Schweiz
Bundesrat

Bund verzeichnet erstmals seit 2005 ein strukturelles Defizit

Bundesrat will Ausgabenwachstum in allen Bereichen drosseln

15.02.2023, 14:4515.02.2023, 16:55
Mehr «Schweiz»

Erstmals seit 2005 hat der Bund das vergangene Jahr mit einem höheren Defizit abgeschlossen, als konjunkturell zulässig wäre. Der Fehlbetrag beläuft sich auf 1,6 Milliarden Franken. Weil die Aussichten düster bleiben, muss gehandelt werden – laut dem Bundesrat überall.

«Ich kann Ihnen als neue Finanzministerin keinen Überschuss präsentieren, ganz im Gegenteil», sagte Karin Keller-Sutter am Mittwoch vor den Medien. Dem Bundesrat sei es aber gelungen, Massnahmen zu definieren, um den Weg zurück zu einem ausgeglichenen Budget zu finden.

Derzeit befinden sich die Bundesfinanzen in Schieflage. Neben den höher als budgetierten ausserordentlichen Ausgaben aufgrund der Corona-Pandemie (3,3 Milliarden Franken) und des Ukraine-Kriegs (0,7 Milliarden Franken) war das Minus 2022 auch im ordentlichen Haushalt viel höher als veranschlagt. Ein Grund waren deutlich tiefere Einnahmen aus der Verrechnungssteuer.

Alle Departemente gefordert

Das Finanzierungsdefizit betrug 2022 4,3 Milliarden Franken. Das belastet das sogenannte Ausgleichskonto. Da dieses aber einen positiven Stand von über 20 Milliarden Franken aufweist, kommt die Sanktionsregel der Schuldenbremse nicht zum Tragen, wonach ein Fehlbetrag in den Folgejahren mit Ausgabekürzungen kompensiert werden muss.

Trotzdem muss der Bundesrat das Ausgabenwachstum im kommenden Jahr drosseln. Die Ende Januar aktualisierten Haushaltszahlen zeigen für 2024 ein strukturelles Defizit von 2 Milliarden Franken, sagte Keller-Sutter. Die Einhaltung der Schuldenbremse sei zentral. «Unsere stabile Finanzpolitik hat uns erlaubt, verschiedene Krisen zu überstehen.»

Wie bereits Ende Januar bekannt wurde, sollen unter anderem der «Horizon Europe»-Pflichtbeitrag aus dem Budget gestrichen (0,6 Milliarden Franken), die Armeeausgaben weniger stark erhöht (0,6 Milliarden Franken) und Elektrofahrzeuge normal besteuert werden (0,2 Milliarden Franken). Das verbleibende Finanzierungsdefizit von knapp einer halben Milliarde Franken soll mit linearen Kürzungen von 2 Prozent bei den schwach gebundenen Ausgaben, die auch die Personalausgaben enthalten, beseitigt werden.

Ambitionierte Ziele

«Diese Massnahmen sind sicherlich schmerzhaft, aber notwendig», sagte Keller-Sutter. Insgesamt würden die ordentlichen Ausgaben des Bundes 2024 trotz dieser Bereinigungsmassnahmen um rund 3 Prozent wachsen.

Auch für die Folgejahre drohen dem Bund Milliardendefizite von je rund 3 Milliarden Franken. Deshalb sollen die schwach gebundenen Ausgaben (Bildung, Forschung, Sicherheit, Auslandbeziehungen, Landwirtschaft, Übriges) auch ab 2025 um 2 Prozent gekürzt werden. Das entspricht rund 500 Millionen Franken. Die Armee ist davon ausgenommen.

Im stark gebundenen Bereich (soziale Wohlfahrt, Finanzen und Steuern, Verkehr) hat sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, die Finanzpläne ab 2025 um 600 Millionen bis eine Milliarde Franken pro Jahr zu entlasten. Dazu will er in den nächsten Wochen verschiedene Massnahmen weiter vertiefen.

Fingerzeig ans Parlament

So soll ein Teil des Vermögens der Arbeitslosenversicherung zugunsten des Bundes genutzt werden. Diese Massnahme sei ohne Leistungsabbau möglich, so der Bundesrat. Auch die Einlage des Bundes in den Bahninfrastrukturfonds könnte gekürzt werden, ohne den Ausbau oder Betrieb der Bahninfrastruktur zu gefährden, da die Reserve des Fonds sehr hoch ist.

Die grösste Bundesausgabe bildet die AHV. Darum sollen laut dem Bundesrat auch in diesem Bereich Massnahmen geprüft werden. Im Vordergrund stehen hier Anpassungen bei der heutigen Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern, die nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ohnehin beseitigt werden muss.

«Wir haben ein Ausgabenproblem», wiederholte Keller-Sutter mehrmals. Es bestehe kein Spielraum für neue Ausgaben. Die Finanzministerin sprach verschiedene im Parlament hängige Reformprojekte an. Darunter ist der regionale Personenverkehr, der Ausbau der Prämienverbilligungen und der Bundesbeitrag an Kinderbetreuungskosten. «Das Parlament kennt nun die Ausgangslage und kann priorisieren», so Keller-Sutter. (rbu/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
46 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Wunderbar
15.02.2023 14:51registriert April 2019
"Ein Grund waren deutlich tiefere Einnahmen aus der Verrechnungssteuer"

Aber die bürgerliche Seite ist fleissig dran, die Verrechnungssteuer so gut als möglich abzuschaffen
538
Melden
Zum Kommentar
avatar
FamilyGuy
15.02.2023 18:39registriert März 2020
…. Ausgabenbremsen… wie wär es mit Übergewinn-Steuern für Firmen wie Glencore, die fantastische Gewinne mit der Energiekriese machen? Notabene mit Kohle…
427
Melden
Zum Kommentar
avatar
einmalquer
15.02.2023 20:35registriert Oktober 2017
Steuersenkungen für die grossen Unternehmen und die Reichen.

Und jetzt will man bei AHV, Witwenrenten, Bildung, Kitas, etc sparen.

Nach den grossen Einnahmen-Ausfällen wegen den Steuersenkungen sind jetzt angeblich die Ausgaben schuld.

Alles ganz normale FdP/SVP Politik.
358
Melden
Zum Kommentar
46
Stadtzürcher Parlament: FCZ und GC sollen nicht zusätzliche Sicherheitskosten bezahlen

Der Stadtzürcher Gemeinderat hat sich am Donnerstag für eine Signalanlage an der Langstrasse ausgesprochen, die rund eine Million Franken kostet. Den Fussballklubs FCZ und GC überwälzt er keine weiteren Kosten. Die rund 110 Anträge erledigte das Parlament in zwei Tagen.

Zur Story