Nach dem Treffen zwischen Aussenminister Ignazio Cassis und EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic am Mittwoch in Bern geht es Schlag auf Schlag. Um dem Bundesrat das fertige Paket zur Erneuerung der bilateralen Verträge in der Sitzung am 13. Dezember vorlegen zu können, müssten die Verhandler eigentlich bis Ende nächster Woche abschliessen. Der Druck ist hoch. Die Nervosität ebenfalls.
Doch jetzt taucht ein neues Hindernis auf: Die Kantone treten auf die Bremse. Sie haben ein Problem mit dem Tauschhandel, den der Bundesrat für eine Schutzklausel bei der Zuwanderung einzugehen bereit ist. Die Kantone seien «in letzter Minute» mit ihren Einwänden angekommen, heisst es aus informierten Kreisen.
Der Tauschhandel geht so: Die Schweiz erhält nach langem Ringen ein Instrument, mit dem sie die Zuwanderung begrenzen kann, wenn die negativen Effekte überhandnehmen. Dafür will Brüssel aber auch etwas: Die Schweiz soll die Ungleichbehandlung für europäische Studenten und Studentinnen bei den Hochschulgebühren abschaffen (siehe Tabelle).
Für die Schweiz ist das durchaus ein heikles Zugeständnis. Immerhin hat das Parlament erst gerade eine Verdreifachung der Studiengebühren für Ausländer an den beiden ETH in Zürich und Lausanne beschlossen. Besonders betroffen wären auch die Universität St.Gallen und die Uni Lugano, die beide einen hohen Anteil an Studierenden aus der EU haben und verschiedene Gebühren für In- und Ausländer verlangen. Wird dieser Unterschied aufgehoben, müssen die Kantone die Lücke füllen.
Laut Berechnungen von SRF kämen auf die beiden ETH Mehrkosten pro Jahr von rund 23 Millionen Franken zu. In St. Gallen und Lugano jeweils rund 7,5 Millionen. Die Bildungsdirektionen der beiden Kantone wollen das nicht einfach so hinnehmen. Sie rufen nach Kompensationen durch den Bund. Ob er dazu bereit wäre, ist unklar. Das Bildungsdepartement von Bundesrat Guy Parmelin lehnt einen Kommentar ab und verweist auf die vom Aussendepartement (EDA) geführten Verhandlungen in Brüssel.
Recherchen ergeben: Die Konzession der Schweiz an die EU, die Studiengebühren anzugleichen, liegt längst auf dem Tisch. Der Bundesrat gab den Verhandlern in seiner Sitzung vor zwei Wochen grünes Licht.
In der Zwischenzeit klemmt es aber erneut. Konkret geht es um die Fachhochschulen, die ebenfalls ihre Studiengebühren anpassen müssten. Bei ihnen ist der Anteil ausländischer Studenten zwar tiefer. Aber an manchen, wie zum Beispiel an der Fachhochschule Nordwestschweiz, bezahlen die EU-Ausländer teils signifikant mehr, was bei einer Angleichung ein Loch in die Kasse reissen würde.
Besonders für Ärger sorgt bei den Kantonen offenbar, dass die EU auch den Zugang zu privat finanzierten Bildungseinrichtungen erleichtert haben will. Dazu gehören die Kalaidos Fachhochschule in Zürich und die Hotellerie Fachschule (EHL) in Lausanne. Letztere ist vertraglich mit der Fachhochschule Westschweiz verbunden und gilt als die Hotellerie-Schule schlechthin mit weltweit erstklassigem Renommee. Dementsprechend hoch ist mit gegen 80 Prozent der Anteil an ausländischen Studenten. Rund die Hälfte davon kommt aus der EU.
Hoch sind auch die Studiengebühren. Sie sind die wichtigste Einnahmequelle der EHL und betragen für einen Schweizer oder eine Schweizerin 86'000 Franken. Ausländer zahlen mit fast 180'000 Franken gut das Doppelte. Müsste die EHL die Gebühren für die EU-Ausländer senken, bekäme sie wohl ein ernsthaftes Problem mit ihrem Geschäftsmodell.
Gleichzeitig ist es schwer vorstellbar, dass der Kanton Waadt einspringen würde. Nicht nur wegen der Kosten. Sondern auch, weil es unsinnig wäre, eine private Bildungseinrichtung mit Staatsgeldern zu unterstützen.
Drängt die Schweiz deshalb in Brüssel auf eine Ausnahme? Mit Erfolg?
Die EU-Kommission äussert sich nicht zum Inhalt der Verhandlungen. Und auch bei den Kantonen Waadt und Zürich heisst es: kein Kommentar. Das Aussendepartement schweigt ebenfalls und verweist bloss auf seine Medienmitteilung nach dem Besuch des EU-Kommissars vom Mittwoch. Tatsächlich heisst es darin, Aussenminister Cassis hätte gegenüber Sefcovic auf die Bedeutung des Dialogs mit den Kantonen hingewiesen.
Um Kostenfolgen zu verhindern, könnten die Unis und Fachhochschulen natürlich auch einfach die Gebühren für die Schweizer und Schweizerinnen anheben und so die Ungleichbehandlung beenden. Ob das politisch machbar wäre, ist fraglich. Immerhin soll sich in der Schweiz jeder ein Hochschulstudium leisten können. Man käme dann wohl nicht darum herum, die Stipendien zu erhöhen.
Unklar ist auch, wie sich eine Anpassung der Gebühren auf die Zahl ausländischer Studenten in der Schweiz generell auswirkt. Dieser liegt gesamthaft bei über einem Drittel, wobei er an manchen Unis und in manchen Studiengängen weit darüber ist. Eine Antwort könnte sein, vermehrt einen Numerus clausus, also eine Aufnahmeprüfung, einzuführen. Dann aber, so die Befürchtung, würde der Stellenwert der Schweizer Matur abgewertet. Sie soll der einzige Türöffner zur Hochschule sein, ohne zusätzliche Prüfung. (aargauerzeitung.ch)