Stell dir vor, du müsstest Jahr für Jahr Steuern zahlen auf Einkommen, das du gar nicht erhältst. Klingt ziemlich fies und unfair. Aber genau das geschieht hierzulande: Menschen mit Wohneigentum müssen den Eigenmietwert ihrer Wohnung oder ihres Hauses versteuern.
Das ist der Eigenmietwert: Wohneigentümerinnen und -eigentümer müssen ein fiktives – ja, du hast richtig gelesen – ein fiktives Einkommen versteuern. Es stellt mögliche Mieteinnahmen dar, die man verdienen würde, wenn man die Wohnung oder das Haus vermieten würde, statt selbst darin zu leben.
1915 stimmten Volk und Stände einer einmaligen eidgenössischen Kriegssteuer mitsamt einer «fiktiven Eigenmiete» zu. Diese Steuer sollte die finanziellen Auswirkungen des Ersten Weltkriegs abmildern. Später, während der Weltwirtschaftskrise, wurde erneut eine Krisenabgabe fällig, wieder inklusive Eigenmietwert. Irgendwann wurde der Eigenmietwert einfach in permanentes Recht umgemünzt. Der Rest ist Geschichte.
Betroffene zahlen also Jahr für Jahr Steuern auf ein Einkommen, das sie gar nicht erzielen. Das belastet insbesondere ältere Menschen, die ihre Wohnung oder ihr Haus über Jahrzehnte abbezahlt haben. Sie müssen nach wie vor den Eigenmietwert versteuern. Gerade nach der Pensionierung wird das für viele Rentnerinnen und Rentner finanziell zur grossen Last, weil sie weniger Einkommen haben – aber immer noch auf Einkommen Steuern zahlen, das sie nicht einnehmen.
Auch junge Familien, die Wohneigentum erben oder von einem Eigenheim träumen, scheitern oftmals nicht am Kredit der Bank, sondern am Eigenmietwert. Denn die Tragbarkeit einer Hypothek wird durch diese Geistersteuer zusätzlich erschwert.
Last but not least ist der Eigenmietwert auch für Menschen mit geringem Einkommen eine Bürde. Erben sie Wohneigentum von ihren Eltern, bleibt im schlimmsten Fall nur der Verkauf, selbst wenn sie im Elternhaus aufgewachsen sind und gerne weiterhin darin Leben möchten.
Die Sache ist kompliziert, aber nicht so sehr, wie du befürchtest. Also das Ganze funktioniert so: Die Schweiz stimmt am 28. September mit dem sogenannten «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften» vor allem auch über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab. Der ist nämlich direkt mit dem neuen Gesetz verknüpft. Bei einem Ja ist der Eigenmietwert Geschichte. Im Gegenzug fallen Abzüge für Unterhalt und Hypothekarzinsen weg, die Wohneigentümerinnen und -eigentümer bisher von den Steuern abziehen durften. Das ist schliesslich nur fair.
Gleichzeitig dürfen die Kantone neu Zweitwohnungen in Eigenregie besteuern (und darüber stimmen wir an der Urne eigentlich ab).
Kurze Bemerkung am Rande: Oft ist bei der Vorlage auch einfach von der «neuen Objektsteuer» oder vom «Bundesbeschluss Zweitwohnungen» die Rede.
Das Wohnen, ob als Eigentümerin oder Mieter, wird also insgesamt gerechter. Ein Ja zur Vorlage bedeutet auch ein Ja zur Abschaffung dieser unfairen Geistersteuer.
Bei einem Ja zur neuen Objektsteuer können Leute mit Wohneigentum Schulden – oder namentlich die Schuldzinsen der Hypothek – nur noch begrenzt vom steuerbaren Einkommen abziehen. Das ist ja auch nur fair, sonst würden Wohneigentümerinnen und -eigentümer doppelt begünstigt.
Das Abzahlen der Hypothek(en) lohnt sich also wieder und das wiederum fördert die Eigenverantwortung.
Warum ist dieser Punkt wichtig? Viele Leute zahlen die Hypotheken bisher gerade wegen der steuerlichen Vorteile nur unzureichend an die Bank zurück. Das wird vielen Wohneigentümerinnen und -eigentümern nach der Pensionierung zum Verhängnis. Denn sie haben nun weniger Einkommen, müssen aber immer noch gleich hohe Hypothekarzinsen finanzieren – und den Eigenmietwert.
Die Vorlage beinhaltet auch eine Ausnahmeregelung für Menschen, die erstmals Wohneigentum kaufen: Sie dürfen die Hypothekarzinsen in den ersten zehn Jahren nach Erwerb von den Steuern abziehen. Das erleichtert und ermöglicht vielen jungen Familien den Erwerb von Wohneigentum.
Sag am 28. September Ja zum «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften» oder kurz: zum Bundesbeschluss Zweitwohnungen – und zur Abschaffung des Eigenmietwerts.