Vor dem Fixerstübli an der Berner Hodlerstrasse liegen die Nerven blank. Ein Süchtiger tritt mit einem Kung-Fu-Kick gegen die Glasscheibe der Bushaltestelle vis à vis und reiht sich dann in die mit Gittern abgesteckte Warteschlange ein. «Die Klienten brauchen ihren Stoff. Wenn sie schon nur wenige Minuten warten müssen, sind sie am Limit», sagt ein Security-Mitarbeiter mit Schutzmaske zum watson-Reporter.
Abstand halten: Wie überall in der Schweiz gilt auch bei den Schweizer Drogenanlaufstellen das neue BAG-Regime. Darum müssen sich die Süchtigen in einer Reihe aufstellen und warten, bis sie eintreten und ihren Stoff konsumieren dürfen. Nur noch 40 Menschen dürfen sich gleichzeitig im Berner Fixerstübli aufhalten.
Die ungewohnte Wartezeit zerrt an den Nerven: «Die Aggressionen sind spürbar. Wir sind uns vieles gewohnt, aber die Situation ist für unser Personal wie auch die Klienten extrem belastend», sagt Rahel Gall, Leiterin von Contact, welche die Anlaufstelle betreibt. Viele Süchtige seien gesundheitlich angeschlagen und hätten generell Mühe mit Veränderungen.
Eine weitere Gruppe reiht sich vor dem Tor ein. «Wann kann ich mir endlich meinen Schuss setzen?» – die Anspannung ist den Süchtigen ins Gesicht geschrieben. «Es gab auch schon Gewaltausbrüche im Inneren der Anlaufstelle», erklärt Gall.
Sämtliche Mitarbeitenden von Contact und die Sicherheitsleute sind mit Schutzmasken ausgerüstet. Doch es gibt ein Problem: Die Masken-Vorräte reichen nur noch für wenige Tage. «Wenn wir keine Masken mehr haben, müssen wir zumachen. Die Sicherheit unserer Mitarbeitenden hat oberste Priorität», so Gall.
Eine Schliessung des Fixerstüblis wäre nicht nur für die Süchtigen ein Worst-Case-Szenario: «Wenn wir die Anlaufstelle schliessen müssen, ist mit einer Szenenbildung von Dealern und Konsumenten auf der Strasse oder öffentlichen Plätzen zu rechnen», so Gall.
Beim Bollwerk wartet ein Süchtiger auf den Bus. Zuerst verzieht er die Augen, als ihn der Reporter anspricht. Dann sagt der Mittdreissiger: «Es ist wirklich gerade sehr schwierig für uns. Der Staat soll uns einfach Geld geben.»