Schweiz
Afghanistan

Grüne und SP wollen 10'000 Geflüchtete aus Afghanistan aufnehmen

Grüne und SP wollen 10'000 Geflüchtete aus Afghanistan aufnehmen – das sagt Cassis

16.08.2021, 18:4817.08.2021, 14:40
Mehr «Schweiz»
epa09416574 A view of Hamid Karzai International Airport after Taliban took control of Kabul, Afghanistan, 16 August 2021. Several people were reportedly killed at Kabul airport on 16 August as Afghan ...
Hunderte Menschen strömen den Flughafen von Kabul – der Vormarsch der Taliban wird eine neue Flüchtlingswelle auslösen.Bild: keystone

Nach dem Einmarsch der islamisch-fundamentalistischen Taliban in Kabul fordern SP und Grüne, dass die Schweiz im Rahmen internationaler Kontingente 10'000 Geflüchtete aus Afghanistan aufnimmt. Die Grünen fordern zudem den Familiennachzug für bereits in die Schweiz Geflüchtete. Bundesrat Ignazio Cassis sagte die Prüfung der Forderung zu.

Ob die Schweiz mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen soll, beurteile der Bundesrat von Stunde zu Stunde, sagte Aussenminister Cassis am Montag vor den Medien im Bundeshaus in Bern. «Wir sind in der Lage, solche Entscheide wie die Aufnahme von Flüchtlingen rasch zu treffen», sagte Cassis. Aber die Schweiz sei auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen.

Zuvor hatte die SP gefordert, die Schweiz müsse sich für ein internationales Flüchtlingskontingent einsetzen. Im Rahmen dessen soll sie 10'000 Menschen aufnehmen, vor allem Mädchen und Frauen. Die Nachbarstaaten bräuchten Unterstützung. Ausserdem müsse die Schweiz ihre guten Dienste für einen raschen Frieden und Verhandlungen mit der neuen Regierung einbringen.

Die Angehörigen von bereits in der Schweiz anwesenden Afghaninnen und Afghanen sollen mittels humanitärer Visa einreisen dürfen, fordern die Grünen. Alle Geflüchteten aus Afghanistan sollen einen Schutzstatus erhalten, unabhängig vom Stand eines Asylersuchens.

Das «Bündnis unabhängiger Rechtsarbeit im Asylbereich» fordert für afghanische Flüchtlinge mindestens eine vorläufige Aufnahme statt lediglich die Aussetzung von Rückführungen. Die Organisation Solidarité sans frontières und die demokratischen Juristinnen und Juristen verlangen den Flüchtlingsstatus für alle Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz.

Bundesrat Ignazio Cassis nimmt Stellung zur aktuellen Lage in Afghanistan, am Montag, 16. August 2021 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Ignazio Cassis: Die Lage muss laufend neu überprüft werden.Bild: keystone

Schweizer Diplomaten ausser Landes

Alle sechs Schweizer Angestellten im Kooperationsbüro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Kabul hatten bis zum Wochenende Afghanistan verlassen, das 38-köpfige Lokalpersonal und deren engste Angehörigen allerdings noch nicht.

Dies teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Montagnachmittag mit. Für das Lokalpersonal im unterdessen geschlossenen Kooperationsbüro werde eine Lösung gesucht. Die aktuelle Situation in Kabul, besonders am Flughafen der afghanischen Hauptstadt, mache die Ausreise des Lokalpersonals aber schwierig.

Die rund 230 Personen bestehend aus Lokalpersonal und engsten Angehörigen erhalten ein humanitäres Visum für die Schweiz, wie der Staatssekretär für Migration, Mario Gattiker, am Freitag vor den Medien erklärt hatte. Er begründete dies damit, dass die afghanischen Mitarbeitenden des Kooperationsbüros von den Taliban als westliche Kollaborateure angesehen werden könnten. Deshalb seien sie an Leib und Leben gefährdet.

Noch 26 Schweizer Staatsangehörige im Land

Auch nach der Evakuierung des Schweizer Personals im Kooperationsbüro in Kabul befinden sich noch 26 Schweizer Staatsangehörige in Afghanistan. Diese seien bei der Botschaft in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gemeldet, so das EDA. Die Schweizer Vertretung im Nachbarland von Afghanistan sei für dieses konsularisch zuständig und mit den 26 Personen in Kontakt.

Die Schweiz sei besorgt über die «gravierende Sicherheitslage» in Afghanistan, schreibt das EDA. Und weiter: «Das hohe Gewaltniveau trägt massgeblich zum Leiden der afghanischen Bevölkerung bei und erhöht die Zahl der Vertriebenen, die auf der Suche nach Sicherheit und Schutz sind.»

Schweiz verurteilt Verbrechen

Die Schweiz verurteile die mutmasslichen Verstösse gegen das Völkerrecht, einschliesslich mutmasslicher Völkerrechtsverbrechen, und rufe alle involvierten Akteure mit Nachdruck dazu auf, sich an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu halten. Insbesondere die Rechte von Minderheiten und von Frauen und Mädchen seien zu gewährleisten.

Afghanische und ausländische Bürgerinnen und Bürger, die ausreisen wollten, müssen dies frei und ungehindert tun können; Strassen, Flughäfen und Grenzübergänge müssten dafür offen bleiben. Insbesondere auch vom Flughafen Kabul müsse eine sichere und diskriminierungsfreie Ausreise möglich sein, so das EDA. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
1 / 18
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
Am 15. August 2021 haben die Taliban ihr Ziel erreicht: Sie sind in der Hauptstadt Kabul einmarschiert und haben den Präsidentenpalast in ihrer Kontrolle.
quelle: keystone / zabi karimi
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So dramatisch geht es derzeit in Afghanistan zu und her
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
161 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gusto
17.08.2021 07:00registriert Mai 2016
Ich bin dafür, dass die Schweiz dabei hilft, 10'000 oder auch 100'000 Geflüchtete in die USA zu bringen. Seltsamerweise haben diese nämlich verhältnismässig wenige Iraker, Afghanen oder Syrer bei sich aufgenommen in den letzten 20 Jahren.
5712
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alter Mann
16.08.2021 21:35registriert September 2020
Aus meiner Sicht ist diese Forderung völlig absurd. Erst einmal muss abgewartet werden ob überhaupt eine politische Verfolgung durch die Taliban stattfindet. Zudem sollte das DEZA in keinem Land mehr Entwicklungshilfe oder was auch immer machen bei welchem, so wie bei Afghanistan es absehbar war, dass das Ganze fruchtlos ist. Hier wurde Geld und Ressourcen einfach verschwendet für nichts. Das sollte für sämtliche in Kriege oder kriegsähnliche Situationen involvierte Staaten gelten. Im Augenblick besteht aus meiner Sich kein Grund für Asyl. Es braucht nur einen Haftbefehl für den Präsidenten.
8749
Melden
Zum Kommentar
avatar
Volv
16.08.2021 21:10registriert März 2020
Es stünde den wohlhabenden arabischen Glaubensbrüdern und -Schwestern z.B. in den Vereinigten Arabischen Emiraten gut an, vorbildlich voranzugehen und Flüchtlinge grosszügig aufzunehmen.
435
Melden
Zum Kommentar
161
Zürcher Obergericht verurteilt «Quäl-Eltern» zu Freiheitsstrafen

Das Obergericht Zürich hat zwei «Quäl-Eltern» zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Richter nahmen ihnen nicht ab, nur aus Überforderung ihre Tochter geschlagen und erniedrigt zu haben.

Zur Story