Es muss eine malerische Hochzeit gewesen sein. In Goult, einem Dörfchen des vielleicht schönsten Provence-Tales Luberon, feierte eine Gesellschaft vor gut einer Woche bis in die frühen Morgenstunden. Dann kamen die Killer.
Mit schnellen Autos, vermummt und schwer bewaffnet, fuhren sie zu viert gegen 4.30 Uhr vor, als die Feiernden gerade am Aufbrechen waren, und eröffneten das Feuer. Die Braut, die schon in einem Wagen sass, wurde von einem Schuss in den Kopf getroffen und starb auf der Stelle. Ihr neuer Gatte, der zu einer marokkanischen Drogenbande gehören soll, der wie ihre 13-jährige Tochter durch Kugeln verletzt wurde, setzte zurück und tötete dadurch selbst einen Angreifer. Die drei anderen ergriffen die Flucht. Zwei wurden später nach einer Hubschrauberjagd gefasst.
Frankreich war schockiert über den Überfall, der einem Gangsterfilm in nichts nachstand. Die herbeigeeilten Fernsehteams berichteten, wie eine Frau nach der Flucht der Täter als erste in die tödliche Stille geschrien hatte: «La mariée est morte!» – die Braut ist tot!
Bei aller Tragik ging fast unter, dass es nicht das erste Mal war, dass eine Frau Opfer der brutalen Drogenkriege in Frankreich wurde. In Korsika wurde im Februar eine Studentin im Wagen ihres Freundes, der Beziehungen zum Mafiamilieu der Mittelmeerinsel pflegen soll, durch mehrere Schüsse getötet.
In Marseille hatte eine 43-jährige Frau weniger Glück: Sie wurde in einem der berüchtigten Nord-Quartiere der Hafenstadt unter ungeklärten Umständen in der Nähe eines Drogen-Hotspots erschossen. Im Juni nahmen Kalaschnikow-Schützen in Montélimar (Rhonetal) ein Einfamilienhaus aufs Korn, wobei sie eine Frau verletzten. Die Ermittler gehen von einer «Vendetta» (Racheakt) oder einem Einschüchterungsversuch feindlicher Drogenhändler aus.
Die Polizei bestätigt: Seit Jahresbeginn geraten in Frankreich immer mehr Frauen mit oder ohne Migrationshintergrund ins Fadenkreuz der Dealer- und Mafiabanden. Eine «balle perdue» (verirrte Kugel) mag vereinzelt verantwortlich sein.
In den Gangs arbeiten aber auch zunehmend Dealerinnen. Oft unfreiwillig: Der Staatsanwalt von Marseille, Nicolas Bessone, bekannte kürzlich, viele Frauen würden gezwungen, als «nourrice» (Amme), wie man sie im Milieu nennt, südamerikanisches oder marokkanisches Kokain in der eigenen Wohnung zu lagern. Andere betätigten sich aber sogar als Leiterinnen von Dealerorten.
Feministinnen halten diese letzteren Fälle für verschwindend gering und erklären, Frauen seien die ersten Opfer des Drogenhandels und -konsums, zumal dieser regelmässig mit extremer häuslicher Gewalt einhergehe. Viele Partnerinnen von Dealern würden zudem von gegnerischen Gangs als Druckmittel, Rachewerkzeug oder zur Demütigung benutzt.
Caroline de Haas, Gründerin von NousToutes, einem Kollektiv gegen Gewalt an Frauen, wirft Innenminister Bruno Rétailleau vor, er behandle diese Milieu-Gewalt gegen Frauen als blosse Faits divers ohne Bezug zueinander. Der konservative Minister prangert zwar wortreich die «Mexikanisierung» der Sitten in Frankreich an. Die Polizei ist aber von dem ganzen Ausmass der Drogengewalt schlicht überfordert.
Lokale Stellen agieren entschlossener. In Marseille haben Frauenverbände auf der Grundlage eines bisher kaum angewendeten Gesetzes von 2021 erreicht, dass die Behörden die Villa eines verhafteten Kokain-Dealers beschlagnahmten. Sie wurde in einen Zufluchtsort für weibliche Gewaltopfer verwandelt.
Von dem her hält sich mein Mitleid in Grenzen.