Gleich zwei «Arena»-Sendungen widmete SRF-Moderator Sandro Brotz am Freitagabend dem Krieg in der Ukraine. Vor dem üblichen Schlagabtausch der Politikerinnen und Politiker traf sich eine Expertenrunde für eine aktuelle Einschätzung im Leutschenbacher Studio 8.
Eindrücklich war dabei die Live-Schaltung in die Ukraine, wo sich die SRF-Moderatorin Luzia Tschirky im Westen des Landes in einem kleinen Hotel verschanzt hat. Hier sei sie für den Moment in Sicherheit, berichtete sie. Wenn sie auf der Strasse unterwegs sei, werde sie von ukrainischen Militärs und vom Geheimdienst kontrolliert, was bedeutet, dass in diesem Teil des Landes die staatlichen Infrastrukturen noch funktionieren.
Brotz wollte wissen, wie die Leute auf das Gesprächsangebot von Wladimir Putin vom Freitag reagiert haben. Tschirkys Antwort: «Die Ukrainer haben keine Zeit für so was.» Nach all den Lügen von Putin, und nachdem er das Abkommen von Minsk gebrochen hat, traue ihm in der Ukraine niemand mehr über den Weg.
Während sich die Expertinnen in der Spezialsendung noch einigermassen einig waren, ihr Wissen wiedergaben und austauschten, lieferten sich die Politiker später den regulären Schaukampf. Fabian Molina sah hinter seinem Stehpult so geladen aus, dass man schon ahnte, was gleich aus seinem Mund kommen würde. Es folgte die Bestätigung: «Ich bin wahnsinnig hässig.» Der russische Präsident Putin habe mit einem Fingerschnippen die Ordnung umgeworfen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde. «Die letzte Invasion in ein anderes Land hat Adolf Hitler begangen.»
Ein Nazi-Vergleich in den ersten 10 Sendeminuten. Das konnte Brotz so nicht stehen lassen. Er gab Molina die Gelegenheit, zu konkretisieren. Dieser beschwichtigte, natürlich wolle er Putin nicht mit Hitler vergleichen. Es sei jedoch so, dass man in Europa ein System aufgebaut habe, das den Menschen Wohlstand und Sicherheit geben solle. Putin sei nun der Erste, der das infrage stelle. «Das ist eine deutliche Zäsur.»
Wütend war auch Roland Rino Büchel, Nationalrat SVP. Allerdings weniger auf Putin als auf den Sozialdemokraten auf der anderen Seite des Studios. Er zeigte sich empört darüber, dass Molina der Welt erklären wolle, dass man die Gefahr von Russland jahrelang unterschätzt habe. Gleichzeitig sei er es doch, der die Sicherheit der Schweiz untergrabe. «Du, Fabian, willst mit deiner GSoA die Armee abschaffen», grollte er. Molina schien ein wenig verdattert ab diesem persönlichen Angriff. So entgegnete er etwas gar zahm: «Es sind die Waffen, die zu Krieg führen.»
Weniger zornig, aber ebenso betroffen zeigten sich Andrea Gmür-Schönenberger, Ständerätin Die Mitte, und Hans-Peter Portmann, Nationalrat FDP. Gmür sagte: «Ich bin entsetzt. Das Ganze ist ein Pulverfass. Man weiss nicht, wie sich das entwickelt. Die Sicherheit von ganz Europa ist gefährdet.»
Beklemmend war die Diskussion der Gäste in der hinteren Reihe. Dort sass der bekannte russische Schriftsteller und Putin-Gegner Michail Schischkin neben Gala Ferretti. Sie stammt ursprünglich aus Luhansk, einer der beiden Separatisten-Regionen in der Ukraine, und sieht in Russlands Präsidenten einen Befreier. Sie habe täglich Kontakt mit Familienangehörigen und Freunden. «Seit acht Jahren erhalten sie keine Hilfe, ausser von Putin. Sie haben keine Stimme und jeden Tag sterben zivile Personen.» Putin wolle die Ukraine nicht erobern, sondern die Bevölkerung befreien.
Für Schischkin waren Ferrettis Worte der Beweis, wie gut Putins beste Waffe funktioniert: die Propaganda. Er sagte: «Es ist ein Propagandakrieg gegen den Westen im Gang. Und die Leute vor dem Fernseher glauben tatsächlich, was ihnen da erzählt wird.» Er als Russe schäme sich zutiefst dafür, was Putin mit seinem Land, mit der Ukraine und mit dem ukrainischen Volk mache.
Nicht gerade ein Propagandakrieg, aber doch ein ziemliches Behauptungs-Hickhack lieferten sich Molina und Portmann. Ersterer sagte, der Schweiz komme jetzt eine zentrale Rolle zu. «Man muss dafür sorgen, dass die Elite um Putin, diese Oligarchen, zu Boden gebracht werden. Man muss sie jagen, wo man nur kann.» Doch der Bundesrat spreche lediglich von Umgehungsverordnungsmassnahmen. Das machte Molina putzhässig.
Molinas kleiner Wutausbruch inspirierte Portmann zu einer neuen Wortkreation. Als komplett «faktenfalsch» bezeichnete er dessen Schilderungen. Er, der nebst Nationalrat auch Bankdirektor der LGT Bank ist, wisse, dass niemand gesperrt werde – auch nicht in anderen Ländern. «Sondern, es werden keine Geschäfte mehr zugelassen. Das heisst, man kann keine Zahlungen mehr machen.» Dass die Schweiz etwas umgehe, sei eine Mär. «Die Wirkung unserer Massnahmen ist genau die gleiche wie die der Sanktionen der EU», so Portmann.
Molina entgegnete, er habe sich beim Seco erkundigt und dieses habe ihm bestätigt, dass die Konten nicht eingefroren würden. Portmann foppte ihn daraufhin als Nicht-Kenner des Bankenwesens. In lehrmeisterlichem Ton erklärte er, dass sich die Branche an die internationalen Regelungen halten müsse. «Wie die Credit Suisse?», unterbrach ihn Molina provozierend und spielte damit auf Berichte von vergangener Woche an, die zeigten, dass die Bank jahrelang Konten für Diktatoren und Kriminelle geführt haben soll.
Es folgte ein lautes Wortgefecht zwischen dem Sozialdemokraten und dem Freisinnigen, dem Moderator Brotz schliesslich ein Ende setzen musste.
Beinahe etwas ironisch wirkte nach diesem Streit, dass sowohl der SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck, als auch Polit- und Strategie-Experte Erich Gysling sagten, Sanktionen würden wenig bewirken. Ramspeck meinte: «Wirtschaftlich tun Sanktionen weh. Die politische Haltung ändern sie meistens nicht.» Und Gysling: «Sanktionen haben selten die Wirkung erreicht, die man wollte.» Und doch sei es die einzige friedliche Waffe, die man habe. Selbst wenn sie keine grosse Wirkung habe.
Für ein emotionales Schlusswort sorgte Moderator Brotz: «Ich wünsche allen eine friedliche Nacht. Weil wir sie haben. Andere haben sie nicht.»
Schäbig, dies kleinzureden!
Eigentlich sollte es jedem klar sein, je härter wir gegenüber Russland reagieren, desto kürzer wird der Krieg in der Ukraine.
Zu glauben die Neutralität würde uns schützen ist falsch. Belgien, Niederlande und Dänemark waren vor dem WW2 neutral und es hat ihnen nicht geholfen. Es war die besondere geographische Lage, die uns damals schützte, heute jedoch nicht mehr. Sorry liebe Bürgerliche, 20 F35 werden die Russen nicht abschrecken, ihr Geld vernichten aber schon.