Ein Sprecher der selbst ernannten, prorussischen Volksmiliz sprach am Montag von etwa 20 getöteten Aktivisten. Auch auf Seiten der Regierungstruppen gab es Tote, wie Innenminister Arsen Awakow sagte. Aus seinem Ministerium verlautete, dass vier Einsatzkräfte getötet und 30 verletzt worden seien.
In Slawjansk nördlich der Gebietshauptstadt Donezk sind seit Tagen ukrainische Soldaten mit Panzerfahrzeugen und Helikoptern im Einsatz. Slawjansk ist eine strategisch wichtige Stadt mit einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt.
Die Separatisten rühmten sich, den Angriff der Regierungstruppen zurückgeschlagen zu haben. «Wir konnten unter grossen Anstrengungen ein Eindringen des Gegners in die Stadt verhindern. In unseren Reihen gibt es viele Tote», zitierte die Agentur Interfax am Montag einen Sprecher der Separatisten. Kugeln hätten eine Gastankstelle getroffen, die daraufhin explodiert sei, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Aktivisten.
In der Stadt sind seit Tagen ukrainische Soldaten mit Panzerfahrzeugen, Helikopter und gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz. Die «Anti-Terror-Operation» der prowestlichen Regierung in Kiew soll eine Abspaltung der Ostukraine von der Ex-Sowjetrepublik verhindern.
Nahe der umkämpften ostukrainischen Stadt Slawjansk haben prorussische Kräfte erneut einen Kampfhelikopter der Regierungstruppen abgeschossen. Die Besatzung des Mi-24 habe den Absturz in einen Fluss überlebt, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Montag mit.
Es soll wieder zu Angriffen durch die ukrainischen Regierungstruppen gekommen sein. Wie militante prorussische Kräfte mitteilten, seien mindestens fünf Angehörige der «Selbstverteidigungskräfte» schwer verletzt worden, teilte ein Sprecher der Stabs der Agentur Inferfax mit.
Wenig später meldete der ukrainische Innenminister Arsen Awakow bei einem Kontrollpunkt der Armee: «Es gab Tote.» Ob die Opfer aus den Reihen der Regierungstruppen oder der Separatisten kommen, blieb zunächst offen. Awkanow schätzte, dass etwa 800 bewaffnete Separatisten die Stellungen in Slowjansk hielten. «Sie setzen schwere Waffen ein, schiessen mit grosskalibrigen Waffen, benutzen Granatwerfer und sonstige Technik», sagte der Minister.
Ein Reuters-Korrespondent berichtete, dass die Kämpfe offenbar immer näher ans Zentrum heranrücken. Derweil meldeten russische Medien eine neue Geiselnahme: Offenbar haben die Milizen in Donezk vier neue Geiseln genommen. Es soll sich dabei um Mitarbeiter der Stadtverwaltung handeln. Näheres ist nicht bekannt.
Die grösste ukrainische Bank hat ihre Filialen in Donezk und Luhansk vorübergehend geschlossen. In den vergangenen zehn Tagen seien dort 24 Niederlassungen, 38 Geldautomaten und elf Geldtransporter Ziel von Überfällen, Brandstiftung oder Einbrüchen gewesen, begründete das Institut Privatbank den Schritt am Montag. Unter solchen Umständen können man von den Mitarbeitern in den betroffenen ostukrainischen Regionen nicht erwarten, zur Arbeit zu gehen.
Die Privatbank ist ins Visier der Rebellen geraten, nachdem ihr Miteigentümer, der Milliardär Igor Kolomoiski, von der Übergangsregierung in Kiew zum Chef der nahe gelegenen Region Dnipropetrowsk ernannt wurde. Der nach Angaben des Magazins «Forbes» viertreichste Mann der Ukraine hatte daraufhin unter anderem eine Belohnung von 10'000 Dollar für jeden ergriffenen «Saboteur» ausgesetzt.
Das russische Aussenministerium prangerte in einem Bericht schwere Menschenrechtsverletzungen der Anhänger der prowestlichen Regierung in der Ukraine an. Diese würden Gegner mit «Repressionen, physischer Gewalt und offenem Banditentum» einschüchtern, heisst es. Zudem seien in der Ukraine Ultranationalismus, Extremismus und Neonazismus auf dem Vormarsch.
Das «Weissbuch» des Ministeriums sei Präsident Wladimir Putin überreicht worden, teilte der Kreml am Montag mit Chefdiplomat Sergej Lawrow rief vor einem Aussenministertreffen des Europarats an diesem Dienstag in Wien dazu auf, das Gremium müsse bei der Umsetzung einer tiefgreifenden Verfassungsreform in der Ukraine helfen. Zudem müsse der Europarat Menschenrechtsverletzungen in der früheren Sowjetrepublik im Zuge des Machtwechsels genau untersuchen.
Seinerseits erhebt auch Kiew Vorwürfe gegen Russland. «Es ist ein Krieg gegen unser Land im Gange vonseiten der Russischen Föderation – sowohl im Osten als auch im Süden des Landes», sagte der ukrainische Interimspräsident Turtschinow dem Kiewer Fernsehsender 5. Kanal. Russland versuche weiter, die Lage vor der Präsidentenwahl am 25. Mai «völlig zu destabilisieren».
Dabei habe Moskaus Führung im Osten der Ukraine ihre Pläne bereits verwirklicht. Auch das russische Staatsfernsehen strahlte am Montag den Teil des Interviews aus, in dem Turtschinow einräumte, dass es in der Region Sympathien für eine Abspaltung von der Ukraine gebe. «Sagen wir doch mal ehrlich: Die Bürger dieser Regionen unterstützen die Separatisten, sie unterstützen die Terroristen, was die Durchführung der Anti-Terror-Operation erheblich erschwert», sagte der Interimspräsident in dem auch in Moskau gezeigten Fragment.
Erschwerend komme hinzu, dass die Polizei mit den prorussischen Kräften sympathisiere. «Das ist ein kolossales Problem», sagte Turtschinow. Der Politiker warf dem im Februar gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch vor, die «Provokationen» zu finanzieren. Janukowitsch hält sich in Russland auf.
(dwi/sda/dpa)