Brigitte Beck arbeitet in einem hochsensiblen Bereich. Seit acht Monaten steht sie der Ruag MRO Holding AG vor, dem Technologiepartner der Schweizer Armee. Das Unternehmen sorgt für den Unterhalt der Jets F/A-18 und modernisiert die Transporthubschrauber Cougar für die Schweiz, wartet aber beispielsweise auch die F-5-Flieger für die US Navy.
Wie sensibel dieser Bereich ist, unterstrich ein Skandal von 2016: Die Ruag, damals noch ein grosser Konzern mit einem wichtigen internationalen Geschäftsfeld, war Opfer eines Hackerangriffs geworden. In der Folge spaltete der Bundesrat den Rüstungskonzern in einen internationalen Teil, und einen mit dem Hauptfokus Schweiz: die Ruag MRO. Beide befinden sich vollumfänglich im Besitz des Bundes.
Seit der Entflechtung sind mehr als zwei Jahre verstrichen. Es war eine teils turbulente Zeit. Mit Brigitte Beck übernahm vergangenen September eine Frau das Ruder, die das Unternehmen in ruhigere Gewässer führen sollte.
Dies allein bedeutete eine spannende Ausgangslage. CH Media fragte deshalb bereits im August an für ein erstes Interview mit der neuen CEO. Damals hiess es: noch zu früh. Im Januar erfolgte die nächste Anfrage, dann wieder im Februar und im März. Schliesslich die Zusage: Brigitte Beck würde ein Interview geben, am 13. April 2023 in Emmen.
Seit der ersten Anfrage war die Grundlage für ein Gespräch nicht weniger spannend geworden. Die Schweiz hat sich verpflichtet, den Kampfjet F-35 aus amerikanischer Produktion zu kaufen - ein Flieger mit einem hochkomplexen Anforderungsprofil für die Wartung. Mehr und mehr brach sich zudem eine Debatte Bahn um die Neutralität der Schweiz im Ukraine-Krieg, mit der Ruag MRO mittendrin: Es wurde ruchbar, dass das Unternehmen über 96 Leopard-Panzer in Italien verfügt, welche die deutsche Rheinmetall gerne flottmachen und in die Ukraine liefern würde.
Und schliesslich veröffentlichte der Bundesrat am 23. März einen Bericht, der die Ruag MRO schlecht aussehen lässt. Finanziell liege das Unternehmen hinter den Erwartungen, die Personalfluktuation sei hoch, die Herausforderungen für die Zukunft zahlreich.
Im Gespräch mit CH Media nahm Brigitte Beck zu all diesen Themen Stellung. Sie tat es auf bemerkenswert offene Weise und übte sogar deutliche Kritik am Bundesrat, gerade in der Frage um die Schweizer Neutralität im Zuge der Ukraine-Sanktionen. Das ist aussergewöhnlich, vor allem für die Vorsteherin eines bundesnahen Betriebs. Es war aber nicht alles.
Beck äusserte sich geradezu sorglos zu bedrohten Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit der Umstellung auf den F-35. Bereits vergangenen August hatte diese Zeitung berichtet, dass mit dem US-Jet bis zu 400 Arbeitsplätze in der Schweiz gefährdet sind. Und auch im Zusammenhang mit der vom Bundesrat kritisierten Rentabilität des Unternehmens sah Beck kaum Probleme: Vielfach käme es ja letztlich der Armee zugute, wenn ein Projekt der Ruag MRO nicht so stark rentiere.
Gerne hätte CH Media dieses Gespräch im Wortlaut veröffentlicht. Aber das abgetippte Interview, das sich sehr genau am gesprochenen Wort orientiert, wollte Beck nicht veröffentlicht sehen. Entgegen der Abmachung und den geltenden Regeln des Schweizer Presserats schrieb Brigitte Beck das Interview neu.
Kaum eine Antwort blieb so, wie sie im persönlichen Gespräch stattgefunden hat. Selbst in Fragen des Interviewers griff sie ein und formulierte sie um. Dies, obwohl auch Brigitte Beck über eine eigene Audioaufzeichnung des Gesprächs verfügte und obwohl sie vor dem Gespräch gebrieft wurde: Es gilt das gesprochene Wort. Ausserdem wusste Beck, was auf sie zukam: Einen Fragenkatalog hatte sie im Vorfeld angefordert und mit einer Woche Vorlaufzeit erhalten.
