Es ist eine überraschende Sparmassnahme, die SRF-Direktorin Nathalie Wappler am Mittwoch verkündet hat: Das Gesellschaftsmagazin «Gesichter und Geschichten» – kurz «G & G» – wird im kommenden Sommer aus dem Programm gekippt.
Das 20-minütige Format ist seit 20 Jahren im Vorabendprogramm des Schweizer Fernsehens. Bis 2020 hiess die Sendung «Glanz & Gloria» und handelte von Prominenten; seither wurden manchmal auch gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt.
Am SRF-Hauptsitz im Norden der Stadt Zürich sorgt die Absetzung für Verwunderung – aus mehreren Gründen. Erstens war den Verantwortlichen der Sendung zwar eröffnet worden, dass «G & G» im kommenden Sommer erstmals eine längere Pause einlegen müsse. Dass die komplette Einstellung des Formats geprüft werde, stellten die Verantwortlichen bisher aber in Abrede.
Zweitens sind die Einschaltquoten von «G & G» zwar nicht besonders hoch, aber sie sind stabil. Im vergangenen Jahr erreichte die Sendung im Durchschnitt 122'000 Zuschauer, im Jahr 2022 waren es 126'000 gewesen – was einem Marktanteil von 18 Prozent entsprach. Es gibt keinen starken Negativtrend. Was jedoch auffällt: Berücksichtigt man die sogenannte werberelevante Zielgruppe der 15- bis 59-Jährigen, schmilzt das Publikum auf rund 30'000 Personen.
Das bedeutet: Die Zuschauerschaft ist massiv überaltert. «G & G» wird vor allem von Rentnerinnen und Rentnern gesehen. Mit diesem Problem kämpfen aber fast alle Sendungen des Schweizer Fernsehens.
Der dritte Grund für den Unmut am Leutschenbach: Die Redaktion von «Gesichter und Geschichten» arbeitet kostenbewusst. Für eine Sendung wendet sie 17'000 Franken auf, was ausgesprochen wenig ist. SRF-Chefin Wappler spricht nun davon, dass mit der Aufhebung des Formats 2 Millionen Franken eingespart würden. Gemessen am SRF-Budget von rund 600 Millionen jährlich ist das ein Klacks.
Wappler begründet die Eliminierung damit, dass SRF im laufenden Jahr ein ausgeglichenes Budget erreichen und die digitale Transformation vorantreiben müsse. Wappler erwähnt, dass das Unternehmen wegen rückläufiger kommerzieller Einnahmen, der Reduktion des Teuerungsausgleichs auf die Medienabgabe sowie wegen steigender Kosten für IT und Technologie finanziell unter Druck stehe.
Diese Angaben werfen Fragen auf. Denn Medienminister Albert Rösti (SVP) ist inzwischen von seinem Plan abgekommen, den Teuerungsausgleich auf die Medienabgabe umgehend zu streichen. Eine Reduktion gibt es möglicherweise erst ab 2027.
SRF-Mitarbeiter verweisen ausserdem darauf, dass «G & G» unter Schweizer Kulturschaffenden beliebt war. Die Sendung besuchte die Premieren von Kabarettprogrammen und Konzerttourneen und sprach mit geladenen Gästen – für die Schauspieler und Sängerinnen war das willkommene Gratiswerbung.
Im Abstimmungskampf gegen «No Billag» zogen Schweizer Kulturschaffende 2018 eine wirksame Kampagne auf. Werden sie das wieder tun, wenn die Stimmberechtigten 2026 über die 200-Franken-Initiative der SVP entscheiden? Ein SRF-Kadermann meint: «Wir entziehen unseren traditionellen Unterstützern eine Plattform mit der Einstellung von ‹G & G›. Ist das schlau? Sie sind bereits enttäuscht über die Ausdünnung des Kulturangebots auf Radio SRF 2.»
Warum setzt Nathalie Wappler «Gesichter und Geschichten» ab? Einige Beobachter weisen darauf hin: Das Format müsste seit dem Frühling 2023 aus dem News- und Sportcenter ausgestrahlt werden. Sendeleiterin Paola Biason habe aber ihr Veto eingelegt. Die Probeaufnahmen seien miserabel verlaufen. Jemand sprach von einem «optischen Totschlag». Die Farbe Rot, die das Dekor des Studios dominiere, habe nicht abgemildert werden können. Das Dekor von «G & G» ist in Pastelltönen gehalten.
Bis zum heutigen Tag wird «Gesichter und Geschichten» nicht aus dem News- und Sportcenter, sondern aus dem Studio 11 ausgestrahlt. Der geplante Umzug ist mehrmals verschoben worden – was zusätzliche Kosten verursacht. Paola Biason wird als Kaderfrau beschrieben, die sich nicht ducke, wenn ihr die Entscheidungen der SRF-Geschäftsleitung wenig durchdacht erscheinen.
Eine kritische Haltung ist am Leutschenbach nicht gefragt. Mit der Streichung von «G & G» entledigt sich Wappler einer Führungsperson, die sich traute, unangenehme Fragen zu stellen. (bzbasel.ch)
Verschwörungstheorien sind ja recht unterhaltsam. Aber bei jeder Meldung über das SRF nun sowas zu lesen, ist möglicherweise etwas übertrieben.
1) Warum musste die Sendung unbedingt ins neue Rotlicht-Studio umziehen? Hat die Geschäftleitung hierfür triftige Gründe oder wäre es auch anders gegangen?
2) Warum ist es technisch nicht möglich, in einem superhyperteuren neuen Hightech-TV-Studio das Rot zu eliminieren, um darin auch Sendungen produzieren zu können, denen Rotlicht nicht besonders gut steht???
Ich kann nicht ganz glauben, dass sich so ein kleines Studio-Problem nicht mit Kommunikation und technischen Mitteln lösen lässt und man lieber die Sendung absetzt. War das wirklich ausschlaggebend?