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Parlament spricht Milliarden für Räumung des Munitionslagers in Mitholz

Parlament spricht Milliarden-Kredit für Räumung des Munitionslagers in Mitholz

19.09.2023, 10:3319.09.2023, 12:33
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Die Räumung des ehemaligen Munitionslagers in Mitholz im Berner Oberland nimmt eine nächste Hürde. Nach dem Nationalrat hat am Dienstag auch der Ständerat einem 2.59-Milliarden-Franken-Kredit zur Umsetzung des Vorhabens zugestimmt.

Mit 39 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen sagte die kleine Kammer Ja zum Verpflichtungskredit. Der Nationalrat hatte dem Geschäft Anfang Mai mit 180 zu 5 Stimmen bei 8 Enthaltungen zugestimmt. Damit ist die Vorlage bereinigt.

Im Dezember 1947 war es im ehemaligen Munitionslager der Armee bei Mitholz in der Gemeinde Kandergrund BE zu grossen Explosionen gekommen. Das Depot stürzte teilweise ein, mehrere Menschen starben durch Felsbrocken, die durch die Luft geschleudert wurden. Dutzende Häuser wurden zerstört, und es blieben einige Hundert Tonnen Sprengstoff in den Trümmern zurück.

2018 kam ein neuer Bericht des Verteidigungsdepartements zum Schluss, dass das Munitionslager aufgrund weiterhin hoher Risiken geräumt werden müsse. Das Projekt kann nun umgesetzt werden.

Im Fels oberhalb des Dorfes Mitholz BE lagern noch bis zu 3500 Tonnen Munitionsr
Im Fels oberhalb des Dorfes Mitholz BE lagern noch bis zu 3500 Tonnen Munitions.Bild: sda
Dezember 1947: Eines der Gebäude in Mitholz, das durch die Explosion im Munitionslager komplett zerstört wurde.
Dezember 1947: Eines der Gebäude in Mitholz, das durch die Explosion im Munitionslager komplett zerstört wurde.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Sicherste Lösung

Dieser Kredit war im Parlament zu Beginn nicht unbestritten. Die zuständigen Kommissionen verschoben ihren Entscheid dazu mehrmals. Sie wollten zunächst weitere Optionen prüfen lassen, obwohl Einigkeit herrschte, dass die aktuelle Situation in der Anlage und im Schuttkegel ein inakzeptables Risiko darstellt.

Schliesslich kam eine Mehrheit zum Schluss, dass eine vollständige Räumung im Vergleich zu anderen Varianten die sicherste und nachhaltigste Lösung darstelle. Bei einer nicht vollständigen Räumung würden Fragen bezüglich der langfristigen Sicherheit sowie der Belastung durch Schadstoffe offenbleiben, so der Tenor.

Unsicherheiten bleiben

Die Debatte im Ständerat zeigte aber erneut, dass dennoch nicht alle restlos überzeugt sind vom Projekt. «Es gibt viele Fragezeichen, es bleiben Gefahren», sagte Thomas Minder (parteilos/SH), der sich in der Gesamtabstimmung der Stimme enthielt. Ihm fehle eine rein sachliche und fachliche Diskussion. «Der Entscheid ist für mich eher politisch.»

Werner Salzmann (SVP/BE) widersprach: Nur die vollständige Räumung löse das Problem vollständig. «Alles andere wäre eine risikoreiche Verschiebung des Problems auf die Nachkommen.» Es brauche jetzt Sicherheit. Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) hielt fest, dass es kaum ein Projekt gebe, das dermassen auf Herz und Nieren geprüft worden sei.

Verteidigungsministerin Viola Amherd plädierte für den Milliardenkredit. Die Räumung sei ein wichtiges Signal für die betroffene Bevölkerung. «Seit fünf Jahren lebt sie in Unsicherheit.» Das Verteidigungsdepartement habe im Vorfeld 19 Varianten untersucht und bewertet. «Wir haben nicht voreilig einen politischen Entscheid gefällt», antwortete sie auf kritische Stimmen.

Wie lange bleibt sie noch Bundesrätin? Viola Amherd.
Verteidigungsministerin Viola Amherd plädierte für den Milliardenkredit.Bild: Keystone

Bewohner müssen wegziehen

Das über 25 Jahre laufende Projekt soll die Gefahr von weiteren Explosionen im ehemaligen Bahnstollen und im Schuttkegel vor der Anlage beseitigen. Zudem sieht es eine umfassende Räumung der Sprengstoffrückstände, Schwermetalle und Brandrückstände im gesamten von der Explosion von 1947 betroffenen Gebiet vor.

Darüber hinaus werden ein Schutztunnel für die Nationalstrasse und eine Galerie für die Bahnstrecke gebaut. Hinzu kommen Massnahmen, mit denen die Infrastruktur vor Naturgefahren wie Lawinen, Hochwasser, Murgängen oder Steinschlag geschützt wird. Diese Massnahmen werden nach dem Abschluss der Räumung bestehen bleiben.

Die ersten Bewohner von Mitholz müssten wegen der Arbeiten bereits 2025 wegziehen, und spätestens 2030 wäre es für die übrigen so weit. Betroffen vom Wegzug wären rund fünfzig Personen im Sicherheitsperimeter.

Aufsichtsdelegation gefordert

Gemäss Botschaft des Bundesrats erfolgt das Gros der Finanzierung – rund 1,4 Milliarden Franken – über bereits verbuchte Rückstellungen im Verteidigungsdepartement und belastet die Schuldenbremse deshalb nicht.

Der Verpflichtungskredit enthält überdies Reserven von 760 Millionen Franken für Projektrisiken und die erwartete Teuerung. Daneben gibt es weiterhin Unsicherheiten zur genauen Lage, zum Zustand sowie zur Menge der Munitionsrückstände und den anspruchsvollen geologischen und hydrologischen Verhältnissen.

Mehrere Parlamentsmitglieder kritisierten die grossen Reserven. Anträge, ein Teil der Finanzierung erst zu einem späteren Zeitpunkt dem Parlament vorzulegen, scheiterten jedoch ebenso wie die Kürzung der Mittel für die Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände sowie für die Instandsetzung des Geländes und die Wiederbesiedelung von Mitholz.

Die Räte werden sich jedoch im Winter erneut mit dem komplexen Projekt befassen. Im Raum steht der Vorschlag, eine Aufsichtsdelegation für die Räumung in Mitholz einzusetzen – analog dem Neat-Projekt in den Neunziger- und Nullerjahren.

(yam/sda)

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