Schneller ist die Bezahlung mit Bargeld noch nicht geworden, seit eine Bäckerei im Zürcher Kreis 6 die Kasse abgeschafft hat. Die Kundinnen und Kunden müssen einen Bargeld-Automaten nutzen. Bei vielen bestehe noch Erklärungsbedarf, sagt eine Verkäuferin – was dazu führe, dass sie zu Erklärungszwecken um den Tresen herumlaufen müsse.
Doch allen Kinderkrankheiten zum Trotz: Was in dieser Bäckerei zu beobachten ist, soll die Zukunft des Bargeld-Bezahlens sein, zumindest wenn es nach den Herstellern geht. Sie versprechen eine hygienischere und effizientere Abwicklung des Bezahlvorgangs. Das Bargeld wird nicht mehr der Verkaufsperson überreicht, die es einkassiert und in der Kasse versorgt. Stattdessen werden Noten und Münzen in ein Fach gelegt und eingezogen. Das Rückgeld gibt der Automat automatisch.
Zu den Anbietern solcher Automaten gehört allen voran die japanische Glory Group. Ihre Schweizer Niederlassung hat Grosses vor. «Wir arbeiten aktiv daran, in den Schweizer Markt einzusteigen», sagt Sprecherin Andrea Kistler. Erst seit kurzem bietet die Firma solche Automaten in der Schweiz an.
Die Nachfrage steige kontinuierlich, und zwar nicht nur wegen der Digitalisierung. Die Corona-Pandemie hat dem Thema Hygiene mehr Präsenz besorgt. «Das führt dazu, dass Lösungen, die eine kontaktlose Barzahlung ermöglichen, vermehrt nachgefragt werden», sagt Kistler.
Bargeld gilt als dreckig: Bis zu 3000 unterschiedliche Bakterien-Typen finden sich laut dem Wissenschaftsmagazin Quarks auf Banknoten, darunter auch Fäkalbakterien und Salmonellen. Die Anzahl ist laut dem Magazin zwar zu gering, um für die Menschen einen Schaden darzustellen. Doch gerade in Geschäften wie Bäckereien, in denen das Verkaufspersonal regelmässig mit Lebensmitteln in Berührung kommt, zieht das Argument der keimfreien Bezahlung.
Wie viele Automaten Glory hierzulande bereits im Betrieb hat, gibt die Firma nicht bekannt. Als typisches Einsatzgebiet nennt Sprecherin Kistler Bäckereien, Metzgereien, Detailhändler, Apotheken und Tourismus- und Freizeitbetriebe. Die Vorteile seien gross: So könne etwa das Münzfach im Portemonnaie einfach in den Automaten entleert werden. Das System gebe das Wechselgeld automatisch in der grösstmöglichen Stückelung zurück. Zudem könnten die Automaten das Bargeld auf Echtheit prüfen und weisen Falschgeld zurück.
Auch der «Kassenschwund» werde deutlich reduziert, weil weniger Fehler passierten. Hinter dem Begriff verstecken sich Fehler, die unweigerlich passieren, wenn Verkaufspersonal den ganzen Tag über an der Kasse steht. Mal wird zu viel Rückgeld gegeben oder zu wenig einkassiert. Das führt zu einem Minus in der Kasse. Automaten können das verhindern.
Doch mit den Automaten verschwindet auch ein Stück persönlicher Kontakt – und Menschen, die mit Technologie auf Kriegsfuss stehen, verlieren eine Bezahlmöglichkeit, wenn gleichzeitig keine normalen Kassen mehr im Einsatz sind. Wie Beobachtungen zeigen, tun sich zuweilen ältere Menschen schwer.
Die Organisation Pro Senectute, die sich für diese einsetzt, beurteilt den Trend differenziert. «Positiv ist, dass mit diesen Automaten eine Alternative zum immer häufigeren digitalen Zahlungsverkehr geboten wird», sagt Sprecherin Tatjana Kistler.
