin ausgeschüttet werden.

Die Folge: Wir fühlen uns wacher und lebendiger, gehen aufmerksamer durchs Leben, und das kann am Ende natürlich auch dazu führen, dass wir empfänglicher für erotische Reize werden. Laut einer Forsa-Umfrage hat rund ein Drittel der Bundesbürger ihren aktuellen Partner im Frühling kennengelernt. «Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass in dieser Zeit besonders viele Kinder gezeugt werden», betont Walschburger.

Im Gegenteil. Hierzulande werden zehn Prozent mehr Kinder im Frühling geboren als im Jahresdurchschnitt. Was zurückgerechnet bedeutet, dass die «Frühjahrsgefühle» eigentlich im Hochsommer ihren Höhepunkt finden. War allerdings der Sommer extrem heiss, bleibt der Geburten-Boom im nächsten Frühjahr aus. Denn unter tropischer Hitze erlahmt die Libido des Mitteleuropäers.

Dafür hinterlässt der Frühling in anderer Richtung umso mehr seine Spuren. Laut einer Umfrage der Hildesheimer Wickert-Institute leiden 54 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frauen unter Frühjahrsmüdigkeit. Für Müssig lässt sich dieses Phänomen dadurch erklären, dass unser Körper nach der wetterbedingten Inaktivität im Winter Probleme damit haben kann, sich der neuen Situation im Frühjahr anzupassen. «Ausserdem baut sich über die dunklen Monate oft ein Vitamin-D-Mangel auf, der sich ebenfalls durch Antriebslosigkeit und auch eine Schwächung des Immunsystems zeigen kann», so der Mediziner.

Weniger Morgenmuffel im Frühling

Die Schweizer Chronobiologin Anna Wirz-Justice ermittelte, dass im Frühjahr die Zahl der Morgenmuffel um die Hälfte zurückgeht, was eigentlich gegen die Existenz der Frühjahrsmüdigkeit spricht. Anderseits nehmen dann Nervosität und psychosomatische Beschwerden deutlich zu. Der Erregungszustand des vegetativen Nervensystems ist also so hoch, dass er nicht mehr als angenehm empfunden wird und schliesslich in Erschöpfung umschlagen kann - und das klingt dann doch wieder nach Frühjahrsmüdigkeit.

Bei traurigen oder gar depressiven Menschen lässt sie sich jedoch, wie Biopsychologe Walschburger betont, noch anders erklären: «Wenn überall das Leben erwacht und die Stimmung besser wird, verstärkt dies bei ihnen den Eindruck, dass mit ihnen etwas nicht stimmt.» Nach dem Muster: Überall geht es los, nur bei mir nicht. Und dieses Gefühl des Abgehängt-Werdens drücke dann ihre Stimmungslage noch weiter nach unten. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Nicht alle spüren den Frühling – er kann sogar depressiv machen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
    Bei Hitze: Das ist die optimale Temperatur zum Duschen für den Körper
    Eine schöne Dusche nach einer schwülen Nacht oder einem heissen Tag ist besonders erfrischend. Das Problem ist nur: Unsere Haut ist davon nicht begeistert.

    Je wärmer es wird, desto öfter möchte man unter die Dusche springen. Doch mehrmals tägliches Duschen trocknet die Haut aus. Im schlimmsten Fall können sogar Ekzeme entstehen.

    Zur Story