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Fall «Carlos»: Jan Geerk schoss das berühmte Bild von Brian

Fall «Carlos»: Er schoss das berühmte Bild von Brian – und ist nicht nur glücklich damit

Der Landschaftsfotograf Jan Geerk ist neben anderen auch für ein bestimmtes Foto bekannt. Lange behielt er den Fakt für sich, dass er der Urheber des berühmten «Carlos»-Fotos ist. Mittlerweile verschickt er höfliche Erinnerungsmails und stellt an jene Rechnungen aus, die das Foto ohne seine Erlaubnis verwenden.
08.11.2019, 05:5508.11.2019, 15:13
Silvana Schreier / ch media
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«Ich möchte euch eine Geschichte erzählen.» So beginnt der Facebook-Post von Jan Geerk, einem Fotografen aus Basel. Geerks Geschichte dreht sich um ein Foto. Ein junger Mann steht in der Ecke eines Boxrings, oben ohne, verschwitzt. Er blickt direkt in die Kamera, seine Hände stecken in weissen Boxhandschuhen. Das über sechs Jahre alte Bild erscheint noch heute unter Schlagzeilen in den Schweizer Medien. Denn: Der junge Mann ist Brian, früher bekannt als «Carlos».

Die Geschichte, die Geerk erzählt, handelt von einem unspektakulären Fotoshooting in einem Boxklub im Baselbiet. Von einer Schlammschlacht. Und von einem bis heute andauernden juristischen Kampf.

Fall «Carlos»: Der Basler Fotograf Jan Geerk schoss das berühmte Bild von Brian.
Bild: ZVG/Jan Geerk

Vom Sonnenuntergang zum Shooting im Boxklub

«Ich habe einfach meinen Job gemacht», sagt der heute 42-Jährige. Es war ein heisser Sommertag im Jahr 2013. Der Basler wurde vom Boxklub engagiert und sollte ein Training fotografieren.

Brian hatte er mehrfach vor der Linse. «Er trainierte sehr enthusiastisch und war recht fotogen», beschreibt Geerk den mittlerweile Verurteilten. Kurz nach dem Fotoshooting strahlte das SRF den Dok-Film zum Fall «Carlos» aus. Geerk: «Dann ging die Schlammschlacht los.»

Doch das ist nicht die ganze Geschichte, die Geerk erzählen will. Lange behielt er den Fakt für sich, dass er der Urheber des berühmten Fotos ist. «Ich wollte nicht, dass mein Name nur damit verbunden wird.» Denn eigentlich ist Geerk Landschaftsfotograf. Seine Bilder hängen in unzähligen Schweizer Wohnzimmern, die Kalender von Basel, Bern und Zürich gefallen einem breiten Publikum und Postkarten mit seinen Fotos werden durch die Welt geschickt.

Dank Fotografien Studium finanziert

Während seines Jura-Studiums in Basel entdeckte er seine Leidenschaft für die Fotografie. Sein Mitbewohner kaufte sich eine Spiegelreflexkamera, Geerk durfte das Gerät mitbenutzen. Er eignete sich die Handgriffe und Einstellungen selbst an. «Das geht mit genug Leidenschaft und Energie.» So setzte er sich frühmorgens ans Basler Rheinufer und wartete auf den Sonnenaufgang – «obwohl ich eigentlich Langschläfer bin». Und ging nach dem Fotografieren direkt in die Vorlesung.

Bald konnte er erste Fotos verkaufen und sich so einen Teil des Studiums finanzieren. Nach dem Abschluss erhielt er einen Job beim grössten Schweizer Postkartenverlag. Er reiste durch die Schweiz, arbeitete die Liste mit den schönsten Fotomotiven ab. Mit 32 Jahren machte sich Geerk selbstständig. «Ich kannte das von meinen Eltern.» Geerks Vater ist der verstorbene Basler Schriftsteller Frank Geerk. Seine Mutter, Irena Brežná, ist ebenfalls eine erfolgreiche Autorin.

Während seine Eltern von Worten fasziniert waren, zog es Geerk in die Natur. Beim Wandern rekognosziert er besondere Orte. Diese besucht er mehrfach zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. «Es machte mich süchtig, als ich erkannte, wie viele Möglichkeiten ich als Fotograf habe», sagt Geerk.

«Anfangs war ich hässig»

Seit sechs Jahren ist es nun aber nicht eine Nachtaufnahme von Basel oder ein Matterhorn-Foto, das überall zu sehen ist. Geerks meist verwendetes Foto ist das von Brian. «Anfangs war ich hässig.» Er sei nie gefragt worden, ob das Bild verwendet werden dürfe. «Diese Selbstbedienungsmentalität ist eine Katastrophe für Fotografen wie mich», sagt er.

Ein Teil von Geerks Arbeitsalltag besteht seit 2013 darin, herauszufinden, wo das Foto ohne seine Erlaubnis publiziert wird. Zum Glück sei er nicht nur Fotograf, sondern auch Jurist, sagt Geerk. Er verschickt höfliche Erinnerungsmails, stellt Rechnungen aus. Zudem betont er, er weise die Medien ausdrücklich darauf hin, Brian unkenntlich zu machen.

Das ungewollte «Carlos»-Bild könnte für Geerk aber auch zu einem möglichen Happy End werden: Einen «fünfstelligen Betrag» habe er bisher damit eingenommen. Geerk sagt: «Ich hätte nie damit gerechnet, dass mich diese Geschichte noch heute beschäftigt.»

Dies wird sie vermutlich noch weiter: Brian wird seine Verurteilung weiterziehen ans Berufungsgericht. Und das Foto wird weiterhin als Symbol für diesen Fall stehen.

Fotograf Jan Geerk präzisiert in der Kommentarspalte:

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nerd077
08.11.2019 07:36registriert Oktober 2019
Finde es richtig, wenn er mit dem Foto mittlerweile ein 5-stelligen Betrag verdient hat. Selbst als Hobbyfotograf ist diese Selbstbedienungsmentalität etwas, wovor ich extrem Respekt habe...die besten Fotos landen daher nicht auf Social-Media...
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Veran
08.11.2019 12:21registriert November 2019
Hallo hier ist der Fotograf des Bildes. :)
Nur zur Richtigstellung für alle die die den Artikel scheints nicht richtig gelesen haben:
-Nach dem Fotoshooting haben sich die Medienhäuser auf der Seite des Boxclubs einfach bei den Bildern bedient wo Carlos drauf zu sehen war. Ich wusste damals nicht von wem ich da Bilder gemacht habe.
Ich habe dann bei den einzelnen Medien eine Nachlizensierung verlangt und dafür natürlich Geld verlangt.
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Veran
08.11.2019 12:23registriert November 2019
Und noch was:
-Ich wollte mit den Bildern grundsätzlich nicht extra Geld verdienen. Das war wie gesagt ein abgeschlossener Auftrag für den Boxclub, aber da das Bild so oft gestohlen wurde hab ich natürlichnachträglich dafür was verlangt.
-Ambivalent ist nicht richtig. Wie gesagt hab ich den Betrag nur einkassiert nachdem die Bilder gestohlen wurden. und wie viele ich gar nicht erst erwischt habe will ich gar nicht wissen.
-Ich habe die Nutzung der Bilder nur dem Boxclub erlaubt und nicht den Medien.
-Ja es ist nicht soviel über die Jahre, aber das ist ja nicht meine einzige Einnahmequelle.
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