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Um die Erträge bei Bio zu steigern, braucht es unseren Urin

Eine Mischwiese wird geschnitten auf dem Areal des DOK-Versuchs der Forschungsinstitutionen Agroscope und FiBL (Forschungsinstitut fuer biologischen Landbau) in Therwil, am Mittwoch, 25. Juni 2025. Im ...
Das Areal des DOK-Versuchs der Forschungsinstitutionen Agroscope und FiBL in Therwil. Hier läuft seit 1978 der weltweit am längsten laufende Feldversuch für den Vergleich biologischer und konventioneller landwirtschaftlicher Systeme.Bild: keystone

Um die Erträge bei Bio zu steigern, braucht es unseren Urin

Seit 47 Jahren vergleichen die Forschungsanstalten Agroscope und FiBL den Bio-Landbau mit dem konventionellen. Nun präsentieren die Wissenschafter die Resultate des Vergleichs.
28.06.2025, 23:0428.06.2025, 23:04
Bruno Knellwolf / ch media
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Was sind die Unterschiede zwischen biologischer und konventioneller Landwirtschaft? Um diese Frage zu klären, wird in Therwil bei Basel ein weltweit einzigartiger Versuch durchgeführt. Einzigartig darum, weil dieser Vergleich schon 47 Jahre läuft. Auf der eine Hektare grossen Versuchsanlage der Forschungsanstalt Agroscope und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) wachsen Mais, Soja, Winterweizen, Kartoffeln und Kleegras. Diese Woche wurden unter gleissender Sonne auf dem offenen Ackerfeld neueste Forschungsresultate präsentiert.

Verglichen werden drei Systeme: erstens biologisch-dynamisch, auch Demeter genannt, zweitens biologisch-organisch, was in etwa dem Bio-Suisse-Label entspricht, und drittens der konventionelle Ackerbau, der ungefähr IP-Suisse-Richtlinien entspricht, also keine sehr intensive Bewirtschaftung. «Das bildet die Situation der Landwirtschaft mit Tierhaltung ab, wie es für die Schweiz typisch ist», sagt Forscher Jochen Mayer von der Agroscope.

Da diese DOK genannten Versuche möglichst praxisnah sein müssen, hat sich die Auswahl der Pflanzen seit dem Versuchsbeginn 1978 verändert. Hinzugekommen sind Silomais und Soja, nicht mehr auf dem Testacker sind Randen und Chabis. Untersucht werden sowohl die Produktivität als auch die Ökosystemleistungen, also die Wirkungen auf die Umwelt.

Deutliche Unterschiede bei den Erträgen

Bei den Erträgen sind die Resultate deutlich. «Wenn man die gesamten 47 Jahre zusammennimmt und über alle Kulturen hinweg die Erträge vergleicht, erreichen wir mit den beiden Bio-Verfahren etwa 85 Prozent der konventionellen Landwirtschaft», sagt Mayer. Sieht man sich die einzelnen Kulturen an, gibt es aber grosse Unterschiede. Bei den Pflanzen, die wichtig sind für die menschliche Ernährung, sind die Differenzen grösser. Bei Winterweizen werden lediglich 70 bis 75 Prozent erreicht, bei den Kartoffeln nur 65 Prozent vom konventionellen Ertrag.

Bei den Pflanzen für Tierfutter ist die Biobilanz besser. Beim Silomais und dem Kleegras erreicht man fast 90 Prozent. Bei Soja ist die Bilanz am besten, da gibt es keinen Unterschied zwischen dem Ertrag von Bio und Konventionell. Soja sind Hülsenfrüchte, die weniger abhängig von der Stickstoffzufuhr sind. Der Stickstoffeintrag macht somit den Hauptunterschied zwischen Bio und konventionellem Ertrag.

