So engagiert sich die Schweiz in Sportvereinen – und das macht Sorgen
Heute ist der internationale Tag der Freiwilligen – ein guter Grund, für einmal diejenigen Menschen ins Zentrum zu rücken, die mit ihrer unentgeltlichen Arbeit die Schweizer Sportvereine am Laufen halten. So viel sei schon einmal verraten: Es sind viele!
«Kleine Unternehmen» – Sportvereine in der Schweiz
Im November veröffentlichte Swiss Olympic, der Dachverband des Schweizer Sports, die Vereinsstudie 2022. Das Werk präsentiert nicht nur allerhand Zahlen und Fakten im Zusammenhang mit Schweizer Sportvereinen, es zeigt auch auf, mit welchen Herausforderungen Vereine zu kämpfen haben.
Wir starten gleich mit einer schlechten Nachricht: Die Zahl der Sportvereine sinkt. Zählten die 82 Sportverbände, die Swiss Olympic angeschlossen sind, im Jahr 2016 noch insgesamt 19'487 Vereine, sind es heute noch rund 18'310. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Von einem grossen Vereinssterben kann nicht die Rede sein.
Das hat zwei Gründe: Waren früher viele Vereine in zwei Verbänden gleichzeitig angemeldet, ist dies heute weniger häufig der Fall. Dies führt dazu, dass bei der Erfassung weniger Vereine doppelt gezählt werden. Zudem ist insbesondere bei Turnvereinen der Trend zu Fusionen erkennbar. So haben sich viele Frauen-, Männer- und Jugendriegen zu einem Verein zusammengeschlossen.
Die meisten Vereine zählen der Turnverband, der Schiesssportverband und der Fussballverband. Fast 37 Prozent aller Vereinsmitglieder entfallen auf diese drei Verbände. Geht es nur nach der Anzahl Mitglieder, ist Fussball momentan die Nummer eins in der Schweiz.
GC Unihockey ist einer der 18'310 Schweizer Sportvereine. Die Zürcher unterhalten neben einer ersten Mannschaft in der Lidl Unihockey Prime League, der obersten Liga im Unihockey, auch diverse Juniorenteams. Frank Strobel investiert als ehrenamtlicher Präsident einen Grossteil seiner Freizeit für den Klub. Das Engagement lohnt sich laut Strobel, weil er sich dadurch in Bereichen vertiefen kann, die er aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit bei einer Schweizer Bank nicht kennt:
Die Auffassung, dass ein Sportverein einem Unternehmen gleicht und auch wie ein solches geführt werden muss, teilt Rafael Meier, als Leiter der Swiss Olympic Academy verantwortlich für den Studiengang «Club Management». Swiss Olympic hat diesen eigens für ehrenamtlich Tätige in Sportvereinen ins Leben gerufen.
Roger Hänni vom Unihockey-Klub Ad Astra Obwalden sieht im Ehrenamt nicht nur Vorteile für die Person, die es ausübt, sondern auch für deren Arbeitgeber.
Covid-19-Pandemie hatte geringen Einfluss
Wie die Studie von Swiss Olympic zeigt, waren im Jahr 2022 über 2,2 Millionen Menschen in einem Sportverein aktiv. Die Zahl bewegt sich seit der Jahrtausendwende auf diesem Niveau, während gleichzeitig die Bevölkerung gewachsen ist. Heute sind 22 Prozent der Gesamtbevölkerung in einem Sportverein aktiv. Entgegen der Befürchtungen konnte während der Covid-19-Pandemie kein signifikanter Rückgang der Mitgliederzahlen beobachtet werden.
Wirft man einen Blick auf die drei grössten Sprachregionen, wird ersichtlich, dass es in Bezug auf Sportvereine keinen Röstigraben gibt: Die Deutsch- und Westschweizer Bevölkerung sind mit rund 21 bzw. 22 Prozent etwa gleich häufig in Sportvereinen aktiv. Im Tessin scheinen sich Vereine nicht derselben Beliebtheit zu erfreuen – nur 14 Prozent der Wohnbevölkerung ist Mitglied eines Sportvereins. Die Daten zeigen zudem, dass es in der Westschweiz eher weniger, dafür grössere Vereine gibt, während sich die Tessiner lieber in Kleinvereinen organisieren.
