Der Walliser Manager des Schweizer Rüstungskonzerns hatte höchstes Ansehen. Eindruck schindete er alleine schon, wie er mit seinem Sportwagen der obersten Preisklasse anbrauste, erzählt man sich im Ruag-Umfeld. Keiner schien international besser vernetzt, keiner war ein besserer Dealmaker. Was er für die Ruag anschaffte oder aus deren Beständen verkaufte, wurde nicht hinterfragt – und dies unbesehen.
Etwa als er im Juli 2020 von der niederländischen Armee gebrauchte Ersatzteile für die Panzer Leopard 1 und 2 im Wert von 4,5 Millionen Franken einkaufte. Ein Drittel der Ware ging für den Eigenbedarf in den Bestand der Ruag, zwei Drittel für den Weiterverkauf. Einkauf, Bewertung, Zuteilung wie Weiterverkauf lagen in einer Hand – in der Hand des Wallisers.
Die Ramschware verkaufte er zum leicht erhöhten Einkaufspreis rasch weiter an einen deutschen Schrott- und Militärmaterialhändler, wie er es zuvor schon einige Male gemacht hatte. Damit verliert sich ihre Spur. Doch forensische Untersuchungen zeigen: Gemäss Referenzliste der Nato hatten die Panzerersatzteile einen Wert von bis zu 48 Millionen Euro. Geprellt wurde damit nicht nur die Ruag, sondern wohl auch die niederländische Armee, die weit unter Preis verkauft hat.
Dieser neue Fall, den die Eidgenössische Finanzkontrolle gestützt auf Vorarbeiten der Zürcher Wirtschaftskanzlei Niederer Kraft Frey (NKF), publik macht, steht in der Reihe von insgesamt 26 nicht geklärten Geschäften, bei denen der Walliser immer wieder eine tragende Rolle spielte. Während die deutsche Staatsanwaltschaft schon seit längerem ein Strafverfahren gegen ihn und vier weitere Personen eingeleitet hatte, wartete die Ruag lange Zeit ab. Es sollten zuerst «solide Beweismittel» gesichert werden, um den Erfolg der «kostspieligen Untersuchung» nicht zu gefährden. Doch nun sei eine Strafanzeige eingereicht worden, erklärt die Ruag in einer schriftlichen Stellungnahme.
CH Media hat bereits über den Fall berichtet, wie der Walliser 22 Getriebe des Panzers Leopard 2 zu Dumpingpreisen an seinen deutschen Partner verkaufte. Die Eidgenössische Finanzkontrolle beziffert diesen Schaden nun auf 5 Millionen Franken. Zusätzliche Untersuchungen der Materialbewegungen im gleichen Kontext hätten gezeigt, dass weitere Ware zu Preisen massiv unter Marktwert verschoben wurde. Dieser Schaden: zwischen 12 und 30 Millionen Euro.
Bekräftig wird zudem der Verdacht, dass der Walliser auch beim bekannten italienischen Panzer-Geschäft mitgemischt hatte. Dabei ging es um den Weiterverkauf von 100 Leopard 1 samt Ersatzteilen von der italienischen Armee. Erstmals beschreibt die Finanzkontrolle aber das Prinzip: Ersatzteile von minderer Qualität wurden als neuwertig eingestuft, Ersatzteile, die sich gut verkauften, waren mit null Franken bewertet.
Dieses Prinzip kam auch beim geschilderten holländischen Geschäft zu Anwendung: Das Armeematerial, das für 1,5 Millionen Franken in den Bestand der Ruag aufgenommen wurde, war ziemlich wertlos und musste bis auf 380'000 Franken abgeschrieben werden.
Die mutmasslich kriminellen Machenschaften des ex-Kaders hätten seit Jahren bekannt sein können. Ein Whistleblower deponierte im August 2019 detailliert sein Wissen beim Generalsekretariat des VBS und beim Verwaltungsrat der Ruag. Doch statt dem Verdacht nachzugehen, wusste die Ruag-Hierarchie nichts Gescheiteres als den Verdächtigen selbst um Aufklärung zu bitten. Dieser verfasste eine zweiseitige E-Mail-Stellungnahme, die unverändert über die Linienverantwortlichen wieder nach oben gereicht wurde.
Der vom Whistleblower aufgebrachte Verdacht, Material werde unter Wert verkauft, war in der Stellungnahme vollständig ausgeblendet. Mehr noch: Auf den Weg durch die Instanzen ging sogar vergessen, dass es überhaupt eine Whistleblower-Meldung gegeben hat. Als die Finanzkontrolle jedenfalls im Rahmen ihrer Untersuchung zum Italien-Geschäft nach einer solchen fragte, hatte das VBS-Generalsekretariat im Dezember 2023 «nach aktuellem Kenntnisstand in ihren Ablagen keinen Hinweis» darauf.
Der Walliser hat die Ruag 2022 verlassen. Die Sonderstellung, die er als «Umsatzretter», wie es im Bericht heisst, innerhalb des Staatskonzerns hatte, zeigen jedoch weiterhin Wirkung. So kommt die externe Ermittlung durch die NKF-Anwälte nur beschränkt voran, weil juristische Hürden die vollständige Einsicht in die Dokumente der deutschen Ruag-Tochter verhindern, über die der mutmassliche Komplize günstig mit Militärmaterial versorgt wurde.
Blockiert sind auch Ruag-interne E-Mail-Korrespondenzen. Diese wurden von den involvierten Personen jedoch verschlüsselt. Eine freiwillige Entschlüsselung scheint nicht zu erfolgen, doch für eine kriminologische Entschlüsselung fehle dem Bundesamt für Informatik die rechtliche Grundlage. Damit jedenfalls begründet die Finanzkontrolle, weshalb unter anderem die Abklärungen der NKF weiterhin im Gange sind.
Die Finanzkontrolle betont die Unschuldsvermutung. Der Verdacht auf strafrechtlich relevante Tatbestände reiche jedoch von ungetreuer Geschäftsbesorgung, Betrug, Urkundenfälschung, Verletzung des Geschäftsgeheimnisses, passiver Bestechung, Geldwäscherei bis zu wirtschaftlichem Nachrichtendienst.
(aargauerzeitung.ch)
Unglaublich angesichts der erdrückenden Beweislage. Ich hoffe, dass das Strafmass erhöht wird bei einer Anklage.
Und wie ich in einem anderen Kommentar bereits schrieb:
Nun löst sich das Rätsel warum BR Amherd das VBS fluchtartig verlassen wird in ein paar Wochen.
So wie damals BR Ueli Maurer mit seinem Blitz-Rücktritt kurz vor dem Kollaps der Credit Suisse.…. kä Luscht me ;)
Frage für einen Manager-Kollegen.