Über ihre Kommunikationsverantwortliche liess Brigitte Beck einen Tag vor der geplanten Veröffentlichung ausrichten, dass nur eine Publikation ihrer Version infrage käme – ansonsten würde sie das Interview zurückziehen. Noch einmal unterbreitete CH Media das Angebot, das Interview zu überarbeiten. Kleinere Retuschen sind in der Branche durchaus üblich, meistens finden sich zwei Parteien im Rahmen von bilateralen Verhandlungen.
Beck schlug jedoch auch dieses Angebot in den Wind. Als CH Media schliesslich ankündigte, die Publikation eines nicht autorisierten Interviews zu erwägen, reagierte Beck: Die Chefin des Rüstungskonzerns engagierte einen renommierten PR-Berater, der sich mit der Chefredaktion in Verbindung setzte.
Um das Interview zu verhindern, machte er ein Gegenangebot: CH Media solle exklusiv eine News erhalten, einen Tag vor deren Veröffentlichung per Medienmitteilung. Über den Inhalt schwieg er sich aus. Seit Donnerstag ist bekannt: Es ging um die Akquisition von Cyone, einer Cybersicherheitsfirma. Auf den Handel mit diesem Primeur verzichtete CH Media.
Weitere Gesprächsversuche zwischen dem PR-Berater und CH Media zur Rettung des Interviews scheiterten. Vielmehr liess Becks Berater deutlich werden, dass bei einer nicht autorisierten Publikation eine Klage folgen würde und dass es für CH Media sehr teuer werden könne. Der PR-Berater sagte, es sei bereits ein bekannter Medienanwalt (dessen Namen er nannte) engagiert und mit einem Dispositiv sofort bereit, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen.
Brigitte Beck gehört als CEO von Ruag MRO zu den bestverdienenden Kaderleuten mit Staatssalär. 2021 betrug der Lohn des Ruag-CEOs 683'000 Franken, Becks Gehalt dürfte sich in ähnlichen Dimensionen bewegen. Mutmasslich ging der PR-Berater davon aus, dass eine Publikation des Interviews Brigitte Becks Anstellung gefährden könnte.
Susan Boos ist Präsidentin des Schweizer Presserats. Zum vorliegenden Fall sagt sie: «Wenn die Geschichte sich so zugetragen hat, ist es höchst problematisch, weil gleich auf mehreren Ebenen versucht wird, journalistische Arbeit zu torpedieren.» Zum einen sehe der Berufskodex vor, dass bei der Autorisierung eines Interviews keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden dürfen. Zum anderen sei es «delikat», «wenn eine Redaktion mit einem Primeur quasi geködert werden soll, um sie zu bewegen, nichts über das Interview zu veröffentlichen.» CH Media habe vorbildlich gehandelt, dies auszuschlagen.
«Ganz übel wird es, wenn im Hintergrund eine juristische Drohkulisse aufgebaut wird», fährt Boos fort. Dieses Vorgehen habe inzwischen europaweit einen Namen: SLAPP. Die englische Abkürzung steht für «Strategische Gerichtsverfahren gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit», das bedeutet, dass zum Beispiel ein finanzstarkes Unternehmen einem Medium mit einer gigantischen Schadenersatzklage droht, im Wissen darum, dass sich das Medium ein solches Verfahren nicht leisten kann, weshalb es dann auf die kritische Berichterstattung verzichtet.
Von einer Publikation eines nicht autorisierten Interviews sah CH Media ab, obwohl die Rechtslage dazu nicht eindeutig ist. Dennoch hat sich die Redaktion im Einklang mit den Richtlinien des Presserates und im öffentlichen Interesse entschieden, die Vorgänge transparent zu machen.
Ansonsten könnt ihr den Wortlaut 1:1 lassen. Den habt ja gemäss Beck ihr selber erfunden. Somit hat sie gar kein Mitspracherecht.
Aber eine Lieferung an ein völkerrechtswiedrig angegriffenes Land gegen die Neutralität verstösst??
Kann es sein, dass die in diesem Bundesbetrieb schalten und walten wie es ihnen gerade gefällt?