Die «Luzerner» Balkan-Mafia: Eine kriminelle Organisation aus dem Balkan soll kiloweise Kokain in der Schweiz verkauft und Gewinne in Millionenhöhe über ein Reisebüro in Luzern gewaschen und nach Albanien zurückgeschleust haben. Davon gehen die Schweizer Bundesanwaltschaft und die albanische Sonderstaatsanwaltschaft aus.
Sechs mutmassliche Mitglieder dieser Drogen- und Geldwäscherbande wurden in der Schweiz verhaftet, zwei Bosse in Albanien. Einer dieser beiden ist ein Mann, der als Schlüsselfigur im Clan gilt: Er wird als Kokainboss und Geldschieber beschrieben, der in Albanien unter anderem ein Geldtransferhaus, ein Reisebüro und eine Autovermietung besitzt.
Dieser Clan hat aber offensichtlich auch einen Berner, genauer gesagt einen Bieler Ableger. Recherchen zeigen jedenfalls, dass der mutmassliche Kokainboss alte und sehr enge Beziehungen ins Berner Seeland hat. Er lebte vor etwa zwanzig Jahren hier, mitsamt seiner Familie. Ums Jahr 2005 war er an mindestens zwei Adressen in Stadt und Region Biel gemeldet.
Möglicherweise sass er in der Schweiz schon einmal in Haft. Ein Adresseintrag vermittelt den Eindruck, dass der Mann ums Jahr 2004 «Wohnsitz» in einem Baselbieter Bezirksgefängnis hatte.
Könnte passen, denn in den 1990er-Jahren hatten die Polizeibehörden von Kantonen wie Bern oder Baselland mehrere international abgestimmte Operationen gegen von Albanern beherrschte Drogenbanden durchgeführt. Damals ging es noch vor allem um Handel mit Heroin, das traditionell via Türkei in die Schweiz kam. Biel spielte dabei immer wieder eine wichtige Rolle.
Sicher ist, dass der Schieber Jahre später, 2018, in Albanien wegen Kokainhandels verhaftet wurde. Er sei mit drei weiteren Männern in Tirana «auf frischer Tat» beim Kokainhandel erwischt worden, so die albanische Polizei damals. 276 Gramm Kokain wurden sichergestellt, zwei Autos und sieben Mobiltelefone.
Ein Jahr später explodierte an der Aussenwand seines Geldtransferladens in Tirana ein Sprengsatz, der Sachschaden anrichtete. Die Polizei ging davon aus, dass der Anschlag eine Warnung an den angeblichen Kokainboss war. Der Kokaindealer gab aber an: Er habe zuvor weder Drohungen erhalten noch verdächtige er irgendwelche Personen, für den Anschlag verantwortlich zu sein.
Wer den Spuren der Verwandten und anderen Personen folgt, die vor zwanzig Jahren in Biel und Region mit dem mutmasslichen Kokainboss und seiner Frau gemeldet waren, stellt fest: Die Verwandtschaft ist geschäftlich weit über die Region hinaus sehr aktiv. Und, gemessen beispielsweise am im Grundbuch feststellbaren Immobilienbesitz, sehr erfolgreich. Die Sektoren, in denen die Verwandtschaft des Albaners schwergewichtig tätig ist: Bau, Immobilien, Autohandel, Gastronomie, Import-Export.
Schlüsselfigur scheint ein Familienmitglied zu sein, das in der Region Biel ein Geflecht von Firmen im Bau- und Immobilienbereich betreibt, zu dem auch ein Pizza-Kurierdienst gehörte. Im Netzwerk zeigen sich notorische Verbindungen in eine kriminelle Szene, die im Geschäft mit Schwarzarbeit, Sozialversicherungsbetrug und falschen Rechnungen aktiv ist.
So tauchen im Geflecht die Namen von bekannten «Firmenvernichtern» auf. Das sind Personen, die überschuldete Firmen zum Schein übernehmen und sie in den Konkurs führen. Oft ist Sozialversicherungs- und Steuerbetrug im Spiel, die Gläubiger gehen leer aus, die früheren Organe werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Bei den Firmenvernichtern handelt es sich in letzter Zeit zunehmend um Strohleute aus Ländern wie Rumänien. Sie reisen nach der Firmenübernahme sofort wieder aus und sind nicht mehr auffindbar. Als Ermöglicher hinter dem Schema stecken häufig Schweizer Akteure wie Anwälte oder Treuhänder, die die Strukturen aufsetzen und beurkunden.
Im Fall des «Bieler Netzwerks» lässt sich ein halbes Dutzend Gesellschaften im Bereich Bau ausfindig machen, die nach ein paar Jahren Aktivität in Konkurs geschickt wurden. Aktiven waren in keinem Fall mehr vorhanden. Für die Betrüger lohnt sich das Geschäft. Sie stellen dank Schwarzarbeit billig Neubauten auf und verkaufen oder vermieten sie. Im Fall der Seeländer Connection gingen die Wohnungen fast ausnahmslos an albanischstämmige Personen, wie ein Blick ins Grundbuch zeigt.
Angesichts der Aktivitäten dieses Balkan-Clans liegt auf der Hand, dass hier auch Drogengelder gewaschen werden könnten. Ob das aber wirklich so ist, ist offen. Stutzig macht auch: Gemäss einer Firmenwebsite der Bieler Seilschaft ist sie auch dick im Geschäft mit Luxusimmobilien in Dubai. Dubai ist eine berüchtigte Geldwäscher-Drehscheibe.
Auf der Zeitachse nachweisen lässt sich, dass die Seeländer Seilschaft Verbindungen zu türkischstämmigen Geschäftsleuten in der Region hat. Sie sitzen immer mal wieder in denselben Firmen und an denselben Adressen. Auch diese Personen, die in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung treten, fallen durch rege Bautätigkeit und grossen Immobilienbesitz auf, sind im Gastro- und Autosektor tätig.
Es gilt die Unschuldsvermutung. (aargauerzeitung.ch)
Die Italiener haben vor Jahrzehnten verstanden: Willst du organisierte Kriminalität bekämpfen musst du die illegalen Geldströme verfolgen, entsprechend ist die Guardia di Finanza eine gut ausgestattete fast autonom operierende Organisation mit über 60’000 Beamten.
Wir in der Schweiz wollen das aber scheinbar gar nicht, die Kantone ignorieren das Problem mehr oder weniger und die Bundespolizei ist unterbesetzt, man könnte ja die Falschen erwischen…