Der 20. Oktober war für die SVP Aargau ein Freudentag: Martina Bircher wurde in den Regierungsrat gewählt, bei den Grossratswahlen kam die Partei auf fast 34 Prozent Wähleranteil und legte um fünf Sitze zu. Kantonalpräsident Andreas Glarner sagte bei der Wahlfeier: «Die Leute haben genug von der rot-grünen Verbotspolitik. Auch die zunehmende Kriminalität und der Asylmissbrauch haben uns geholfen.»
Die Themen, die Glarner mit seiner Partei gesetzt hat, haben sich als die richtigen erwiesen, die SVP ist im Aargau die grosse Siegerin. Nur zwei Tage nach dem grossen Wahlerfolg gab es im Grossen Rat allerdings heftigen Gegenwind. In einer Fraktionserklärung kritisierten SP, Grüne, EVP, GLP, Mitte und FDP den SVP-Präsidenten scharf und forderten von Glarner eine Entschuldigung.
Dieser hatte zuvor Mitte-Grossrätin Rita Brem-Ingold in mehreren Beiträgen auf Social Media und einem Inserat im Dorfheft von Oberwil-Lieli an den Pranger gestellt. Glarner kritisierte, Brem-Ingold habe bei der Einbürgerung eines straffälligen Ausländers und der Festlegung des Eigenmietwerts mit den Linken gestimmt. Brem-Ingold wurde danach massiv bedroht und stand zeitweise unter Polizeischutz.
Glarner verurteilte diese Drohungen, entschuldigte sich aber nicht für sein Vorgehen, sondern betonte, er habe nur aufgezeigt, wie die Mitte-Grossrätin abgestimmt habe. Doch auch aus den eigenen Reihen gab es Kritik, so sagte Fraktionschefin Désirée Stutz: «Die Kritik der anderen Parteien ist berechtigt». Man sei «sehr unglücklich mit dieser Situation» und werde das Thema in die Geschäftsleitung der SVP Aargau diskutieren.
Der Internet-Pranger sei kontraproduktiv gewesen und habe zu Solidaritätsstimmen für Brem-Ingold geführt, war aus SVP-Kreisen zu vernehmen. Schon damals gab es auch Stimmen in der Volkspartei, die sich einen Rücktritt des Hardliners als Präsident wünschten. Am Montagnachmittag berichtet der «Blick» online, Glarner werde an der SVP-Vorstandssitzung vom 12. Dezember bekannt geben, «nicht mehr für weitere vier Jahre anzutreten».
Glarner kommentiert dies auf Nachfrage nicht – doch ein möglicher Abgang des Präsidenten wird in der SVP Aargau diskutiert. Stefan Giezendanner, bestgewählter Grossrat im Kanton, sagt zur AZ: «Wenn er sich dazu entschliessen würde, könnte er auf dem Höhepunkt abtreten.» Unter seiner Führung habe die SVP den grösstmöglichen Sieg errungen, dies massgeblich dank Glarners Arbeit. «Er könnte neuen Kräften Platz machen, die eine höchst erfolgreiche Partei übernehmen könnten.»
Giezendanner betont indes, ein allfälliger Verzicht sei allein Glarners Entscheid. Dass sich dieser nicht gern drängen lässt, ist allgemein bekannt. Auf die Frage, ob er selber interessiert wäre, das Präsidium zu übernehmen, sagt der Transportunternehmer: «Das wäre ein attraktives und hochinteressantes Amt mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten, mit meinem beruflichen und militärischen Engagement wäre es aber nicht vereinbar.»
Deutlich zurückhaltender ist Désirée Stutz, die noch bis Ende Jahr die SVP-Fraktion im Grossen Rat führt. Sie habe Glarners Vorgehen gegen Rita Brem-Ingold in die Geschäftsleitung gebracht, hält sie fest. Stutz äussert sich weder zum Inhalt der Diskussionen im Führungsgremium, noch zu den Gerüchten, dass Andreas Glarner zurücktreten wolle. Klar sagt sie aber: «Es ist für mich kein Thema, das Präsidium zu übernehmen.»
Die heutige Parteisekretärin Barbara Borer-Mathys hatte Glarner vor vier Jahren kritisiert. «Wir demontieren uns ein Stück weit selber mit dem zu aggressiven und oft kompromisslosen Stil», sagte sie. Heute äussert sich Borer-Mathys nicht zu Informationen der AZ, dass Glarner an der letzten Geschäftsleitungssitzung der SVP Aargau seinen Rücktritt für den 12. Dezember angekündigt habe.
Auf die Frage, ob sie Ambitionen habe, nach einem allfälligen Abgang das Präsidium zu übernehmen, sagt Borer: «Irgendwann könnte ich mir diese Aufgabe sicher vorstellen, aber derzeit bin ich Parteisekretärin und fühle mich sehr wohl in diesem Amt.» Klar ist: Am 12. Dezember trifft sich der Kantonalvorstand, das Gremium mit 117 Mitgliedern wählt die Geschäftsleitung und das Parteisekretariat.
Das Präsidium kann hingegen nur an einem Parteitag bestätigt oder neu gewählt werden, wie aus den Statuten der SVP Aargau hervorgeht. Die Organe der Partei werden jeweils für vier Jahre gewählt, die Amtsdauer entspricht der Grossratsperiode. Das heisst: Wenn Glarner nochmals antritt, muss er am ersten Parteitag 2025 bestätigt werden. Sollte er verzichten, würde die Nachfolge wohl ebenfalls dann bestimmt. (aargauerzeitung.ch/lyn)