Braucht der Aargau eine Regulierungsbremse in der Verwaltung? Wie hoch sind überhaupt die Kosten und der Nutzen der Regulierung für Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft? Solche und weitere komplexe Fragen werden CVP-Präsidentin Marianne Binder und CVP-Fraktionspräsident Peter Voser heute der Regierung in einer neuen Interpellation unterbreiten.
Die Globalisierung bringe es mit sich, schreiben die Interpellanten im Vorstoss, welcher der AZ vorliegt, «dass verschiedenste Faktoren auf internationaler Ebene schwer beeinflussbar sind. Deshalb sollte man bei den hausgemachten Kostenfaktoren ansetzen, der Regulierungsdichte und den steigenden Kosten der Bürokratie». Diese seien der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes abträglich. Binder und Voser verweisen auf zwischen 2000 und 2007 eingereichte ähnliche Vorstösse aus der SVP- und der CVP-Küche auf nationaler Ebene. Binder: «Danach wurde der gesamte Rechtsbestand systematisch überprüft, hinfällig gewordene Erlasse aus der Rechtssammlung entfernt. 189 Erlasse wurden aufgehoben.» Zusätzlich verweisen die beiden auf einen in der Sommersession neu eingereichten Vorstoss der FDP-Fraktion zur Thematik.
Der starke Franken, «die Destabilisierung des aargauischen und schweizerischen Unternehmensstandorts angesichts der Unsicherheit mit Blick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative» sowie neu die Brexit-Unsicherheit machen dem Exportkanton Aargau sehr zu schaffen, so Binder und Voser. Deshalb wollen sie wissen, wie sich die Regierung zu einer sogenannten «One-in-, One-out-Regel» stellen würde. Nach dieser müsste für jede neue Regelung eine bestehende Regelung im selben Bereich abgeschafft werden.
Robert Obrist (Grüne) wäre manchmal auch froh, wenn etwas einfacher zu regulieren wäre. Er hat zum Beispiel Sympathien für die seit langem herumgeisternde Idee eines Mehrwertsteuer-Einheitssatzes. Obrist: «Die verschiedenen Sätze verursachen in der Anwendung viel Aufwand. Und immer wieder kommt es zu Diskussionen, wo welcher Satz gilt. Das könnte man auch einfacher haben.» Die hohe Regulierungsdichte habe aber schon ihre Gründe. Manche Probleme, die man früher einfach mit dem gesunden Menschenverstand gelöst habe, «muss man heute regeln, gerade weil es in der Wirtschaft an der nötigen Selbstverantwortung fehlt. Da braucht es klare Regeln, damit alle gleich lange Spiesse haben». Immer umfangreicher werden beispielsweise auch die Richtlinien für Biolandbau. Obrist, der im Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) arbeitet, sagt dazu: «Das ist nicht angenehm. Aber je mehr Landwirte biologisch bauern, desto mehr loten auch die Grenzen aus.» Kein Verständnis hat der Grünen-Politiker für die Idee, ein neues Gesetz nur verabschieden zu dürfen, wenn ein altes abgeschafft wird. Obrist: «Das ist schlicht Wahlkampfpolitik.»
Diesen Vorwurf weist Marianne Binder zurück: «Unsinn. Wir stellen eine Frage, die national und international längst diskutiert wird. Wieso nicht untersuchen, ob sich dies im Aargau branchenspezifisch realisieren liesse? In England tut es dies jedenfalls. Man denke nur einmal an das Gastgewerbe, das unter den Vorschriften stöhnt. Da einmal durchzuspielen, für jede neue Regel einen alten Zopf abzuschneiden, kann nicht schaden.»
Aber wäre es nicht einfacher, das Parlament würde weniger neue Regeln erlassen? «Vielleicht schon», sagt Binder, aber es komme auch auf die Regel an. Eine, welche die Regelflut eindämmen will, sei ja grundsätzlich nichts Schlechtes: «Viele Gesetze und Verordnungen müssten längst hinterfragt und entschlackt werden. Ausserdem soll die Regierung bei Vorstössen nicht mehr nur angeben, was die Beantwortung pauschal gekostet hat, sondern auch, was deren Umsetzung an Bürokratie im Verhältnis zum Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft brächte.» (aargauerzeitung.ch)