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Bund will Studiengebühren erhöhen – drei Studierende zeigen ihre Budgets

Bund will Studiengebühren erhöhen – jetzt zeigen drei Studentinnen ihre Budgets

Weil der Bundesrat in der Forschung und Hochschulbildung sparen will, sollen Studierende künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Warum diese Massnahme die Falschen treffen könnte.
28.02.2025, 06:1528.02.2025, 12:47
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Man könnte sie fast überlesen. Zwei Massnahmen unter insgesamt 59, die der Bundesrat in seinem Sparpaket Ende Januar in die Vernehmlassung schickte. Eine «Stärkung der Nutzerfinanzierung» an den kantonalen Hochschulen und den zwei ETHs soll die Einsparungen des Bundes auffangen.

Heisst: Studierende sollen künftig mehr für ihr Studium aus der eigenen Tasche bezahlen. Und das nicht zu knapp: Für Studierende aus der Schweiz will der Bundesrat die Gebühren verdoppeln, für jene aus dem Ausland gar vervierfachen.

Eine Studentin an der Universität Bern, die bisher 750 Franken pro Semester bezahlt, müsste künftig 1500 Franken pro Semester und damit 3000 Franken pro Jahr an Studiengebühren berappen. Wenn sie ihr Bachelor- und Masterstudium in Vollzeit und in der Regelstudienzeit absolviert, würden ihre beiden Diplome sie damit neu 15'000 Franken kosten. Ihre Kommilitonin aus Deutschland gar 38'000 Franken.

Eine Erhöhung der Studiengebühren würde Studierende ohne Akademikereltern besonders hart treffen, wie ein Blick in die Statistik zeigt.

Was würde passieren, wenn die vorgeschlagene Massnahme tatsächlich umgesetzt würde? Drei Studentinnen zeigen auf, wie viel Geld sie im Monat zur Verfügung haben und wofür sie es ausgeben.

Tilla (22), PH-Studentin

PH-Studentin Tilla, angehende Primarlehrerin, sitzt in der PH Zürich.
Tilla studiert an der Pädagogischen Hochschule Zürich.Bild: watson

Tilla ist angehende Primarlehrerin und studiert im Bachelor an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ihre Eltern unterstützen sie finanziell, sie wohnt in einer WG und arbeitet neben dem Studium in der Gastronomie.

So finanziert sie sich im Monat:

  • Unterstützung durch die Eltern: 1150 Franken, Krankenkassenprämie und Studiengebühren
  • Job in der Gastronomie, mit einem Pensum von etwa 30 Prozent: zwischen 800 und 1200 Franken

Das gibt sie pro Monat aus:

  • Wohnen (WG): 1000 Franken
  • Lebensmittel und Haushalt: 500 Franken
  • ÖV-Abos: 140 Franken
  • Handyabo: 24 Franken
  • Steuern: 24 Franken
  • Versicherungen: 40 Franken
  • Freizeit: 250 bis 300 Franken
  • Sonstige Ausgaben (Kleidung, etc.): 100 Franken
  • Sparen: Unterschiedlich, je nach monatlichen Arbeitseinsätzen oder grösseren Ausgaben
  • Ferien: 1000 Franken pro Jahr

Wie kommt sie damit durch?

«Ich komme durch. Das Mittagessen nehme ich mit, anstatt etwas zu kaufen, und ich leiste mir beispielsweise keinen teuren Kaffee. Während meiner Lehre wohnte ich zu Hause und hatte einen Lehrlingslohn, das war anders. Jetzt gibt es schon Momente, in denen ich auf etwas verzichten muss.»

Wie würde sich eine Verdopplung der Studiengebühren auf ihr Budget auswirken?

«Ich habe das Gefühl, meine Eltern würden das auffangen.»

So hoch sind unsere Studiengebühren im europäischen Vergleich:

Noura* (24), Jura-Studentin

Anonyme Studentin 2
Noura*, die anonym bleiben möchte, studiert Recht an der Uni Zürich.Bild: getty images/keystone/watson

Noura* studiert Recht im Bachelor an der Universität Zürich. Sie erhält Stipendien, die sie zu Hause abgibt, und teilt sich viele Ausgaben mit den Eltern und der Familie. Ihre Eltern unterstützen sie nach Bedarf.

