Sie spült Milliarden in die Staatskasse. Doch obwohl sie die meisten von uns täglich zahlen, bemerken wir sie meist gar nicht: die Mehrwertsteuer.
Auf 27 Milliarden Franken summierten sich im vergangenen Jahr die Einnahmen – damit handelt es sich bei der Steuer nebst der direkten Bundessteuer um die mit Abstand grösste Geldquelle des Bundes.
Und sie ist eine wichtige Stütze für die AHV. Rund jeder sechste Mehrwertsteuer-Franken fliesst in die Finanzierung der AHV-Renten. Oder anders gerechnet: Mit jedem Kafi, den wir in der Beiz trinken (Preis: 4.50 Fr.), zahlen wir etwa 6 Rappen an die AHV.
In Zukunft dürfte es noch etwas mehr sein. Der Grund dafür ist die 13. AHV-Rente. Nächstes Jahr soll sie erstmals ausbezahlt werden. Doch wie der Bund sie finanzieren soll, ist über ein Jahr nach Annahme der Volksinitiative noch immer offen.
Am Donnerstag entscheidet der Ständerat. Auf dem Tisch liegen mehrere Vorschläge – ihnen allen gemein ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Geht’s nach dem Bundesrat, sollen die Mehrausgaben allein durch höhere Mehrwertsteuer-Prozente finanziert werden. Der reguläre Satz soll von 8,1 auf 8,8 Prozent steigen. Die Sozialkommission des Ständerats hingegen schlägt vor, auf eine Mischlösung zu setzen: eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in Kombination mit höheren Lohnabgaben. Auch bei der bevorstehenden AHV-Revision schlägt der Bundesrat vor, unter anderem beim Mehrwertsteuer-Hebel anzusetzen.
Die Mehrwertsteuer-Milliarden sind nicht nur zum Stopfen von Finanzierungslücken bei der Altersvorsorge begehrt. Der Bund finanziert damit auch Prämienverbilligungen und den Unterhalt von Zugstrecken oder Bahnhöfen. Von 2011 bis 2018 flossen Mehrwertsteuer-Einnahmen auch in die Invalidenversicherung. Und aktuell steht auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der Armee zur Diskussion.
Für die Politik ist die Mehrwertsteuer so attraktiv, weil sich auf relativ einfache Weise enorme Einnahmen generieren lassen. Jede und jeder zahlt sie. Zwar braucht es für eine Erhöhung jeweils eine Verfassungsänderung und damit eine Volksabstimmung. Doch weil ein Plus um ein paar Zehntelprozentpunkte kaum jemanden wirklich schmerzt, hält sich der Widerstand in Grenzen. Schliesslich flattert nicht einmal im Jahr eine happige Steuerrechnung ins Haus, sondern man begegnet der Steuer höchstens auf dem Kassenzettel.
Wobei sich die Kleinstbeträge läppern. Eine Auswertung der Eidgenössischen Steuerverwaltung für CH Media zeigt, dass ein Durchschnittshaushalt im Monat 330 Franken Mehrwertsteuer zahlt – was rund 3,5 Prozent des Einkommens entspricht. Die Schätzung basiert auf Zahlen von 2018 und 2019 und deckt die meisten, aber nicht alle Haushaltsausgaben ab. In der Realität dürfte die Belastung darum noch höher sein.
Menschen mit tiefen Einkommen zahlen verhältnismässig mehr (rund 4,9 Prozent), weil der Konsum einen grösseren Anteil ihres Einkommens ausmacht. Aber auch Rentnerinnen und Rentner steuern mit 4,3 Prozent etwas mehr bei als der Durchschnitt.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,5 Prozent hat für einen Durchschnittshaushalt Mehrkosten von rund 200 Franken pro Jahr zur Folge. Das schätzt Frank Marty, Steuerexperte des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse.
Ein Nachteil der Steuer: Für die Unternehmen ist sie mit enorm viel Bürokratie verbunden. So hat ein Blumenstrauss einen anderen Mehrwertsteuersatz als die Vase, in der er steht. Und eine Pizza, die man im Restaurant verspeist, einen anderen Satz als eine, die nach Hause geliefert wird.
Versuche, das System radikal zu vereinfachen, sind bisher gescheitert. Trotzdem ist die Steuer auch aus Wirtschaftssicht als Finanzierungsquelle für den Staat das kleinere Übel. Denn statt Einkommen oder Kapital belastet sie den Konsum. «Diese Belastung ist gesamthaft für die Volkswirtschaft am wenigsten schädlich», sagt Frank Marty.
Die Wirtschaftsverbände pochen darum darauf, die 13. AHV allein über eine Mehrwertsteuer-Erhöhung zu finanzieren, während die Gewerkschaften am liebsten nur auf höhere Lohnabgaben setzen würden. Das Argument: Diese Lösung sei sozialer, weil Gutverdienende verhältnismässig stärker zur Kasse gebeten werden.
Der Vorteil der Mehrwertsteuer hingegen ist, dass sich so alle an den Mehrkosten beteiligen müssen, auch Rentnerinnen und Rentner. Wobei: Je älter man ist, desto weniger stark schenkt die Erhöhung ein. Weil man schlichtweg weniger Lebens- und damit Konsumjahre vor sich hat. «Eine Anhebung der Mehrwertsteuer kann deshalb kaum von älteren Generationen getragen werden», sagt Veronica Weisser, Vorsorgeexpertin der UBS. «Sowohl eine Mehrwertsteuer-Erhöhung als auch eine AHV-Finanzierung über Lohnabgaben entzieht vor allem jungen und zukünftigen Generationen über Jahrzehnte hinweg Konsum- und Sparmöglichkeiten.»
Auch die Mehrwertsteuer hat ihren Preis – obwohl dieser auf den ersten Blick verborgen bleibt.
Dabei ist es aber endlich an der Zeit, dass alle Einkommen Sozialabgabenrelevant sind. Dazu gehören nicht abschliessend Dividenden, Zinserträge und Bonuszahlungen aller Art.
Die MWST trifft halt diejenigen die wenig haben überproportional. Dafür zahlen die Pensionierten mit. Bei den Lohnabzügen zahlen die besser verdienenden verhältnismässig mehr, dafür kommt kein Beitrag von den bereits Pensionierten. Wahrscheinlich wird sich eine Mischlösung als Kompromiss durchsetzen.