Muslimische Konferenz in Solothurn: Redner bejubelte Hamas-Massaker – Behörden untätig
Ginge es um eine Veranstaltung der rechtsextremen Jungen Tat oder von Islamisten mit Sympathien für al-Qaida oder den «Islamischen Staat» («IS»), wäre der Fall klar: Die Sicherheitsbehörden erhielten Befehl, das radikale Treffen zu verhindern, und das Bundesamt für Polizei (Fedpol) würde einen als Konferenzredner vorgesehenen Deutschen mit einem Einreiseverbot belegen.
Doch wenn es um Islamisten und Hamas-Sympathisanten aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft geht, ticken die Ordnungshüter etwas anders. Das hängt auch damit zusammen, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) unter der Führung des abtretenden Ex-Diplomaten Christian Dussey viel Wissen im Bereich Islamismus verloren hat. Wegen Dusseys Unfähigkeit und einer fehlgeschlagenen Restrukturierung ist der Dienst gar nicht mehr in der Lage, die islamistische Bedrohung korrekt einzuschätzen.
Im Dunstkreis der Muslimbruderschaft
«Muslimische Jugend in der Schweiz – Chancen und Herausforderungen» lautet der Titel einer Veranstaltung, die am kommenden Sonntag in der Raiffeisen Arena im solothurnischen Hägendorf stattfinden soll. Es handelt sich um den Jahreskongress der «Liga der Muslime der Schweiz» (LMS). Die Organisation mit Sitz im waadtländischen Prilly bewegt sich im Dunstkreis der Muslimbruderschaft.
Dem Schweizer LMS-Gründer Mohamed Karmous zum Beispiel fror die französische Regierung kürzlich die Vermögenswerte ein, weil er als Direktor einer bekannten französischen Imam-Schule fungierte. Diese von Muslimbrüdern durchsetzte Institution liess Paris schliessen, weil sie zu Hass, Gewalt und zum Dschihad aufgerufen habe. Die Schule protestierte zwar, nahm zu den einzelnen Vorwürfen bisher aber keine Stellung.
Wer aber soll nun an der LMS-Jahreskonferenz in Hägendorf auftreten? Neben einigermassen harmlosen Persönlichkeiten fallen vor allem zwei Redner und Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf. Einer von ihnen ist ein Imam des Islamischen Zentrums München, das vom bayerischen Verfassungsschutz wegen Verbindungen zur Muslimbruderschaft beobachtet wird. Dem betreffenden Geistlichen und Lehrer hatte der Verfassungsschutz vor Jahren den Beamtenstatus verweigert, weil er den Muslimbrüdern nahestehe.
Die Ziele der 1928 in Ägypten gegründeten Bruderschaft – nämlich Etablierung eines islamischen Kalifats auf Grundlage der Scharia – sind mit den Werten eines demokratischen Rechtsstaats nicht vereinbar. Dennoch ist die weitgehend im Schatten agierende Organisation weder in Deutschland noch in der Schweiz verboten. Aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen ist auch die palästinensische Hamas (arabische Abkürzung für «Islamische Widerstandsbewegung»), die sich die Auslöschung des Staats Israel auf die Fahnen geschrieben hat und offen zur Tötung von Juden weltweit aufruft. Seit Mitte Mai ist die Hamas als Terrororganisation in der Schweiz verboten. Was zuvor schon für al-Qaida und den «Islamischen Staat» galt, sollte nun auch im Fall der Hamas durchgesetzt werden.
«Angriff des tapferen Widerstands»
In diesem Zusammenhang wird ein zweiter angekündigter Diskussionsteilnehmer der Konferenz in Hägendorf interessant. Der tunesischstämmige Westschweizer Bader M. (Name geändert) war unter anderem Präsident einer Menschenrechtsorganisation, die sich mit den Zuständen in Tunesien befasste. In den letzten Jahren fiel er unter anderem bei pro-palästinensischen Demonstrationen auf, was sein gutes Recht ist.
Auf seinem Facebook-Profil finden sich aber auch Bilder mit Symbolen der Muslimbruderschaft. Die Maske fallen lässt Bader M. am 7. Oktober 2023, als die Hamas und mit ihr verbündete Terroristen brandschatzend, vergewaltigend und mordend durch israelische Ortschaften ziehen. Die Terroristen kennen keine Gnade, auf bestialische Art und Weise bringen sie Jüdinnen, Kinder und ausländische Gastarbeiter um. Es ist ein Genozid im Taschenformat. Die Hamas und ihre Verbündeten ermorden in kürzester Zeit mehr als 800 israelische und ausländische Zivilisten und entführen rund 250 Menschen, unter ihnen auch kleine Kinder.
Und was schreibt Bader M. dazu auf Facebook? Auf einem von ihm geteilten Bild heisst es lapidar auf Arabisch: «Der 7. Oktober 2023 ist ein historischer Tag für Palästina.» Ausserdem teilt der Westschweizer Beiträge, in denen das Massaker als «die Nachricht, auf die wir alle gewartet haben» gefeiert wird. Oder als «beispielloser Angriff durch den tapferen palästinensischen Widerstand». Immer noch am 7. Oktober, dem Tag, an dem die meisten Juden seit dem Holocaust abgeschlachtet wurden, bittet Bader M. Gott um den Sieg, «den du deinen Dienern versprochen hast».
Mit unterschiedlichen Ellen gemessen
Seit dem Inkrafttreten des Hamas-Verbots hat Bader M. zwei Videos geteilt, in denen unter anderem der Hamas-Anführer, Yahya Sinwar, und der Sprecher der Terrororganisation, Abu Obeida, zu sehen und zu hören sind. Die Terroristen wurden inzwischen von den Israelis getötet. Die Sequenz zum Tod von Abu Obeida kommentierte Bader M. so: «Und der Widerstand gegen die Besatzung geht weiter, koste es, was es wolle.»
Ist das schon eine Verherrlichung der verbotenen Organisation? Die für die Strafverfolgung von Terrorhelfern verantwortliche Bundesanwaltschaft wollte auf die Fragen dieser Zeitung nicht antworten. Sie war nicht einmal bereit, anzugeben, ob sie überhaupt schon Verfahren wegen Unterstützung der Hamas eröffnet hat. Hat das politische Gründe? Oder setzt die Bundesanwaltschaft angesichts des grassierenden Antisemitismus einfach falsche Prioritäten?
Eines steht jedenfalls fest: Wenn die Bundesanwaltschaft Wind bekommt von jemandem, der Videos eines Anführers oder Sprechers des «IS» oder von al-Qaida verbreitet, dann folgen Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung elektronischer Datenträger und ein Strafverfahren. Dass die «Terroristenjäger» in Bundesbern mit Hamas-Unterstützern im Moment offenbar anders verfahren, untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Und dass verkappte Antisemiten wie Bader M. in Hägendorf einfach unbehelligt öffentlich auftreten dürfen, ist eine Schande.
Mustafa Saleh, der Präsident der LMS, betont auf Anfrage, dass sich die Veranstaltung in Hägendorf in erster Linie an Jugendliche richte. Für seine Äusserungen in sozialen Medien oder an anderen Orten trage Bader M. die alleinige Verantwortung. Diese Stellungnahmen «stehen in keinerlei Zusammenhang mit unserer Veranstaltung». Es gehe der LMS vor allem um «die Förderung des Dialogs und die Stärkung der Jugend in ihrem gesellschaftlichen Engagement». Wie sich das Bejubeln eines Judenpogroms mit diesen hehren Werten verträgt, liess Saleh offen.