Der «Anti-Terror-Einsatz» werde in Kürze beginnen, sagte Vize-Ministerpräsident Vitali Jarema in Kiew. Sein Land habe Rückendeckung von den USA erhalten. Sollte Russland seinerseits aggressiv vorgehen, hoffe man auf handfestere amerikanische Hilfe, sagte Jarema. Im Osten der Ukraine halten prorussische Kämpfer seit Wochen etwa ein Dutzend Regierungsgebäude besetzt.
Am Abend meldete Kiew die «Befreiung» der Kleinstadt Swjatogorsk durch ukrainische Sondereinheiten. Nach Angaben der Regierung gab es «keine Opfer». Dem Innenministerium zufolge wurde in der 5000-Einwohner-Stadt eine «Gruppe bewaffneter Männer» entdeckt. Laut der Nachrichtenagentur AFP sollen Bewohner von Swjatogorsk allerdings gesagt haben, dort seien gar keine prorussischen Milizen gewesen.
#Ukraine says it has retaken the village of #Svyatogorsk http://t.co/7YOyHIXkyW, but @AFP finds no evidence of that http://t.co/8V4mK801kC
— Hans de Vreij (@hdevreij) 23. April 2014
Als Auslöser des neuen Einsatzes nannte der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow unter anderem den Tod eines Stadtrates, dessen Leiche am Samstag nahe der von prorussischen Separatisten besetzten ostukrainischen Stadt Slawjansk gefunden worden war. Der Polizei zufolge wurde der Mann gefoltert, bevor er noch lebend in einen Fluss geworfen wurde. Damit sei eine Grenze überschritten worden, sagte Turtschinow.
Kiew beschuldigte Russland ausserdem offen, «Terroristen» und Separatisten zu unterstützen. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow wies jeden Einfluss Moskaus auf die Bewaffneten zurück. Auch die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, für die seit Monaten dauernde Krise in dem osteuropäischen Land verantwortlich zu sein.
Lawrow seinerseits beschuldigte die USA, das Vorgehen der prowestlichen Machthaber in Kiew zu steuern. Er habe keine Zweifel, dass die Amerikaner «die Show dirigieren», sagte er. US-Aussenminister John Kerry warf Moskau vor, sich nicht ernsthaft um eine Beruhigung der Lage in der Ostukraine zu bemühen.
In Donezk und anderen Städten im industriell geprägten Osten der Ukraine gibt es viele russischstämmige Bürger, die sich von der Regierung in Kiew benachteiligt fühlen und zum Teil auch einen russischen Pass besitzen. Die Ukraine, die USA, Russland und die EU hatten vor Ostern in Genf eine Waffenruhe-Vereinbarung getroffen, die von allen paramilitärischen Gruppen die Abgabe der Waffen und die Räumung besetzter Gebäude vorsieht. In Slawjansk riefen die faktischen Machthaber die Bevölkerung auf, sich auf einen Angriff der Kiew-treuen Sicherheitskräfte vorzubereiten.
Lawrow drohte mit Vergeltung, sollten die Interessen russischer Bürger in Gefahr geraten. Er verwies auf die abtrünnige georgische Kaukasus-Provinz Süd-Ossetien, wo Russland 2008 Separatisten mit Waffengewalt zu Hilfe gekommen war. Lawrow sagte dem Sender RT, ein Angriff auf russische Bürger sei «ein Angriff auf die Russische Förderation».
Sollten «unsere legitimen Interessen, die Interessen von Russen» direkt angegriffen werden, sehe er keine andere Möglichkeit als entsprechend dem Völkerrecht darauf zu reagieren. In einer Erklärung seines Ministeriums wurde später die Forderung wiederholt, die Ukraine müsse ihre Truppen aus dem Südosten des Landes abziehen.
Unterdessen hielt das russische Militär hielt in der südöstlichen Region Rostow an der Grenze zur Ukraine ein Manöver ab. Das gab ein Armee-Sprecher bekannt, ohne Einzelheiten zu nennen. Auf Bildern von Reuters TV waren unter anderem gepanzerte Fahrzeuge und Raketenwerfer zu sehen.
Die NATO schätzt, dass Russland 40'000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat. (dhr/sda/reu/dpa/afp)