Der Frauenanteil nimmt kontinuierlich zu – mit einem Anteil von 38 Prozent sind aber auch 2023 weniger Frauen als Männer in Sportvereinen aktiv. Die Altersklassen U-20 und Ü-60 verzeichneten in den letzten Jahren einen Anstieg, bei den 21- bis 60-Jährigen war die Mitgliederzahl rückläufig.
So viele Stunden engagieren sich Freiwillige
Um die Aktivitäten der Sportvereine zu gewährleisten, engagieren sich insgesamt über 850'000 Personen auf freiwilliger Basis in diversen Bereichen. Von diesen Personen haben über 350'000 ein Amt inne. Mehr als 500'000 sind als Helfer:innen aktiv – zum Beispiel hinter der Theke im Vereinslokal oder als Chauffeur:in an Auswärtsspiele und Turniere.
Diese Zahlen zeigen deutlich: Ohne die Freiwilligenarbeit wäre die Schweizer Vereinslandschaft um einiges karger. Das weiss auch Rafael Meier von Swiss Olympic:
Der Arbeitsaufwand aller Personen, die sich freiwillig in einem Sportverein engagierten, lag im Jahr 2022 bei ungefähr 74 Millionen Stunden. Dies entspricht 24'400 Vollzeitstellen. Zum Vergleich: In der schweizerischen Bundesverwaltung gibt es 38'058 Vollzeitstellen.
Die Gründe, weshalb so viele Menschen ihre Freizeit in ein Engagement als Freiwillige und Ehrenamtliche in einem Sportverein investieren, sind laut Meier in erster Linie sozialer Natur:
74 Millionen Stunden – was sich nach viel anhört, ist immer noch nicht genug. Viele Vereine stehen vor derselben Herausforderung: der Gewinnung und Bindung von Ehrenamtlichen, Freiwilligen und Trainern. Unihockey-Funktionär Roger Hänni aus Obwalden sieht den Grund für diese Entwicklung vor allem in gesellschaftlichen Veränderungen.
Bei GC Unihockey, so erklärt Frank Strobel, wird versucht, die Eltern der Juniorinnen und Junioren in die Pflicht zu nehmen, indem das Helferreglement Einsätze vorsieht, für welche sich die Eltern via Online-Tool eintragen können. Tun sie das nicht, droht eine Busse. So weit sei es aber noch nie gekommen, meint Strobel:
Roger Hänni investiert einen Grossteil seiner Freizeit ins Unihockey. Er ist nicht nur als Trainer und Mitglied der Nachwuchskommission bei Ad Astra tätig, sondern engagiert sich auch ehrenamtlich im Zentralschweizer Unihockeyverband und im nationalen Unihockeyverband. Was ihm dabei besonders gefällt, ist die Zusammenarbeit mit jungen Menschen:
Studiengang zur Stärkung des Ehrenamtes
Die vielfältige Vereinslandschaft zu erhalten und damit verbunden die Ehrenamtlichkeit zu stärken, ist eine der Aufgaben von Swiss Olympic, dem Dachverband des Schweizer Sports.
Ehrenamtliche zu finden, wird für die Vereine auch deshalb immer schwieriger, weil die Aufgaben, mit denen sich Vereine konfrontiert sehen, immer komplexer werden. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, hat Swiss Olympic den Lehrgang «Club Management» ins Leben gerufen, der Vorstandsmitgliedern das Rüstzeug für ihre Tätigkeit in einem Verein vermitteln soll.
Roger Hänni und Frank Strobel von Ad Astra bzw. GC Unihockey gehören zu den ersten Absolventen des Studiengangs. Gewinnbringend sei für sie insbesondere der Austausch mit anderen Vorstandsmitgliedern gewesen. Frank Strobel meint dazu:
