Fall der Suizidhelferin Preisig kommt vor Bundesgericht: Sie fühlt sich falsch verstanden
Das Bundesgericht steht vor einem wegweisenden Entscheid. Es hat den Fall der Baselbieter Suizidhelferin Erika Preisig zu beurteilen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Preisig erheben Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts vom Mai, wie die Parteien bestätigen. Es geht um die Frage, wann Suizidhelfer ein psychiatrisches Fachgutachten einholen müssen.
Die Tat geschah vor fünf Jahren. Preisig begleitete eine 66-jährige Frau in den Tod, die unter anderem psychische Probleme hatte. Preisig fand jedoch keinen Psychiater für eine Abklärung, ob die Frau urteilsfähig war. Die meisten Experten lehnen die Aufgabe ab, weil sie ethische Bedenken haben. Preisig führte die Suizidhilfe dennoch durch, weil sie von der Urteilsfähigkeit überzeugt war.
Die Baselbieter Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen vorsätzlicher Tötung. Damit scheiterte sie vor dem Straf- und vor dem Kantonsgericht. Preisig wurde lediglich zu einer Busse verurteilt, weil sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt habe.
Die erste Instanz bezeichnete das Vorgehen als «gravierend». Die zweite Instanz stufte es nur als «leichtfertig» ein. Im schriftlichen Urteil, das nun vorliegt, verwendet das Kantonsgericht ein spezielles Synonym dafür: Preisig habe «frivol» gehandelt.
Preisig empfindet das Urteil als verletzend
Die Ärztin sagt: «Ich erhebe Beschwerde, weil das Urteil meiner Arbeitsweise nicht gerecht wird. Die Bezeichnung ?frivol? empfinde ich als verletzend.» Sie nehme jeden Fall sehr ernst.
Die Staatsanwaltschaft erklärt, sie wünsche sich eine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung.
Bei der Urteilsverkündung im Mai äusserte sich das Kantonsgericht nicht grundsätzlich. Im 147-seitigen Urteil holt es dies nun nach. Ein Fachgutachten sei erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Sterbewunsch einer psychisch kranken Person seinen Ursprung in der psychischen Erkrankung haben könnte. (aargauerzeitung.ch)
