Enge Mitarbeiter von Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) waren gestern Morgen extrem nervös. Sie trauten den Umfragen nicht, die ein klares Ja zum Kampfjet voraussagten. Der Tagesverlauf gab ihnen Recht, am Schluss schrammten die Befürworter und die Bundesrätin mit 50,2 Prozent Ja haarscharf am Fiasko vorbei.
Genau umgekehrt die Ausgangslage im Lager der Kampfjet-Gegner um die SP, Grünen und die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA). Dort rechnete man aufgrund der deutlichen Umfragen mit einer mehr oder weniger deutlichen Zustimmung.
Als sich gestern ab Mittag die äusserst knappe Entscheidung abzeichnete, als das Nein plötzlich in Reichweite lag, wirkten die Kampagnenverantwortlichen wie überrumpelt. Sie hatten dieses Szenario im Vorfeld nicht vertieft diskutiert.
Der Zuger Alt-Nationalrat Jo Lang (Alternative, Grüne), Zugpferd der GSoA, sagte: Bei einem Nein müsste sofort eine Denkpause eingeschaltet werden, ein Marschhalt bei Rüstungsausgaben. «Ein Nein bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Armee keine zeitgemässe Antwort auf die heutigen Sicherheitsprobleme mehr sehen.»
Aber auch das haarscharfe Ja, das am Schluss resultierte, ist wie ein Sieg für die Verantwortlichen des Referendumskomitees. Die Befürworter hätten ihre besten Kräfte aufgeboten, die glaubwürdigste Bundesrätin, und trotzdem nur mit Ach und Krach gewonnen.
Es sei ein Ja zur Katze im Sack, sagt Lang, aber kein Ja zu einem bestimmten Flugzeugtyp: «Wir prüfen eine Express-Initiative.» Das hiesse: Möglichst schnell möglichst viele Unterschriften sammeln und den Kauf verhindern.
Der knappe Ausgang zeige, so GSoA-Sekretär Lewin Lempert, dass das Verteidigungskonzept der letzten 30 Jahre in Frage gestellt sei. Fast die Hälfte der Stimmberechtigten finde, «dass für unsere Sicherheit 30 oder 40 Kampfjets nichts bringen».
Diese «Express-Initiative» scheint, das zeigen weitere Gespräche, sehr wahrscheinlich für den Fall, dass sich der Bundesrat für einen amerikanischen Jet entscheiden sollte.
Ebenfalls Auslöser einer derartigen Initiative wären allfällige Ungereimtheiten oder sogar Korruptionsverdacht im jetzt folgenden Beschaffungsprozess. Europa oder USA – diese Frage der Allianz wird in den nächsten Monaten viel zu reden geben.
Vier Jets sind im Rennen um den F/A-18-Ersatz: Die «Europäer» Rafale (Dassault) und Eurofighter (Airbus) sowie die US-Jets F/A-18 Super Hornet (Boeing) und F-35 (Lockheed). Bis im November müssen die Hersteller ihre zweite und entscheidende Offerte einreichen, bis Mitte 2021 fällt der Typenentscheid. Auch die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (SP) erachtet die Frage Europa - USA als strategisch eminent wichtig.
Sie sagt im Gespräch: «Kauft die Schweiz ein amerikanisches Flugzeug, heisst das, dass die USA kontrollieren werden, wie wir ihre Technologien verwenden.» Sie würden Inspektoren schicken, wir bänden uns an die USA. «Das kann Folgen haben, etwa wenn die USA ihre Drohung wahrmachen und die Nato verlassen», sagt die Genferin.
«Wenn wir aber ein französisches oder deutsches Flugzeug kaufen, entscheiden wir uns für unsere europäischen Nachbarn, auf deren Unterstützung wir im Ernstfall angewiesen sind», so Calmy-Rey.
Es gehe letztlich «darum, ob wir uns unter einen transatlantischen oder einen deutsch-französischen Verteidigungsschirm stellen». Sie wandte sich schon vor der Abstimmung dagegen, «dass die Bevölkerung das Geld für die Flugzeuge bewilligen soll, aber danach zum weitreichenden und folgenschweren strategischen Entscheid nichts zu sagen hat».
Welcher Jet als Sieger aus der Evaluation hervorgehen wird, ist angeblich offen, auch wenn der Rafale für viele nach wie vor Favorit ist. Die Debatte um die Verwendung der 6 Milliarden wird jedenfalls, da sind sich alle Beobachter einig, noch hohe Wellen werfen.