So finanziert sie sich im Monat:

  • Stipendium: 1000 Franken
  • Unterstützung durch die Eltern: je nach Bedarf, etwa 400 Franken
  • Verschiedene Gelegenheitsjobs, z.B. Nachhilfe, zwei- bis dreimal pro Monat: variierendes Einkommen, maximal 400 Franken

Das gibt sie pro Monat aus:

  • Wohnen, Lebensmittel und Versicherungen gemeinsam mit Eltern: 1000 Franken
  • Auswärts essen, z.B. Mittagessen an der Universität: 150 bis 200 Franken
  • ÖV-Abo: 60 Franken
  • Handyabo: 20 Franken
  • Freizeit: 100 Franken
  • Sparen: nie
  • Ferien: wenn, dann mit Familie

Wie kommt sie damit durch?

«Ich empfinde meine finanzielle Situation als belastend. Es ist schwierig, sich so auf das Studium zu konzentrieren. Viele meiner Mitstudierenden im Jurastudium kommen aus sehr guten Verhältnissen. Wenn wir zusammen unterwegs sind, kann ich mir vieles nicht leisten, was für sie selbstverständlich ist, zum Beispiel eine Fahrt mit Uber. Manchmal lasse ich das Mittagessen aus und esse erst zu Hause wieder etwas, um Geld zu sparen.»

Wie würde sich eine Verdopplung der Studiengebühren auf ihr Budget auswirken?

«Mein Vater ist Taxifahrer, ihn will ich nicht weiter belasten. Ich würde wohl mehr arbeiten gehen oder mehr Stipendien beantragen müssen.»

Amelie* (25), Geschichtsstudentin

Anonyme Studentin an der UZH
Amelie* möchte ebenfalls anonym bleiben. Sie studiert Geschichte an der Uni Zürich.Bild: getty images/keystone/watson

Amelie* studiert an der Universität Zürich Geschichte im Master. Durch ihren Nebenjob und ihre Ersparnisse ist sie finanziell unabhängig und wohnt in einer WG.

So finanziert sie sich:

  • Job als Verlagsassistenz, 40-Prozent-Pensum: 2000 Franken
  • Wenn nötig: Erspartes

Das gibt sie pro Monat aus:

  • Wohnen (WG): 560 Franken
  • Lebensmittel: 700 bis 800 Franken
  • ÖV-Abos: 22 Franken
  • Handyabo: 40 Franken
  • Steuern: 60 Franken
  • Krankenkasse und Gesundheitskosten: 480 Franken
  • Sonstige Ausgaben: 120 Franken
  • Versicherungen: keine
  • Freizeit: 300 Franken
  • Studiengebühren: 130 Franken
  • Sparen: maximal 50 Franken, manchmal null
  • Ferien: 1000 Franken pro Jahr

Wie kommt sie damit durch?

«Weil ich auf Erspartes zurückgreifen kann, komme ich gut durch. Wir teilen uns viel in der WG: Essen, Ausgaben, etc. Vergangenes Jahr habe ich ein niedrig entlohntes Praktikum absolviert und deswegen etwa 5000 Franken minus gemacht. Während des Studiums geht es besser, weil ich meiner Erwerbsarbeit nachgehen kann. Insgesamt bin ich aber sehr erschöpft.»

Wie würde sich eine Verdopplung der Studiengebühren auf ihr Budget auswirken?

«Ich müsste mehr arbeiten, dadurch würde sich mein Studium wohl in die Länge ziehen.»

Die Sparpläne des Bundesrats in der Kritik:

Nicht-Akademikerkinder wären besonders betroffen

Was sich bei Tilla, Noura* und Amelie* zeigt, lassen auch Gespräche mit anderen Studierenden an Uni, PH und ETH vermuten: Studierende, deren Eltern bereits heute finanziell unterstützen können, machen sich wegen der Verdoppelung oder der Vervierfachung der Studiengebühren keine grossen Sorgen.