Sie böten eine Möglichkeit, weiterhin im Geschäften des täglichen Bedarfs mit Bargeld bezahlen zu können. «Wichtig ist aber, diese neue Zahlungsform gut zu erklären, damit alle die Chance haben, diese zu erlernen und zu nutzen.» Die Organisation, die schon Kurse zur Bedienung für Ticketautomaten führt, könnte sich vorstellen, das auch für Bargeldautomaten zu tun, sagt Kistler.
Sie widerspricht zudem dem Bild der Offline-Senioren. Die Neugier auf digitale Angebote und Apps wachse auch in dieser Altersgruppe. Fast 95 Prozent der 65- bis 69-Jährigen seien online und 69 Prozent in dieser Altersklasse nutzten ein Smartphone. Dem digitalen Graben müsse aber bei allen Neuerungen Rechnung getragen werden. «Wir schätzen, dass nach wie vor rund 200’000 Menschen im Pensionsalter nicht digital unterwegs sind», sagt Kistler. «Ihnen muss weiterhin eine analoge Alternative zur Verfügung stehen, um sie nicht von der Gesellschaft auszugrenzen.»
Ironischerweise könnten die Bargeld-Automaten ein Rettungsschirm für das Bargeld sein. Die Kartennutzung in der Schweiz nimmt nämlich laufend zu – auch dank der Möglichkeit, kontaktlos mit der Karte oder Geräten wie der Apple Watch zu bezahlen.
Im sogenannten «Präsenzgeschäft», also in physischen Läden, entfielen Anfang Jahr bereits 41.5 Prozent der Umsätze auf Käufe mit Debitkarten. Kreditkarten kamen auf 25.2 Prozent, das Bargeld nur noch auf 21.7 Prozent. Noch vor drei Jahren war dieser Anteil 12 Prozentpunkte höher. Das zeigt der «Swiss Payment Monitor» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Bereits 8.3 Prozent bezahlen gleichzeitig Laden mit dem Smartphone. Das entspricht mehr als eine Versiebenfachung innert drei Jahren.
Das Bargeld hat bei der Kundschaft also zunehmend einen schweren Stand. Aber auch Ladenbesitzer sind nicht uneingeschränkt Anhänger davon. Für sie sind Kartenzahlungen zwar mit Kommissionen verbunden. Doch die Handhabung ist deutlich billiger: Es muss kein Bargeld mehr gezählt und zur Bank gebracht werden, die Fehlerquote ist tiefer und das Überfallrisiko sinkt.
Erste Händler akzeptieren bereits kein Bargeld-Zahlungen mehr - etwa eine Bäckerei im Zürcher Hochschulquartier oder die Betreiber des Gastronomie-Angebots Gerolds Garten. Selbst Postauto-Chef Christian Plüss denkt über eine Abkehr vom Bargeld in den Bussen nach, wie er im Interview mit CH Media sagte. Firmen müssen kein Bargeld annehmen: Dieses ist zwar ein gesetzlich definiertes Zahlungsmittel. Dabei handelt es sich aber um dispositives Recht. Unternehmen können davon abweichen.
Es reicht schon, wenn sie auf einem Schild darauf aufmerksam machen, dass Kartenzahlung nicht erlaubt ist. Zwar heisst es im Gesetz, dass das nur bei Einverständnis beider Vertragsparteien möglich ist. Das bedeutet aber nicht, dass Käufer auf Barzahlung bestehen können, sondern lediglich, dass sie nicht zu einem Kauf gezwungen werden können.
Von den Bargeld-Automaten versprechen sich Händler mehr Effizienz und Sicherheit beim Umgang mit Noten und Münzen. Wenn diese Ziele erfüllt werden, könnten sie dem Bargeld noch ein paar Jahre Gnadenfrist verschaffen. (aargauerzeitung.ch)
Aber von den self scanning Automaten bin ich unglaublich Fan!
In meinem eigenen Tempo, in der richtigen Reihenfolge, mit Zeit zum korrekten Einpacken in ein oder mehrere Taschen, ohne Druck und soziale Interaktion ...
Ein neurodivergenter Traum!