Bund will Studiengebühren erhöhen – jetzt zeigen drei Studentinnen ihre Budgets
Man könnte sie fast überlesen. Zwei Massnahmen unter insgesamt 59, die der Bundesrat in seinem Sparpaket Ende Januar in die Vernehmlassung schickte. Eine «Stärkung der Nutzerfinanzierung» an den kantonalen Hochschulen und den zwei ETHs soll die Einsparungen des Bundes auffangen.
Heisst: Studierende sollen künftig mehr für ihr Studium aus der eigenen Tasche bezahlen. Und das nicht zu knapp: Für Studierende aus der Schweiz will der Bundesrat die Gebühren verdoppeln, für jene aus dem Ausland gar vervierfachen.
Eine Studentin an der Universität Bern, die bisher 750 Franken pro Semester bezahlt, müsste künftig 1500 Franken pro Semester und damit 3000 Franken pro Jahr an Studiengebühren berappen. Wenn sie ihr Bachelor- und Masterstudium in Vollzeit und in der Regelstudienzeit absolviert, würden ihre beiden Diplome sie damit neu 15'000 Franken kosten. Ihre Kommilitonin aus Deutschland gar 38'000 Franken.
Eine Erhöhung der Studiengebühren würde Studierende ohne Akademikereltern besonders hart treffen, wie ein Blick in die Statistik zeigt.
Was würde passieren, wenn die vorgeschlagene Massnahme tatsächlich umgesetzt würde? Drei Studentinnen zeigen auf, wie viel Geld sie im Monat zur Verfügung haben und wofür sie es ausgeben.
Tilla (22), PH-Studentin
Tilla ist angehende Primarlehrerin und studiert im Bachelor an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ihre Eltern unterstützen sie finanziell, sie wohnt in einer WG und arbeitet neben dem Studium in der Gastronomie.
So finanziert sie sich im Monat:
- Unterstützung durch die Eltern: 1150 Franken, Krankenkassenprämie und Studiengebühren
- Job in der Gastronomie, mit einem Pensum von etwa 30 Prozent: zwischen 800 und 1200 Franken
Das gibt sie pro Monat aus:
- Wohnen (WG): 1000 Franken
- Lebensmittel und Haushalt: 500 Franken
- ÖV-Abos: 140 Franken
- Handyabo: 24 Franken
- Steuern: 24 Franken
- Versicherungen: 40 Franken
- Freizeit: 250 bis 300 Franken
- Sonstige Ausgaben (Kleidung, etc.): 100 Franken
- Sparen: Unterschiedlich, je nach monatlichen Arbeitseinsätzen oder grösseren Ausgaben
- Ferien: 1000 Franken pro Jahr
Wie kommt sie damit durch?
Wie würde sich eine Verdopplung der Studiengebühren auf ihr Budget auswirken?
Noura* (24), Jura-Studentin
Noura* studiert Recht im Bachelor an der Universität Zürich. Sie erhält Stipendien, die sie zu Hause abgibt, und teilt sich viele Ausgaben mit den Eltern und der Familie. Ihre Eltern unterstützen sie nach Bedarf.
So finanziert sie sich im Monat:
- Stipendium: 1000 Franken
- Unterstützung durch die Eltern: je nach Bedarf, etwa 400 Franken
- Verschiedene Gelegenheitsjobs, z.B. Nachhilfe, zwei- bis dreimal pro Monat: variierendes Einkommen, maximal 400 Franken
Das gibt sie pro Monat aus:
- Wohnen, Lebensmittel und Versicherungen gemeinsam mit Eltern: 1000 Franken
- Auswärts essen, z.B. Mittagessen an der Universität: 150 bis 200 Franken
- ÖV-Abo: 60 Franken
- Handyabo: 20 Franken
- Freizeit: 100 Franken
- Sparen: nie
- Ferien: wenn, dann mit Familie
Wie kommt sie damit durch?
Wie würde sich eine Verdopplung der Studiengebühren auf ihr Budget auswirken?
Amelie* (25), Geschichtsstudentin
Amelie* studiert an der Universität Zürich Geschichte im Master. Durch ihren Nebenjob und ihre Ersparnisse ist sie finanziell unabhängig und wohnt in einer WG.