Was Zürcher Studierende von höheren Studiengebühren halten:

Video: watson/hanna hubacher, delia klo, lucas zollinger

Jene, die ihren Lebensunterhalt grösstenteils selbst bestreiten, haben hingegen Angst, künftig nicht mehr über die Runden zu kommen. Mehrausgaben von durchschnittlich 1500 Franken pro Jahr fallen für sie stark ins Gewicht.

Dieses Bild bestätigt auch ein Blick in die Zahlen zur finanziellen Situation von Studierenden schweizweit, die das Bundesamt für Statistik alle vier Jahre erhebt.

Daten zur Situation von Studierenden
Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt alle vier Jahre Daten zur sozialen und wirtschaftlichen Situation von Studierenden. Die letzte Erhebung fand 2020 statt. Über 26'000 Personen, die an einer Universität, Fachhochschule oder pädagogischen Hochschule eingeschrieben sind, haben an der Befragung teilgenommen.

Einen Einfluss auf die Einkünfte von Studierenden hat ihre soziale Herkunft. Studierende, deren Eltern selbst einen Hochschulabschluss haben, werden stärker finanziell unterstützt als solche, deren Eltern einen tieferen Bildungsabschluss haben. Letztere erzielen ihre Einnahmen vor allem aus eigener Erwerbstätigkeit und haben öfter finanzielle Schwierigkeiten. Studierende mit Migrationshintergrund und Studierende an Fachhochschulen sowie Pädagogischen Hochschulen haben ebenfalls öfter finanzielle Schwierigkeiten.

Im europäischen Durchschnitt finanzieren sich Schweizer Studierende weniger über Stipendien oder Darlehen und stärker über die Familie und eigene Erwerbsarbeit.

Wer sich wie finanziert, hängt neben sozialen Faktoren einerseits vom Alter ab: Ältere Studierende finanzieren sich stärker über Erwerbsarbeit.

Auch Studierende an Fachhochschulen oder Pädagogischen Hochschulen finanzieren sich zu einem höheren Grad durch Erwerbsarbeit als Studierende an Universitäten.

Antworten darauf, was bei einer Erhöhung der Studiengebühren passieren könnte, geben schliesslich Umfragedaten zu geplanten Studienabbrüchen. Studierende, die mehr als 40 Prozent neben dem Studium arbeiten und solche, die von finanziellen Schwierigkeiten betroffen sind, denken öfter darüber nach, ihr Studium abzubrechen.

Höhere Studiengebühren würden also vor allem jene in Schwierigkeiten bringen, für die ein Studium bereits heute eine finanzielle Belastung darstellt. Höhere Studiengebühren würden für diese Personen bedeuten, dass sie mehr Erwerbsarbeit leisten müssten, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie einen Studienabbruch in Erwägung ziehen.

Dass dies besonders Personen ohne Akademikereltern, Studierende mit Migrationshintergrund oder arbeitstätige Studierende mit hohen Pensen beträfe, zeigt, dass der Chancengleichheit damit nicht gedient wäre – im Gegenteil. Mit seinem Vorschlag zur Erhöhung der Studiengebühren legt der Bundesrat der Chancengleichheit gar Steine in den Weg.

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«Professoren und Professorinnen besitzen sehr viel Macht.»
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393 Kommentare
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Rantaplan
28.02.2025 06:44registriert August 2020
Bei Bildung sparen, so dass es insbesondere für sozial Schwächere nicht mehr finanzierbar ist, ist das Dümmste was ein Staat machen kann.
Das Ergebnis sieht man ja in den USA.

Milliarden aufstocken für Armee und dort wo es für die Gesellschaft am Wichtigsten ist, den Sparhammer ansetzen...
Das nenne ich am Volk vorbeiregiert.
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Turicensis
28.02.2025 07:03registriert Januar 2021
Bei der Bildung sparen kommt immer gut, siehe aktuelle Weltlage. /s
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toemsterli
28.02.2025 06:46registriert Juni 2022
Man könnte meinen, in einem reichen Land wie der Schweiz, wäre es eine Selbstverständlichkeit jedem Kind und jungen Erwachsenen Bildung zu ermöglichen. So schwer kann das doch nicht sein.
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