Das Bundesstrafgericht hat am Mittwoch im Prozess gegen den früheren gambischen Innenminister Ousman Sonko zwei mutmassliche Opfer befragt. Der Angeklagte bestritt alle ihm zur Last gelegten Taten, darunter mehrfache Vergewaltigung und Folter.
Zunächst hörte die Strafkammer die Ehefrau eines Militärangehörigen an, der dem gambischen Ex-Präsidenten Yahya Jammeh sehr nahe stand, bevor er im Januar 2000 getötet wurde. Sonko soll die damalige Witwe nach der Tötung ihres Mannes gemäss Anklageschrift unzählige Male vergewaltigt, geschlagen und im Januar 2005 fünf Tage lang gefangen gehalten haben.
Die heute 56-Jährige erklärte dem Gericht, dass Sonko das erste halbe Jahr nach dem Tod ihres Gatten sehr häufig in ihr Haus gekommen sei und sie immer wieder vergewaltigt habe. Sie habe sich als seine Sklavin gefühlt. Der Angeklagte sei in Uniform gekommen, und sie habe ihn als Mitglied der Staatsgarde wahrgenommen.
Als er das erste Mal gekommen sei, habe sie zunächst gedacht, dass er Fragen zu ihrem Ehemann habe. Ihre Mutter, ihre Kinder und sie selbst hätten Angst gehabt und befürchtet, dass sie mitgenommen würden.
Sonko wurde während der Befragung der Frau in einen anderen Raum gebracht, in den das Geschehen im Gerichtsaal per Video übertragen wurde. Sowohl die Beteiligung an der Tötung des Mannes, als auch die Vergewaltigungen bestritt er.
Die Aussagen fielen der Gambierin, die unterdessen mit ihren Kindern in den USA lebt, schwer. Einmal wurde die Befragung unterbrochen, damit sie sich sammeln konnte. Sie führte vor Gericht aus, dass besonders ihre jüngste Tochter sie ermutigt habe, ihre Geschichte öffentlich zu erzählen.
Die 56-Jährige sagte nicht nur in Bellinzona aus, sondern auch vor der Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC), einer Wahrheitskommission in Gambia, die die Ära von 1994 bis 2017 unter Ex-Präsident Yahya Jammeh untersucht.
Auf die Fragen zur Tötung des Ehemannes der Befragten äusserte sich Sonko nicht. Er berief sich darauf, dass er einer Geheimhaltungspflicht unterstehe.
Auch das zweite, am Mittwoch befragte Opfer konnte im Laufe seiner Ausführungen irgendwann nicht mehr die Tränen zurückhalten. Der 56-jährige Militärangehörige wurde vom damaligen Regime beschuldigt, an einem Putschversuch im März 2006 beteiligt gewesen zu sein.
Er wurde zu Hause abgeholt, wiederholt mit massiven Schlägen traktiert und mit einer Peitsche geschlagen, wie er erzählte. Man habe ihm einen Plastiksack über den Kopf gestülpt, so dass er einmal ohnmächtig geworden sei oder sich nicht mehr auf den Beinen habe halten können. Bei den Misshandlungen sei ihm eine Hand gebrochen worden, die erst viel später von einem Arzt behandelt wurde.
Irgendwann habe er alles getan, was von ihm verlangt worden sei. Er sei auch gezwungen worden, eine Rede zu schreiben, die er angeblich nach der Machtergreifung habe halten wollen. Nach massiven Folterhandlungen im April 2006 habe er nur noch sterben wollen. Er habe gehofft, dass sie die Waffe abfeuern würden, die sie ihm an den Kopf gehalten hätten.
Der Gambier wurde vor und nach den Folterungen einem Gremium vorgeführt, das den Putsch aufklären sollte. Sonko war Teil dieser Gruppe. Den Vorwurf, dass er mitverantwortlich sei für die Folterhandlungen und das Festhalten der Verdächtigen, wies der Angeklagte von sich.
Sonko werden weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, die in der Zeit von 2000 bis 2016 begangen worden sind. Laut Bundesanwaltschaft sind die Taten im Rahmen eines systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung durchgeführt worden.
Im Verlauf des Prozesses werden weitere Personen befragt, die Opfer des Regimes wurden. Die Verhandlung wird am Donnerstag um 8.30 Uhr weitergeführt.
(Fall SK. 2023.23) (sda)