Humorvoll, volksnah, charismatisch und nicht immer ohne Fehl und Tadel: So dürfte alt Stadtpräsident Alexander Tschäppät wohl vielen Bernerinnen und Bernern in Erinnerung bleiben. Vier Jahrzehnte lang prägte der Sozialdemokrat die Stadtberner Politik mit, zuerst als Stadtrat, später als Gemeinderat und schliesslich zwölf Jahre lang als Stadtpräsident.
Für Tschäppät war Bern stets «die schönste Stadt der Welt», wie der selbstdeklarierte «Bern Fan» bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten nicht müde wurde zu betonen. Und das wirkte nicht einmal aufgesetzt – war er doch seit frühster Jugend in der Bundesstadt verwurzelt.
«Tschäppu», wie ihn die Berner liebevoll nannten, brauchte keine Umfragen, um die Stimmung in der Bevölkerung zu spüren. «Er ging einfach ins Tram», wie Bundesrätin und Parteikollegin Simonetta Sommaruga vor etwas mehr als einem Jahr bei Tschäppäts Verabschiedung als Stadtpräsident sagte.
Und der Stadtvater wusste genau, was seine Bernerinnen und Berner mochten: verkehrsberuhigte Quartiere, urbanes Lebensgefühl in den Gassen, Kultur, Sport und natürlich im Sommer sich in der grünen Aare treiben lassen und «chillen».
«Man muss Bern nicht toll finden», sagte Tschäppät im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA kurz vor seinem Abgang als Stadtpräsident Ende 2016.
«Aber man muss anerkennen, dass wir ein hochattraktiver Wirtschaftsstandort sind. Wir sind einer der Wirtschaftsmotoren des Kantons und vielleicht die attraktivste Arbeitsstadt der Schweiz. 185'000 Arbeitsplätze auf 140'000 Einwohner, das kann keine andere grosse Schweizer Stadt vorweisen!»
Was auch keine andere Stadt vorweisen kann: eine Familie, die seit 1948 praktisch ununterbrochen in der Stadtpolitik aktiv war. Um Vater Reynold Tschäppät ranken sich viele Legenden, zuletzt war er Stadtpräsident bis zu seinem Tod 1979. Sein Sohn Alexander schaffte 1980 den Sprung ins Parlament.
Er war damals Richter und verbrachte die Donnerstagabende im Stadtrat. Wenn er dort einem Journalisten neckisch ein Täfeli zusteckte («Gäu, schribsch es paar Zyle über mi»), war manch einem klar: Der Sohn wird auch mal Stapi.
2004 war es soweit. Zweimal bestätigten ihn die Berner später im Amt – das beste Resultat erreichte er bei der letzten Wiederwahl 2012.
Im Erlacherhof leistete Tschäppät wohl weit mehr Knochenarbeit als die meisten Berner ahnten. Er beherrschte aber auch den Medienauftritt, war ein vereinnahmender Redner und ein langjähriger Nationalrat – all das verschaffte ihm landesweite Bekanntheit.
Wobei man sagen muss: Nicht jede Schlagzeile war positiv. Den einen oder anderen Skandal leistete sich Tschäppät auch. Googeln kann man das mit Suchbegriffen wie «Christoph Blocher Motherfucker» oder «Italienerwitze».
Tschäppäts Hang zur Selbstdarstellung verlangte Bevölkerung und selbst Genossinnen und Genossen mitunter schon einiges an Nachsicht ab. Gerade die Frauen in seiner Partei fanden seine manchmal machohaften Sprüche daneben. Doch letztlich verzieh man ihm die Ausrutscher.
Viele Berner werden die Amtszeit von Tschäppät mit dem Oranje-Fest an der Euro 2008 verbinden und mit dem spektakulären Gastspiel der Tour de France 2016. «Dr Alex», heisst es in Bern, befreite den Bundesplatz von den Autos, baute einen Baldachin über den Bahnhofplatz und ebnete den Weg für das Zentrum Paul Klee.
Tschäppät selber strich indessen die Verdienste der rot-grünen Regierung hervor. «Aus der Stadtflucht haben wir eine Landflucht gemacht. Endlich nimmt die Einwohnerzahl wieder zu. Ausserdem machten wir aus dem hochroten Budget schwarze Zahlen, und das bei einem Ausbau des Service public.»
Seine Gegner schimpften den roten Stadtvater schon mal «Cüpli-Sozialist». Im bürgerlichen Lager galt er als «Laisser-faire-Politiker». Die Endlosdebatten rund um das alternative Kulturzentrum Reitschule brachte er kaum vorwärts. Im Nationalrat glänzte er bisweilen eher durch Abwesenheit.
Dass Bern seit einem Vierteljahrhundert stramm auf rot-grünem Kurs ist, hat nicht zuletzt auch mit Tschäppät zu tun. Doch vor den letzten städtischen Wahlen 2016 wurde das SP-Powerplay selbst Eingefleischten zu viel.
Als Tschäppät unverhohlen seine Parteikollegin, Gemeinderätin Ursula Wyss, als seine Nachfolgerin in Position brachte, goutierten viele diese «Erbmonarchie» nicht. Prompt entschied sich die Wählerschaft für den von den Bürgerlichen ins Gespräch gebrachte Nationalrat Alec von Graffenried von der Grünen Freien Liste.
Doch die Bernerinnen und Berner verziehen ihrem «Stadtvater» die Ausrutscher immer wieder. Denn keiner vermittelte bernisches Lebensgefühl besser und mit mehr Witz und Schalk als er. (wst/sda)
Lowend
S'git wenigi, wo sech mit so viu Härzbluet für üsi schöni Stadt hei iigsetzt u ar YB Meischterfyr wird's ä risegrossi Lücke gä, wo Du äuä mit äm Andy Rihs zäme gfyret hättisch.
Rueh in Fride!
branchli1898
Katzenseekatze