Das Instrument des runden Tischs ist in der Bundespolitik den grossen Problemen vorbehalten. Corona, Wohnungsnot, Energieknappheit. Am runden Tisch im Bundeshaus befasst man sich nicht mit Lappalien. Meist geht es um eine bereits herrschende, manchmal um eine drohende Krise. Und meist kommen zur Lösung nur unangenehme Massnahmen infrage, für die der Bundesrat gegen alle Seiten hin um Verständnis wirbt.
Wenn nun diese Woche der Bundesrat gleich dreimal zu runden Tischen einlädt für Diskussionen über die Ausgaben- und Subventionsüberprüfung – sprich: über die Sparpolitik des Bundes –, dann setzt er damit ein eindeutiges Zeichen: Um die Bundesfinanzen steht es katastrophal. Wir müssen uns alle zusammenraufen – vergesst Partikularinteressen und Parteipolitik!
So geschehen im Bernerhof, dem Sitz des Finanzdepartementes. Nachdem letzten Donnerstag eine Expertengruppe Sparmöglichkeiten im Umfang von bis 5 Milliarden aufgezeigt hatte, sassen am Montagmorgen die Sozialpartner mit Regierungsvertretern am runden Tisch, um über ihre Sicht auf diese Vorschläge zu diskutieren. Über Mittag folgten die Spitzen der Bundesratsparteien. Am Dienstag werden sich in einer dritten Runde Vertreterinnen und Vertreter der Kantone am runden Tisch einfinden.
Begrüsst wurden und werden die Delegationen jeweils von einer fast beschlussfähigen Delegation des Bundesrats. In unterschiedlicher Zusammensetzung nehmen jeweils drei bis vier Bundesrätinnen und Bundesräte an den Gesprächen teil. Als einziger hat bloss Aussenminister Ignazio Cassis kein Aufgebot erhalten. Und bereits am Montagmittag – noch vor dem Gespräch mit den Kantonen – luden Bundespräsidentin Amherd und Finanzministerin Karin Keller-Sutter zum Point de Presse. Dass gleich zwei Regierungsvertreterinnen vor die Medien treten, ist ein weiteres Zeichen erhöhter Alarmbereitschaft.
«Der Bundesrat unterstreicht mit diesen runden Tischen, dass er die Ausgaben- und Subventionsüberprüfung breit abgestützt haben will», sagte Amherd. Es sei ihm wichtig, «die Stellungnahmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am runden Tisch in unsere Arbeiten und Überlegungen im Bundesrat mit einzubeziehen – wir wollen nicht hors-sol etwas machen», versprach die Bundespräsidentin. Solle es aber vorwärtsgehen, «dann braucht es einen Kraftakt». Der Bundesrat wolle «einen starken Staat, der nötige und wichtige Investitionen tätigen kann», sagte Amherd, die als Verteidigungsministerin auf eine rasche Aufrüstung der Armee hinarbeitet. Zudem brauche es weiterhin Spielraum, «damit wir in Krisen handlungsfähig bleiben, so wie wir es bei der Covid-Krise waren».
Finanzministerin Keller-Sutter erinnerte in ihrem Statement an die sich abzeichnenden strukturellen Defizite von bis 3 Milliarden pro Jahr ab 2027. Die Aufgabenüberprüfung diene dazu, «dass wir das nötige Wachstum der Ausgaben insbesondere in den Bereichen der militärischen und sozialen Sicherheit finanzieren können», so Keller-Sutter, «das sind zentrale Staatsaufgaben». Auch wolle der Bundesrat an der Schuldenbremse festhalten: «Sie sorgt für eine nachhaltige Finanzierung des Staates, das ist wichtig für die Stabilität und Handlungsfähigkeit eines Staates.»
Bloss: Wie verliefen die Gespräche inhaltlich? Dazu sagten Amherd und Keller-Sutter nichts. Die Gespräche seien «vertraulich». Das sagten auch Teilnehmende beim Verlassen des Bernerhofs. Bekanntlich haben vor allem SP und Grüne den Bericht Gaillards in Bausch und Bogen verworfen. Gleichwohl empfand Amherd die Atmosphäre am runden Tisch als «konstruktiv»; wichtig sei, dass man trotz gegensätzlicher Positionen zusammen reden könne.
In einem weiteren Schritt wird der Bundesrat nun die Sparmassnahmen konkretisieren und in einer Vorlage zuhanden aller interessierten Kreise in die Vernehmlassung schicken, in den üblichen politischen Prozess also. Runde Tische zählen da nicht dazu: An ihnen wird nichts entschieden – sie sind in erster Linie ein Instrument der politischen Inszenierung. (aargauerzeitung.ch)