Als es darum ging, das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen, sagten die bürgerlichen Befürworter und Befürworterinnen: Wir müssen das Problem der tiefen Renten anpacken – aber nicht in der AHV, sondern in der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge also. Nun liegt diese Reform auf dem Tisch, und die Linke findet: Das Versprechen wurde gebrochen.
Gewerkschaften, SP und Grüne sammeln derzeit Unterschriften für das Referendum. «Die Frauen sollen nach der Erhöhung des Rentenalters noch ein zweites Mal bezahlen», kritisiert das Bündnis. Die Präsidentin der Gewerkschaft Unia, Vania Alleva, warf den Bürgerlichen bei der Lancierung des Referendums «Wortbruch» vor.
Der Frauendachverband Alliance F hingegen schätzt die Reform anders ein: Er zählte sie als eine von drei Gleichstellungserfolgen der letzten Session auf. «Damit werden kleine Einkommen und Teilzeitbeschäftigte – darunter überdurchschnittlich viele Frauen – besser fürs Alter abgesichert», heisst es im Newsletter von Alliance F. «Das ist dringend notwendig.»
Alliance F hatte sich im Parlament für die Reform engagiert - beziehungsweise für einen Teil davon. Co-Präsidentin Kathrin Bertschy (GLP/BE) sagt: «Wir haben uns dafür eingesetzt, dass Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen, Teilzeitpensen oder mehreren Arbeitgebern besser versichert sind.» Dank der Abschaffung des fixen Koordinationsabzugs sollen sie künftig eine bessere Rente ansparen können. «Das ist eine jahrzehntelange Forderung von Frauenorganisationen.»
Alliance F habe aber noch keine Parole zur Reform gefasst, betont Bertschy. Zum anderen Teil der Reform, der Senkung des Umwandlungssatzes und den Kompensationsmassnahmen, hätten die Mitgliederorganisationen unterschiedliche Positionen. «Wir werden die Gesamtbeurteilung noch vornehmen.» Sollte das Referendum zustandekommen, werde Alliance F an einer Delegiertenversammlung über die Parole entscheiden.
Das Engagement von Alliance F stiess manchen auf der linken Seite sauer auf. Die SP-Frauen entschieden Ende März, die Mitgliedschaft bei Alliance F zu sistieren, wie die «NZZ» zuerst berichtete. Der Antrag kam von der Berner Grossrätin Meret Schindler, Gewerkschaftssekretärin beim VPOD des Kantons Bern.
Die Reform der Zweiten Säule spielte für den Entscheid der SP-Frauen eine wichtige Rolle. «Die Tatsache, dass Alliance F sich in der Frühlingssession für die BVG-Reform ausgesprochen und die Parlamentarier und Parlamentarierinnen dazu aufgerufen hat, Ja zu stimmen, war sicher der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte», sagt Martine Docourt, Co-Präsidentin der SP-Frauen.
Schon die Abstimmung über die AHV-Reform hatte gewisse Wunden aufgerissen – die offensichtlich noch nicht verheilt sind. Alliance F hatte damals ein Ja- wie auch ein Nein-Komitee initiiert; Co-Präsidentin Kathrin Bertschy sprach sich dafür aus, Co-Präsidentin Maya Graf (Grüne/BL) dagegen. Diesmal ist die Ausgangslage noch vertrackter, weil im Parlament beide Co-Präsidentinnen von Alliance F für die Pensionskassenreform stimmten – sehr zum Ärger der Linken.
Giftpfeile werden jedenfalls schon mal abgeschossen, etwa von Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard. Angesprochen auf Alliance F, merkte er an der Referendums-Medienkonferenz an, der Frauendachverband habe sich mit einem Schreiben ans Parlament gewandt und für die Reform ausgesprochen – ohne dieses davor an einer Vorstandssitzung abgesprochen zu haben.
Co-Präsidentin Bertschy kontert: Den Brief habe Alliance F schon mehrmals zuvor vor Abstimmungen in Kommissionen und Räten abgegeben, um sich für die Abschaffung des fixen Koordinationsabzugs und die Senkung der Eintrittsschwelle auszusprechen. «Es ist die gleiche Position, wie wir sie schon in der Vernehmlassung und in den Anhörungen vertreten haben. Vielleicht hat Maillard sie vorher einfach nicht wahrgenommen.»
Diese Aussage ist gleich doppelt falsch:
1. Wurde das Rentenalter an das der Männer angepasst und nicht "gegen die Frauen" erhöht. Gleichberechtigung halt.
2. Bezahlen mit der Reform alle Klein-, und Mehrfachbeschäftigten, das sind nicht nur Frauen.
Dämlicher künstlicher Geschlechterkampf das ist.
Wichtiger wäre die Abschaffung des Koordinatsabzugs, der v.a. Teilzeitarbeiter oder Personen mit mehreren Arbeitgebern stark benachteiligt, zumal dann auch die Arbeitgeberbeiträge entfallen.