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Kritik an Operation Libero: Die ganze Schweizer Politik ist korrupt

Banknoten im Nationalratssaal
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Scheinheilige Empörung über Operation Libero: Die ganze Schweizer Politik ist korrupt

Die Operation Libero wird angeprangert, weil sie Kandidierende für den Nationalrat auch finanziell unterstützen will. Dabei ist der Einfluss des Geldes in der Schweizer Politik generell eine trübe Angelegenheit.
31.08.2019, 10:4212.09.2019, 14:29
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Die Operation Libero hat in den letzten Jahren einiges erreicht. Sie hat kräftig mitgeholfen, wichtige Abstimmungen insbesondere gegen die SVP zu gewinnen. Auf nationaler Ebene ist ihre Bilanz makellos. Das bleibt nicht ohne Folgen: Die Libero-Aushängeschilder Flavia Kleiner und Laura Zimmermann sind zu veritablen Hassfiguren rechter Wutbürger geworden.

Nun kommt die Organisation auch von links unter Beschuss. Die «Wochenzeitung» hat ihr am Donnerstag «fragwürdige Methoden» im Wahlkampf vorgeworfen. Die Liberos würden die von ihnen unterstützten 41 Kandierenden für den Nationalrat von FDP bis Grünen quasi dazu nötigen, sich zu vorformulierten Positionen zu bekennen. Im Gegenzug erhielten sie Geld für Werbung.

«Der Verein versucht, KandidatInnen zu kaufen», lautet das knackige Fazit der WoZ. Was der linken Zeitung zu denken geben müsste: Der Applaus in den sozialen Medien für ihre «Enthüllungen» kommt fast durchweg von rechts bis rechts aussen. Mit Begeisterung kommentierten SVP-Politiker wie Roger Köppel die angeblich korrupten Machenschaften.

Scheinheiligkeit, ick hör dir trapsen, kann man da nur sagen.

Erst vor rund zwei Monaten hat der Nationalrat in der Sommersession das letzte nach der Kasachstan-Affäre vom Frühjahr 2015 eingebrachte Reformversüchlein versenkt, mit dem ein wenig Licht in die Lobbying-Dunkelkammer gebracht werden sollte. Professionelle Lobbyisten, die im Bundeshaus akkreditiert sind, hätten in einem Register ihre Auftraggeber offenlegen sollen.

Der Nationalrat aber weigerte sich, auf die Vorlage auch nur einzutreten. Dagegen stimmten auch SVP-Vertreter wie Roger Köppel und Barbara Steinemann, die sich nun über Operation Libero empören. Das Bizarre, ja Groteske daran: Die Lobbyisten selbst waren für das Register. Sie betrachteten die Reform als Chance, Druck auf die «schwarzen Schafe» in der Branche auszuüben.

Blick in die Wandelhalle des Nationalrats an der Sondersession des Nationalrats, am Dienstag, 7. Mai 2019 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Die Wandelhalle gilt als Tummelplatz der Lobbyisten. Die grössten aber sitzen im Saal.Bild: KEYSTONE

So weit, so nachvollziehbar. Eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat aber wollte davon nichts wissen. Das wirklich problematische Lobbying finde ausserhalb des Bundeshauses statt, im Restaurant oder per Telefon, hiess es. Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, bezeichnete dieses Argument gegenüber den Tamedia-Zeitungen als «einfach nur zynisch».

Furcht vor Transparenz

Noch klarer äusserte sich Reto Wiesli, als Präsident der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) so etwas wie der oberste Lobbyist im Land. Viele Politiker würden vom heutigen System profitieren: «Wenn sie uns zu Transparenz zwingen würden, müssten sie selbst ebenfalls transparenter werden. Davor fürchtet man sich im Bundeshaus.»

Das ist der springende Punkt: Die grössten Lobbyisten in Bundesbern schleichen nicht in der Wandelhalle herum. Sie sitzen in National- und Ständerat. Viele Parlamentarier verfügen über lukrative Mandate von Organisationen, deren Interessen sie in der Politik vertreten. So war Ignazio Cassis (FDP) vor seiner Wahl in den Bundesrat Präsident des Krankenkassenverbands Curafutura.

Mythos Milizparlamentarier

Im Prinzip müssen die Parlamentarier ihre Interessenbindungen deklarieren. Doch dies lässt sich kaum kontrollieren, und sie müssen nicht angeben, wie profitabel die «Nebeneinkünfte» sind. «Nur ein knappes Viertel der Ratsmitglieder legen offen, wie viel sie mit ihren Mandaten verdienen», kritisiert der Verein Lobbywatch. Vor allem die Bürgerlichen sind intransparent.

