Die Vereidigung von Elisabeth Baume-Schneider verlief alles andere als reibungslos. Missgeschick eins: Albert Rösti hob die Hand zu früh zum Eid. Baume-Schneider zog ihm den Arm blitzschnell nach unten.
Missgeschick zwei: Für ihre Rede hielt Baume-Schneider ein unvollständiges Manuskript in den Händen - es fehlte die Passage auf Italienisch und Romanisch. Sie hatte die letzte Skriptfassung nicht erhalten.
«Ich sollte hier zwei weitere Sätze haben: einen schönen für das Tessin und einen schönen für den Kanton Graubünden», sagte die Jurassierin - und versprach: «Das nächste Mal mache ich es besser.» Sie wandelte den Patzer zu ihrem Vorteil um - und erntete Heiterkeit.
Was sagen die Episoden über die neu gewählte Bundesrätin? Elisabeth Baume-Schneider steht für Teamwork und Authentizität. Mit ihr hat die Bundesversammlung eine Politikerin der neuen Generation in den Bundesrat gewählt. «Sie tritt so auf, wie es die Politik von morgen verlangt», sagt SP-Nationalrat Samuel Bendahan. Er lehrt an der Uni Lausanne Wirtschaftswissenschaften.
Das erstaunt. Baume-Schneider wird am 24. Dezember 59 Jahre alt. «Sie ist jung geblieben im Geist, kennt die modernen Management-Methoden», sagt Bendahan. «Sie ist kompetent, emotional und aufrichtig.» Sie höre zu, hole die Meinungen Beteiligter ab, wisse, dass man als Team besser aufgestellt sei, entscheide trotzdem, verwalte nicht nur.
Mit diesem Auftritt grenzt sich die neue Generation von der alten Garde ab. Deren Vertreter sind meist männlich, ergraut, sie geben sich stark, ändern ihre Meinung selten. Bendahan und Baume-Schneider haben als SP-Vizepräsidenten eng zusammengearbeitet. «Sie widerlegt das Vorurteil, Frauen in der Politik seien entweder kompetent oder sympathisch», sagt er. «Sie ist beides.»
Man darf sich aber vom jovialen Auftritt der Jurassierin nicht täuschen lassen. Geht es um die Arbeit, hat sie eine strenge Seite. Sie ist gut vorbereitet, gut strukturiert, kennt die Dossiers. Das habe sich in 13 Jahren als Regierungsrätin gezeigt, heisst es im Jura. Auch Mitglieder der Umweltkommission (Urek) des Ständerats bestätigen das.
Baume-Schneider habe das schwierige Jahr als Präsidentin der Urek mit Mantelerlass, Schutzschirm für Energiekonzerne und dringlichem Bundesgesetz für Solar-Grossanlagen «souverän gemeistert», sagt Mitte-Ständerat Othmar Reichmuth. «Auch ihr Humor blitzte immer wieder auf.»
Passt ihr etwas nicht, kann sie aber unangenehm werden. In der Urek forderte sie ab und zu Disziplin ein und setzte Ruhe durch, bestätigt Reichmuth. Aus dem Jura ist zu hören, sie sei Mitarbeitern gegenüber teilweise hart und autoritär aufgetreten, habe nicht immer den richtigen Ton gefunden.
Dass sie sich nicht verbiegen lassen will, demonstrierte sie an ihrer Medienkonferenz als neu gewähltes Regierungsmitglied. Ob sie als Bundesrätin auch so offen kommunizieren werde wie bisher, wurde sie gefragt. Bestimmt werde Bundesratssprecher André Simonazzi sie ändern wollen, konterte sie. «Doch ich werde alles tun, um zu bleiben, wer ich bin.»
Es ist die Authentizität und Liebe zu den Menschen, die sie zu einer zweiten Doris Leuthard werden lassen könnten. Andere sehen in ihr den «Ueli Maurer der Linken», weil sie sich nicht verbiegen lassen will. Allerdings dürfte sie die Schweiz weniger spalten, als es Maurer phasenweise tat.
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer und Co-Präsident Cédric Wermuth loben ihre «zupackende und bodenständige Art». Damit komme sie gut an bei den Menschen. Meyer und Wermuth: «Sie entspricht so gar nicht dem Klischee einer typischen Politikerin. Sie behandelt alle Menschen gleich. Das macht sie so sympathisch.»
Was kann sie im Amt erreichen? Sie dürfte mit Albert Rösti Zusammenarbeit und Atmosphäre im Bundesrat verbessern, glaubt FDP-Nationalrat Olivier Feller, der sie unterstützt hat. «Dann ist schon viel erreicht.» Baume-Schneiders jurassischer Mitstreiter Pierre-Alain Fridez denkt, dass sie die Schweiz «solidarischer und gerechter macht».
Gut eineinhalb Stunden nach der Vereidigung verlässt Baume-Schneider das Bundeshaus, je einen Schweiz- und Jura-Sticker am Revers. Sie wird von einem Meer von jurassischen Fahnen empfangen, schnappt sich eine Fahne, stimmt «La Rauracienne» an, die Hymne des Jura.
«Vereinigt euch, Söhne Raurakiens, und reicht einander die Hände», heisst es darin. Und: «Wenn der Feind unserer Unabhängigkeit / Sein Gesetz in unseren Tälern erzwingen will, / Dann soll ein jeder zum Kampf hervorspringen / Und die Verzagung beiseite schleudern. / Eines freien Volkes im Schosse Helvetiens / Zeigt uns unsere Vergangenheit den Weg.»
«Kämpfen müssen wir Jurassier nicht mehr», sagt Baume-Schneider an der Medienkonferenz. «Wir sind dabei - und wir arbeiten für die ganze und mit der ganzen Schweiz.»
Noch etwas ist ihr wichtig. «Sono molte felice di poter participare a costruire la Svizzera di domani» (Ich bin glücklich, die Schweiz der Zukunft mitbauen zu dürfen), sagt sie auf Italienisch. Und lächelt spitzbübisch: «Ich habe mich verbessert, nicht wahr?» (bzbasel.ch)
Reisserisch, negativ und himmelherrgott, lasst sie doch erstmal beginnen.
Beurteilen werde ich ihre Arbeit, ihr Auftreten, wenn sie Fakten schafft.
Diese Unkerei im Vorfeld nervt. Lasst die Leute doch in ihrem neuen Arbeitsumfeld ankommen und sich einarbeiten. Dann können wir konkret kritisieren - aber auch loben ...