So finanziert sie sich:
- Job als Verlagsassistenz, 40-Prozent-Pensum: 2000 Franken
- Wenn nötig: Erspartes
Das gibt sie pro Monat aus:
- Wohnen (WG): 560 Franken
- Lebensmittel: 700 bis 800 Franken
- ÖV-Abos: 22 Franken
- Handyabo: 40 Franken
- Steuern: 60 Franken
- Krankenkasse und Gesundheitskosten: 480 Franken
- Sonstige Ausgaben: 120 Franken
- Versicherungen: keine
- Freizeit: 300 Franken
- Studiengebühren: 130 Franken
- Sparen: maximal 50 Franken, manchmal null
- Ferien: 1000 Franken pro Jahr
Wie kommt sie damit durch?
Wie würde sich eine Verdopplung der Studiengebühren auf ihr Budget auswirken?
Nicht-Akademikerkinder wären besonders betroffen
Was sich bei Tilla, Noura* und Amelie* zeigt, lassen auch Gespräche mit anderen Studierenden an Uni, PH und ETH vermuten: Studierende, deren Eltern bereits heute finanziell unterstützen können, machen sich wegen der Verdoppelung oder der Vervierfachung der Studiengebühren keine grossen Sorgen.
Was Zürcher Studierende von höheren Studiengebühren halten:
Jene, die ihren Lebensunterhalt grösstenteils selbst bestreiten, haben hingegen Angst, künftig nicht mehr über die Runden zu kommen. Mehrausgaben von durchschnittlich 1500 Franken pro Jahr fallen für sie stark ins Gewicht.
Dieses Bild bestätigt auch ein Blick in die Zahlen zur finanziellen Situation von Studierenden schweizweit, die das Bundesamt für Statistik alle vier Jahre erhebt.
Einen Einfluss auf die Einkünfte von Studierenden hat ihre soziale Herkunft. Studierende, deren Eltern selbst einen Hochschulabschluss haben, werden stärker finanziell unterstützt als solche, deren Eltern einen tieferen Bildungsabschluss haben. Letztere erzielen ihre Einnahmen vor allem aus eigener Erwerbstätigkeit und haben öfter finanzielle Schwierigkeiten. Studierende mit Migrationshintergrund und Studierende an Fachhochschulen sowie Pädagogischen Hochschulen haben ebenfalls öfter finanzielle Schwierigkeiten.
Im europäischen Durchschnitt finanzieren sich Schweizer Studierende weniger über Stipendien oder Darlehen und stärker über die Familie und eigene Erwerbsarbeit.
Wer sich wie finanziert, hängt neben sozialen Faktoren einerseits vom Alter ab: Ältere Studierende finanzieren sich stärker über Erwerbsarbeit.
Auch Studierende an Fachhochschulen oder Pädagogischen Hochschulen finanzieren sich zu einem höheren Grad durch Erwerbsarbeit als Studierende an Universitäten.
Antworten darauf, was bei einer Erhöhung der Studiengebühren passieren könnte, geben schliesslich Umfragedaten zu geplanten Studienabbrüchen. Studierende, die mehr als 40 Prozent neben dem Studium arbeiten und solche, die von finanziellen Schwierigkeiten betroffen sind, denken öfter darüber nach, ihr Studium abzubrechen.
Höhere Studiengebühren würden also vor allem jene in Schwierigkeiten bringen, für die ein Studium bereits heute eine finanzielle Belastung darstellt. Höhere Studiengebühren würden für diese Personen bedeuten, dass sie mehr Erwerbsarbeit leisten müssten, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie einen Studienabbruch in Erwägung ziehen.
Dass dies besonders Personen ohne Akademikereltern, Studierende mit Migrationshintergrund oder arbeitstätige Studierende mit hohen Pensen beträfe, zeigt, dass der Chancengleichheit damit nicht gedient wäre – im Gegenteil. Mit seinem Vorschlag zur Erhöhung der Studiengebühren legt der Bundesrat der Chancengleichheit gar Steine in den Weg.