Eine Mischwiese wird geschnitten auf dem Areal des DOK-Versuchs der Forschungsinstitutionen Agroscope und FiBL (Forschungsinstitut fuer biologischen Landbau) in Therwil, am Mittwoch, 25. Juni 2025. Im ...
Eine Mischwiese wird geschnitten auf dem Areal des DOK-Versuchs in Therwil.Bild: keystone

Doch wie könnte man den biologischen Landbau gleich produktiv machen wie den konventionellen? Mit einer besseren Nutzung der Nährstoffkreisläufe, sagt Mayer. Das Biosystem wird durch den Stickstoffeintrag begrenzt, der Stickstoff darf aber nicht künstlich zugeführt werden, weil das die Böden überdüngt. Deswegen müssen Tierabfälle und Grünabfälle aus Haushalten als Dünger genutzt werden. Dazu auch Stickstoff und Phosphor aus dem Abwasser und Klärschlamm. Dieser könne so aufbereitet werden, dass er rein sei, also ohne PFAS und Schwermetalle.

«Ein weiterer Schritt wäre die Nutzung von menschlichen Ausscheidungen», sagt Mayer. Denn der Mensch scheidet grosse Mengen Stickstoff, Phosphor und Kalium aus. Der grösste Teil dieser Nährstoffe ist im Urin enthalten. Zur Nutzung des Urins gibt es bereits laufende Projekte, zum Beispiel des Wasserforschungsinstituts Eawag und der ETH. «Das hat ein riesiges Potenzial. Wir könnten die Erträge mit Urin hochkriegen, ohne künstliche Zufuhr von Stickstoff.»

Die beiden Bio-Verfahren unterscheiden sich nicht

Die DOK-Versuche zeigen auch, dass es keine Unterschiede gibt zwischen den beiden untersuchten Bioverfahren, also zwischen Demeter und Bio Suisse, was den Ertrag betrifft. Einzig bei den Kartoffeln gab es mit Demeter eine leicht bessere Ausbeute. «Das hängt damit zusammen, dass Demeter keine Kupferbehandlung zur Regulierung von Kraut- und Knollenfäule erlaubt», sagt Mayer. Kupfer hilft aber in Jahren mit schlechter Witterung.

Vorteile hat Bio bei allen Umweltparametern, zum Beispiel bei der Biodiversität bei Pflanzen und Bodentieren. Allerdings gebe es auch eine grosse Schnittmenge, was die Vorteile von Bio und konventionell auf die Bodengesundheit betreffe. «Aber in der Tendenz sind die Biobetriebe etwas besser als die konventionellen», sagt Mayer.

Sicher ist, dass die Kosten für Bio höher sind. Das hat nach Mayer zwei Gründe: Bio hat einerseits einen etwas höheren Aufwand für die Bewirtschaftung, zum Beispiel durch mechanische Unkrautbekämpfung, und ergibt andererseits kleinere Erträge. «Nimmt man das zusammen, sind 40 bis 50 Prozent Preisaufschlag für Bioprodukte gerechtfertigt», sagt Mayer. Je nach Bioprodukt ist das allerdings unterschiedlich

Zwar gebe es das Ziel, den Anteil von Bio weiter zu erhöhen. Für Mayer ist aber klar, dass parallel dazu die konventionellen Landwirtschaftssysteme noch weiter verbessert werden können. Vor allem den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könne man deutlich senken. In Zukunft zum Beispiel durch selbstfahrende Roboter, die auf dem Acker das Unkraut mechanisch bekämpfen. So könnte man auf 20 Prozent des heutigen Pestizideinsatzes gelangen. Zudem müssten resistente Pflanzen entwickelt werden und nachhaltigere Pestizide.

Ein für die Umwelt grosser Vorteil von Biolandbau ist, dass er klare Regeln für die Tierhaltung hat. Ein Biobauer darf nicht dreimal so viele Tiere halten, wie die Fläche ernähren kann. Sonst muss zu viel Futtermittel zugekauft werden, was in der Schweiz grosse Probleme mit der Stickstoff- sowie der Phosphorüberdüngung verursacht. Bio begrenzt die Tierhaltung selbst. «Wir werden sicherlich noch mehr Bio bekommen, aber es wird nie 100 Prozent Bio geben», sagt Mayer.

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Marktanteil: 44,3 Prozent; Umsatz 2017: 1199 Millionen Franken.
quelle: keystone / walter bieri
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