Der Krieg in der Ukraine verschiebt die Gewichte in der europäische Sicherheitspolitik. Auch hierzulande drängt die Politik auf eine engere Kooperation mit Partnerländern und eine Aufrüstung der eigenen Armee. Zum Auftakt der Sondersession hat der Nationalrat am Montag einen ersten Schritt gemacht. Er spricht sich dafür aus, das jährliche Armeebudget schrittweise auf sieben Milliarden Franken zu erhöhen.
Zur Debatte stand eine Motion der Sicherheitspolitischen Kommission. Konkret sollen die Ausgaben für die Landesverteidigung bis 2030 mindestens ein Prozent des Bruttoinlandproduktes betragen - also rund 7 Milliarden Franken. Gegenüber heute entspräche das einem Plus von 2 Milliarden. Der Entscheid fiel mit 111 zu 79 Stimmen.
Die Befürworter führten die gesunkenen Armeeausgaben ins Feld. So seien die Investitionen in die Armee seit 1990 von 1.3 Prozent des Bruttoinlandproduktes bis auf 0.67 Prozent im Jahr 2019 zurückgegangen, rechnete Alois Gmür (Mitte/SZ) im Namen der Kommission vor. Aufgrund des grossen Spardrucks bei der Armee seien Anschaffungen aufgeschoben worden. Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, dass auch in Europa nach wie vor Kriege mit Waffen, Panzern, Artillerie und Kampfflugzeuge geführt würden.
David Zuberbühler (SVP/AR) konstatierte, die Kommission habe «die Zeichen der Zeit» erkannt: «Es ist Krieg in Europa.» Es sei «definitiv Zeit, die bewaffnete Neutralität zu stärken» und die Armeeausgaben «endlich» zu erhöhen. Auch Rocco Cattaneo (FDP/TI) machte sich für das Vorhaben stark. Die beiden Parteien hatten bereits kurz nach Beginn des Krieges einen Ausbau des Armeebudgets gefordert.
Ida Glanzmann (Mitte/LU) argumentierte, seit Kriegsausbruch sei auch in der Bevölkerung das Bedürfnis nach mehr Sicherheit geweckt worden. Der vorgeschlagene Weg sei finanzierbar. Nato-Staaten würden für die Landesverteidigung bis zu 2 Prozent des BIP ausgeben. Den Gegner warf Glanzmann eine Verzögerungstaktik vor.
Dem widersprach Beat Flach (GLP/AG). Eine Verknüpfung der Armeeausgaben mit dem BIP sei aus finanzpolitischer Sicht «unsinnig». In den letzten Jahre habe das Verteidigungsdepartement (VBS) seine Kredite immer wieder nicht ausgeschöpft, weil Rüstungsgeschäfte nicht beschaffungsreif gewesen seien.
Einen schweren Stand hatte die Ratslinke. Zahlreiche Redner aus den bürgerlichen Reihen sprachen ihr die Legitimität ab. Als «Armeeabschafferin» sei klar, dass SP und Grüne nicht mehr Geld für die Landesverteidigung wolle. Aus Sicht von Marionna Schlatter (Grüne/ZH) geben sich die Befürworter einer Illusion hin, «einige Panzer mehr würden uns die gewünschte Sicherheit bringen».
Schlatter warf den Bürgerlichen eine «unseriöse Symbolpolitik» vor. In einem «blinden Aufrüstungsreflex» wolle die Mehrheit Geld sprechen, «ohne zu wissen, wofür; und sie will Geld ausgeben, ohne zu wissen, woher.» Franziska Roth (SP/SO) verglich das Vorgehen mit Einkaufen ohne Einkaufszettel oder «shoppen im Rüstungsgeschäft». Sie plädierte dafür zuerst eine Auslegeordnung zu machen. «Wir haben Zeit, kühlen Kopf zu bewahren.»
Rückendeckung erhält die bürgerliche Seite dagegen vom Bundesrat. Er unterstützt das Vorhaben, der Armee mehr Mittel zu gewähren. Verteidigungsministerin Viola Amherd sagte, dadurch liessen sich die Fähigkeitslücken der Schweizer Armee rascher schliessen. Es gehe dabei um bereits evaluierte und ausgereifte Projekte. Die Mittel würden sinnvoll und sorgfältig eingesetzt, betonte sie.
Offen blieb, woher das Geld kommen soll. Kommissionssprecher Gmür sagte, die zusätzlichen Mittel sollten durch die erwarteten Überschüsse des Bundes finanziert werden. Auch Amherd stellte klar, Sparprogramme oder Steuererhöhungen seien nicht notwendig. Die Ratslinke fürchtet, dass die steigenden Armeeausgaben andernorts eingespart werden müssen.
In der Sommersession wird sich der Ständerat mit dem Thema befassen. Auch dort zeichnet sich eine Mehrheit für eine Aufstockung des Armeebudgets ab.
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