Wie Red Bull die Bemühungen des Bundes hintertreibt
Chamoson hat drei Besonderheiten. Es ist die grösste Weinbaugemeinde im Kanton Wallis. Der Ortsteil «Saint-Pierre-de-Clages» ist mit seinen zahlreichen Antiquariaten ganz offiziell das einzige Bücherdorf der Schweiz. Und seit Kurzem ist es wohl der erste Ort im Land, der ein Mindestalter für Energydrinks kennt.
Zumindest im Laden von Eric Hamon, der eine Migros-Partner-Filiale betreibt. Wie RTS kürzlich berichtete, verkaufen Hamon und sein Team keine Energydrinks mehr an Jugendliche unter 16 Jahren.
Er hat nämlich festgestellt, dass die Zahl der Kinder, welche diese Getränke kaufen, immer mehr zunimmt. Und das auch noch in grossen Mengen. « Es ist eine Frage der öffentlichen Gesundheit. Wir müssen darauf aufmerksam machen. Für uns ist das eine Möglichkeit, unseren Werten treu zu bleiben.»
Die Energydrinks sind aus zwei Gründen in der Kritik. Einerseits wegen des Koffeingehalts – andererseits wegen des Zuckers.
Neue Liste mit pikanten Details
Die Schweiz kennt – anders als andere Länder – keine Zuckersteuer. Der Bund setzt seit 2015 auf die Selbstregulation der Branche. Mit der Erklärung von Mailand verpflichten sich Lebensmittel- und Getränkehersteller, den Zucker in ihren Produkten zu reduzieren. In den letzten zehn Jahren mit Erfolg. Im Spätsommer hat sich die Branche zusammen mit Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider auf neue Reduktionsziele geeinigt. So soll etwa bei den Süssgetränken der Zuckergehalt um weitere zehn Prozent sinken bis 2028.
21 Unternehmen, darunter Coca-Cola, Emmi, Nestlé und die grossen Detailhändler, haben die Erklärung unterzeichnet. Was daraus nicht hervorgeht: Welcher Hersteller in welchem Bereich (Frühstückscerealien, Milchmischgetränke, Quark, Joghurt oder Erfrischungsgetränke) mitmacht.
Auf Anfrage hat dies das Innendepartement nun offengelegt. Dabei zeigen sich gegenläufige Tendenzen.
So hat Volg neu zugesagt, den Zuckergehalt bei Frühstückscerealien und Joghurts zu reduzieren. Gleichzeitig steigt der Detailhändler – ebenso wie Nestlé – bei den Erfrischungsgetränken aus der Mailänder Erklärung aus. Betroffen wären bei Volg zwei Süssgetränke und fünf Energydrinks der Eigenmarke.
Man befürworte die Zuckerreduktion grundsätzlich, heisst es bei Volg. Doch der Zuckergehalt der eigenen Energydrinks liege mit 9,9 g pro 100 ml bereits unter dem Median. Zudem nehme der Marktführer in diesem Segment nicht teil. Gemeint ist Red Bull – das Unternehmen lehnt die freiwillige Zuckerreduktion kategorisch ab. Und das drückt wiederum auf die Motivation der Branche.
Volg befürchtet Wetttbewerbsnachteile
Solange nicht alle mitziehen, fürchtet Volg Wettbewerbsnachteile: Konsumentinnen und Konsumenten griffen eher zu süsseren Produkten. Tatsächlich zeigen auch Studien, dass eine schrittweise Reduktion des Zuckers kaum bemerkt wird – aber nur, wenn es kein deutlich süsseres Konkurrenzprodukt gibt.
Studien zeigen, dass eine schrittweise Reduktion des Zuckers möglich ist – ohne dass sie von den Konsumenten bemerkt wird. Das funktioniert aber wiederum nur, wenn er kein Vergleichsprodukt eines Konkurrenten hat.
Zwischen 2021 und 2024 hat Volg den Zuckergehalt seiner Energydrinks bereits um zehn Prozent gesenkt. Bei den Süssgetränken hat der Detailhändler die Ziele für 2028 sogar schon erreicht. Der Austritt aus der Erklärung von Mailand hat in diesem Teilbereich daher keine unmittelbaren Folgen.
Die Energydrinks beschäftigen nicht nur den Detailhändler in Chamoson – sondern auch die Politik. Der Bundesrat will die Einführung einer Zucker-Höchstgrenze für Süssgetränke prüfen. Er empfiehlt dem Parlament, einen Vorstoss von Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt anzunehmen. Die Zugerin fordert, dass der Bund einen Höchstwert von 5 Gramm Zucker pro Deziliter für Soft- und Energydrinks festlegt. Das ist weniger als die Hälfte des heutigen Zuckergehalts von Red Bull. (aargauerzeitung.ch)