Die abtretende Nationalratspraesidentin Christa Markwalder, FDP-BE, laeutet die Glocke zu Beginn der Sitzung am ersten Tag der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 28. November 2016, i ...
Christa Markwalder wurde trotz Kasachstan-Affäre problemlos zur Nationalratspräsidentin gewählt.Bild: KEYSTONE

Der Milizparlamentarier, der einer regulären Arbeit nachgeht und Politik quasi als Hobby betreibt, ist ein vor allem von der SVP kultivierter Mythos. Wer es versucht, zahlt manchmal einen hohen Preis: Der frühere FDP-Präsident Rolf Schweiger und die heutige Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (SVP) erlitten ein Burnout, ebenso Christoph Blocher nach der EWR-Abstimmung 1992.

Abhängig von Gewerkschaften

Viele National- und Ständeräte sind Berufspolitiker, die ihr Einkommen mit Mandaten aufbessern. Der Einfluss des Geldes auf die Politik hat viele Facetten, und er beschränkt sich nicht auf die Bürgerlichen. So ist der Eiertanz der SP beim Rahmenabkommen mit der EU auch eine Folge davon, dass sie von den Gewerkschaften und ihrer Finanzkraft abhängig ist.

Worauf das hinausläuft, zeigte die Kasachstan-Affäre: Die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder hatte einen Vorstoss eingereicht, den eine Lobby-Agentur im Auftrag kasachischer Kreise verfasst hatte. Die Wahl zur Nationalratspräsidentin schaffte sie trotzdem problemlos. Kein Wunder: Kaum jemand im Rat hat in Sachen Lobbying eine weisse Weste.

Unbehagen in der Bevölkerung

Dabei ist Lobbying an sich nichts Schlechtes. Es ist sogar ein Indiz für eine funktionierende Demokratie, wenn für ein Anliegen gekämpft werden muss. Schwierig wird es, wenn die Methoden grenzwertig sind. So bemängelt der Europarat seit Jahren die fehlende Transparenz in der Schweiz bei der Politikfinanzierung. Ein überparteiliches Komitee hat dazu eine Volksinitiative eingereicht.

In der Bevölkerung scheint ein Unbehagen vorhanden. Das zeigte sich im Frühjahr 2018, als ausgerechnet im erzkonservativen Kanton Schwyz eine Transparenzinitiative der Juso (!) angenommen wurde. Das Gesetz zur Umsetzung aber wurde im Kantonsparlament nach Kräften verwässert, auch und gerade von der SVP, die gerne als Hüterin des Volkswillens aufspielt.

Man kann es nicht anders sagen: In der ganzen Schweizer Politik wird mehr oder weniger legale Korruption praktiziert. Man kann der Operation Libero eine gewisse Naivität vorwerfen. Aber sie macht nichts anderes als Verbände und Organisationen jedweder Couleur. Wer sich empört, soll sich für mehr Licht in der Dunkelkammer einsetzen. Etwa mit einem Ja zur Transparenzinitiative.

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«Chancenland»: Die Operation Libero unterstützt 6 Kandidaten
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«Chancenland»: Die Operation Libero unterstützt 6 Kandidaten
Die Operation Libero will Kandidierenden aus verschiedenen Parteien zur Wahl in den Nationalrat verhelfen. Diese sollen der Polarisierung entgegenwirken und dem «Chancenland Schweiz» eine Mehrheit beschaffen. Einer der Kandidaten ist der Grünliberale Nicola Forster foraus-Gründer und Co-Präsident der Zürcher GLP.
quelle: zvg
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105 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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i schwörs
31.08.2019 11:11registriert April 2016
Was genau ist unüblich oder verwerflich, eine Kampagne eines Politikers finanziell zu unterstützen, und man sich vorgängig versichern will, dass dieser sich auch an seine Meinungen und Standpunkte hält? Dieser Aufruhr über AL ist doch gekünstelt, und lenkt nur davon ab, dass hierzulande die Geldflüsse zu den Parteien/Politikern bewusst obskur gehalten werden. Ich möchte gerne wissen, welcher Politiker von wem warum wieviel Geld erhält. Ohne diese Transparenz kann man getrost davon ausgehen, dass die CH-Politik korrupt bis ins Mark ist.
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Petoman
31.08.2019 11:25registriert Mai 2015
Wenn Bürgerliche gegen Gesetze stimmen die selbst die betroffenen Lobbyisten als sinnvoll erachten.

Um bei den Worten der Lobbyisten zu bleiben: Wer sind denn jetzt die „schwarzen Schafe“? 😒
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therationalist
31.08.2019 14:00registriert Dezember 2017
Zuerst dachte ich: Guter Beitrag! Beim so darüber nachdenken kamen mir aber all die Artikel in den Sinn, wie z.B. wenns um Rustüngspolitik geht, wo nach dem Motto: Nur weils alle machen heisst es nicht dass es ok ist, argumentiert wird. Würde hier ja eigentlich auch zutreffen. Ich kann also zwischen bürgerlicher Schlammschlacht der Wochenzeitung und der schöngeredeten Rechtfertigung hier wählen. Was bleibt ist die Einsicht, dass jeder, der in der Politik auf andere zeigt, höchstwahrscheinlich nur seine eigene Agenda befeuert. Ob links, ob rechts, ob Weltwoche, ob Watson.
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