Kapitulation statt Frieden: Der neue Ukraine-Plan wird zerlegt
US-Präsident Donald Trump ist mit seinem Bestreben, den Ukraine-Krieg zu beenden, bislang aufgelaufen. Das liegt primär am russischen Machthaber Wladimir Putin, der von einem Kriegsende nichts wissen will und Trump mehrfach über den Tisch gezogen hat. Nun liegt ein 28-Punkte-Friedensplan vor, über den zuerst die Website Axios berichtet hat.
Erarbeitet hat ihn offenbar Trumps Unterhändler Steve Witkoff mit Putins Sondergesandten Kirill Dmitrijew Ende Oktober bei einem Treffen in Miami. Die Ukraine als direkt betroffenes Land wurde genauso wenig einbezogen wie die europäischen Alliierten. «Wir wurden nicht darüber informiert», sagte der deutsche Aussenminister Johann Wadephul am Mittwoch.
Den Ukrainern soll der sogenannte Friedensplan inzwischen vorliegen. Diese Woche reiste eine Pentagon-Delegation nach Kiew, angeführt von Dan Driscoll, dem für das Heer zuständigen US-Staatssekretär. Ein Treffen Witkoffs mit Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in Ankara wurde «verschoben», offenbar auf Wunsch der Ukrainer.
«Schrecklicher» Vorschlag
Selenskyj befindet sich in einer misslichen Lage, militärisch und politisch. Die Russen attackieren sein Land mit Drohnen und Raketen und rücken am Boden vor. Und der aufgeflogene Korruptionsskandal belastet sein Image und das Verhältnis zu den westlichen Unterstützern. Vom sogenannten Friedensplan aber hält er anscheinend wenig.
Er hat allen Grund dazu. Der «Economist» bezeichnet ihn als «schrecklichen» Vorschlag, der faktisch einer russischen Wunschliste entspreche. Ebenso hart ist die Einschätzung des Institute for the Study of War (ISW), einem renommierten Thinktank in Washington. Seine täglichen Einschätzungen gelten als verlässliche Informationsquelle für den Kriegsverlauf.
Diffuse Sicherheitsgarantien
In der jüngsten Ausgabe wird der amerikanisch-russische Plan regelrecht zerrissen. Er laufe auf «die vollständige Kapitulation» der Ukraine hinaus und schaffe die Bedingungen für eine weitere russische Aggression. Noch liegen die 28 Punkte nicht im Detail vor, doch was bislang bekannt ist, entspricht tatsächlich weitgehend den Bedingungen Moskaus.
So müsste die Ukraine den Donbass mit den umkämpften Gebieten Donezk und Luhansk vollständig räumen, die Truppenstärke seiner Armee halbieren und auf «wichtige Waffenkategorien» verzichten, etwa Langstreckenraketen. Als Gegenleistung gebe es einzig diffuse US-Sicherheitsgarantien. Die Stationierung ausländischer Soldaten wäre verboten.
Festungsgürtel in Donezk
Im Gegenzug würden die Russen auf Gebiete «verzichten», über die verhandelt werden müsste. Die von der Ukraine geräumten Teile von Donezk und Luhansk würden zu einer «entmilitarisierten» Zone. Was von derartigen Versprechungen zu halten ist, weiss man seit den Kämpfen gegen die sogenannten «Separatisten» nach der Krim-Annexion 2014.
Für die Ukraine wäre vor allem die Aufgabe von Donezk ein enormes Risiko. Noch immer hält sie einen Teil dieser Region, dank eines «Festungsgürtels» bestehend aus befestigten Städten, Gräben und Minenfeldern. Nach Einschätzung des ISW würde Russland beim heutigen Vormarschtempo einige Jahre benötigen, um diesen Festungsgürtel einzunehmen.
Weisses Haus will durchziehen
Wenn die Ukrainer ihn jedoch preisgeben müssten, wäre der Weg nach Westen und Norden offen, etwa Richtung Charkiw, Dnipro oder gar Kiew. Auch Vorstösse auf die Städte Cherson und Saporischschja wären möglich, zwei erklärte Kriegsziele des Kremls. Dabei ist ein russischer Sieg auf dem Schlachtfeld für das ISW alles andere als unvermeidlich.
Zwar würden sie Geländegewinne bei Pokrowsk erzielen, doch die Durchbrüche stünden «in keinem Verhältnis zu den erlittenen Verlusten», so die Analysten der Denkfabrik. Das Weisse Haus hat sich bislang nicht zum sogenannten Friedensplan geäussert, doch offenbar will man ihn durchziehen, schreibt Politico unter Berufung auf mehrere Quellen.
Sanktionen treten in Kraft
Die Reaktionen aus Moskau sind ebenfalls zurückhaltend, doch Wladimir Putin hat gute Gründe, eine Bereitschaft zum Frieden zumindest vorzutäuschen. Am Freitag sollen die US-Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft offiziell in Kraft treten. Falls dies geschieht, wäre es ein empfindlicher Schlag für die russische Kriegswirtschaft.
Der «Friedensplan» könnte dies verhindern. Mit Steve Witkoff haben die Russen einen Gesprächspartner, der sich bei seinen Treffen mit Putin sehr empfänglich für ihre Anliegen gezeigt hat. «Die Russen haben Witkoff eindeutig als jemanden identifiziert, der bereit ist, ihre Interessen zu vertreten», sagte ein EU-Vertreter gegenüber Politico.
Das gelte auch für den angeblichen Friedensplan, meint das ISW in seiner Analyse: «Er entzieht der Ukraine wichtige Verteidigungslinien und Fähigkeiten, um sich gegen künftige russische Angriffe verteidigen zu können, und das anscheinend im Austausch für nichts.» Oder anders gesagt: Letztlich müsste sich Kiew dem Moskauer Diktat unterwerfen.
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