Im letzten Dezember kam es im Bundeshaus zum Eklat: Der Ständerat weigerte sich, auf einen Gegenvorschlag zur Prämienentlastungs-Initative der SP auch nur einzutreten. Der St. Galler Benedikt Würth begründete dies mit den drohenden Mehrkosten für die Kantone. Pikant daran: Seine Mitte-Partei hatte den Gegenvorschlag im Nationalrat mitgestaltet.
Die politische Blutgrätsche der Standesvertreter wurde als Affront für Parteipräsident Gerhard Pfister gewertet. Im watson-Interview verwies der Zuger darauf, dass eine Mehrheit der Mitte-Ständerätinnen und -Ständeräte den Gegenvorschlag unterstützt habe. Dennoch blieb ein für das lösungsorientierte Image der Partei unvorteilhafter Eindruck haften.
Am Dienstag kam es zur Kehrtwende. Im zweiten Anlauf stimmte der Ständerat nicht nur für Eintreten auf den Gegenentwurf. Er genehmigte ihn mit 26 zu 16 Stimmen bei einer Enthaltung. Nur zwei der 14 Mitte-Vertreter wollten nach wie vor nichts davon wissen. Völlig überraschend kam der Sinneswandel nicht. Er hatte sich vielmehr abgezeichnet.
Der Obwaldner Mitte-Ständerat Erich Ettlin warnte als Sprecher der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK), ohne Gegenvorschlag steige die Wahrscheinlichkeit einer Annahme der SP-Volksinitiative. Sie verlangt, dass Versicherte höchstens zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien ausgeben müssen.
Erreicht werden soll dieses Ziel mit zusätzlichen Prämienverbilligungen. Mindestens zwei Drittel soll der Bund übernehmen, doch auch die Kantone würden zur Kasse gebeten. Von diesen haben einige in den letzten Jahren bei den Verbilligungen gespart. Teilweise wird das ursprüngliche Ziel, dass Bund und Kantone je die Hälfte beitragen sollen, klar verfehlt.
Noch ist das Geschäft nicht zu Ende beraten. Es geht nun zurück an den Nationalrat. Am Ende dürfte ein Kompromiss zwischen beiden Kammern resultieren. Allzu knausrig sollte das Parlament allerdings nicht sein. Denn in diesem Fall würde die SP wohl ihre Initiative zur Abstimmung bringen. Und sie hätte, wie Erich Ettlin feststellte, gute Chancen.
Denn die Krankenkassenprämien stiegen nach einer zwischenzeitlichen Beruhigung zuletzt wieder stark an. Und für 2024 ist keine Besserung in Sicht, im Gegenteil. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rechnet mit einem erneuten Prämienanstieg, hiess es letzte Woche an einer Medienkonferenz. Gleichzeitig seien die Reserven der Kassen geschrumpft.
Das eigentliche Problem bleibt die Kostenexplosion im Gesundheitswesen. «Die Prämien folgen den Kosten. Steigende Kosten werden auch zu steigenden Prämien führen», sagte Thomas Christen, stellvertretender BAG-Direktor. Gegen diese «Krankheit» aber hat die Politik bis heute kein wirksames Rezept gefunden, auch wegen der mächtigen Player.
Die Mitte-Partei versucht es mit ihrer Kostenbremse-Initiative. Im Parlament ist dazu ebenfalls ein indirekter Gegenvorschlag in Arbeit. Am Mittwoch war der Nationalrat am Zug. Bereits geeinigt haben sich die Räte auf Kosten- und Qualitätsziele. An sich eine sinnvolle Idee, doch es gibt keine Vorgaben, was passieren soll, wenn die Ziele nicht erreicht werden.
Der Bundesrat hatte in seinem Entwurf konkrete Massnahmen vorgesehen, doch der Nationalrat hatte sie schon bei der ersten Beratung im letzten Sommer gestrichen. Einmal mehr hatte der Lobbydruck von Ärzteschaft, Pharmakonzernen und Spitälern Wirkung gezeigt. Sie bekämpfen konsequent alles, was ihre Einnahmen schmälern könnte.
Will die Politik bei einem Akteur sparen, darf er auf die stillschweigende Solidarität der anderen zählen. Gesundheitsminister Alain Berset spricht von einem «Schweigekartell». Weil auf der Kostenseite nichts geht, bleibt als einziges «Rezept» gegen die steigenden Prämien deshalb die Symptombekämpfung durch zusätzliche Verbilligungen.
Darüber ärgern sich Wirtschaftsliberale. «Je weniger die Bürger die Folgen im eigenen Portemonnaie spüren, desto geringer ist der Spardruck», kommentierte die NZZ. Deshalb dürften die Krankenkassenprämien «auch weh tun». Allerdings räumte das Blatt sogleich ein, dass sie am ehesten in einem Segment schmerzen: dem unteren Mittelstand.
Oft sind es Familien mit Kindern, die ohnehin unter steigenden Kosten zu leiden haben. Das betrifft etwa die Strompreise und nun in vielen Fällen auch die Mieten, wegen der Anhebung des Referenzzinssatzes. Gleichzeitig schauen sie bei den Prämienverbilligungen in die Röhre. Es grenzt an Sadismus, dass gerade sie den «Schmerz» spüren sollen.
An einem Gegenvorschlag zur SP-Prämieninitiative führt deshalb kein Weg vorbei. Denn mit den Mehrkosten für die Kantone verbinden sich auch Hoffnungen. Wenn die Kantone in die Pflicht genommen würden, «dann haben sie auch ein grösseres Interesse, dass sich die Kostenentwicklung stabilisiert und dämpft», meinte der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli.
Anders gesagt: Wenn sie mehr Geld für die Verbilligungen in die Hand nehmen müssen, sind sie vielleicht motiviert, dort bei den Gesundheitskosten anzusetzen, wo sie Spielraum haben. Das betrifft etwa die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten oder die Spitäler. Allerdings sind Spitalschliessungen für kantonale Gesundheitsdirektoren ein heisses Eisen.
Die Ansprüche der Bevölkerung an das schweizerische Gesundheitswesen sind hoch, und sie werden durch die steigenden Prämien oft noch verstärkt. Getreu dem Motto: Wenn wir immer mehr zahlen, dann wollen wir auch entsprechende Leistungen. Es ist fast schon ein Teufelskreis. Auch deshalb gibt es am Ende kaum eine Alternative zu Verbilligungen.
- Keine magischen Zauberkügelchen mehr.
- Mehr Digitalisierung.
- Unrentable Spitäler zu.
- Kosten/Wirkunng für alles.
- Vergleiche zwischen Spitälern.
- Das von Berset verhängte EDossier endlich einführen.
- Nicht mehr zu 6 Hausärzten wegen demselben Leiden.
- Keine Trivialitäten mehr auf dem Notfall.
Zeigt schon 95% des Problems. Pharma und Medizintechnik kassieren massiv ab und die Politiker kriegen genug Motivation da mitzuhelfen.
Grundkrankenkasse zurück zum Staat. Keine 300 KK mehr nur eine Einheitskasse - schon nur die Werbegelder für TV, Telemarketing und die "Vermittler" sind ein Affront. Zusatzversicherungen können Private ja leisten.