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Bundesratswahl: So viel Macht haben die Departementschefs

So viel Macht haben die Departementschefs: Das sind ihre 6 wichtigsten Hebel

Die Departementsverteilung war im Bundesrat umstritten wie lange nicht mehr. Es ging dabei auch um die versteckte Macht der Magistraten.
09.12.2022, 12:3909.12.2022, 14:33
Stefan Bühler / ch media
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Die Spannung im Vorfeld der Departementsverteilung war riesig, das Konfliktpotenzial erheblich. Das ist nicht verwunderlich: Denn in ihren Departementen haben die Regierungsmitglieder grosse Gestaltungsmacht.

Albert Rösti und Elisabeth Schneider-Baume.
Neu im Bundesrat: Elisabeth Baume-Schneider und Albert Rösti. Bild: keystone/shutterstock/watson

Und diese können sie nach ihrem parteipolitischen Gusto nutzen. Nachfolgend, gestützt auf Gespräche im Umfeld des Bundesrats, ein Überblick über die sechs wichtigsten Macht-Faktoren:

Personalpolitik: Vertraute auf Chefposten hieven

Mit der Besetzung von Spitzenposten in Bundesämtern, staatsnahen Betrieben und Staatssekretariaten kann ein Bundesratsmitglied sein Departement auf lange Sicht in eine politische Richtung steuern, über seine Amtszeit hinaus.

So installierte SP-Bundesrat Alain Berset alt SP-Nationalrat Stéphane Rossini als Chef des Bundesamts für Sozialversicherungen, Simonetta Sommaruga bereitete dem ehemaligen SP-Präsidenten Christian Levrat den Weg zum Post-Präsidium.

Die Methode ist auch bei anderen Parteien verbreitet: Pascal Couchepin setzte kurz vor dem Rücktritt seinen Generalsekretär Pascal Strupler als Chef des Bundesamts für Gesundheit ein. Zwar sind das jeweils Entscheide des Gesamtbundesrats, doch in der Regel herrscht gegenseitiges Stillhalten: Man lässt die Kollegen gewähren, in Erwartung, bei nächster Gelegenheit das Gleiche selbst machen zu können.

Weisungsbefugnis: Den Trott der Verwaltung brechen

Wer neu ein Departement übernimmt, stösst dort folglich oft auf Vertraute der Vorgänger. Um sich gegen diese Verwaltungsmacht durchsetzen zu können, gibt das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz den Magistratspersonen ein griffiges Instrument in die Hand: Sie verfügen «grundsätzlich über uneingeschränkte Weisungs-, Kontroll- und Selbsteintrittsrechte» im Departement, heisst es dort.

Mit Sachkompetenz und politischem Mut sei es für Bundesrätinnen und Bundesräte möglich, den Trott der Verwaltung, die erfahrungsgemäss «Risiko-avers» sei, zu brechen und nach den eigenen politischen Vorstellungen zu beeinflussen, sagt eine Insiderin dazu.

Informationsvorsprung: Insiderwissen ins eigene Netzwerk speisen

Das Wissen und die Fachkompetenz aus den eigenen Ämtern sichern dem Departementschef einen riesigen Informationsvorsprung gegenüber dem Regierungskollegium.

Was in eine Informationsnotiz zu Handen der Bundesratssitzung einfliesst, wie Argumente in Grundlagenpapieren präsentiert und gewichtet werden – das liegt weitgehend in der Hand des Fachministers. «Die Fachkompetenz eines Departements können die anderen Regierungsmitglieder nie aus eigener Kraft kompensieren», heisst es im Bundeshaus, «sie sind darauf angewiesen, dass sie die relevanten Informationen erhalten, um informierte Entscheide fällen zu können.»

Eine besondere Rolle haben in diesem Zusammenhang zwei Ämter: das Bundesamt für Justiz im EJPD und die Finanzverwaltung im Finanzdepartement. Diese reden fast immer mit, wenn es um rechtliche oder finanzielle Angelegenheiten geht – und sie erhalten dadurch früh und vertieft Einblick in alle diese Geschäfte. «Kaum ein Departement macht so viele Mitberichte zu Handen des Bundesrats, wie das EFD», sagt ein erfahrener Bundesbeamter. In Mitberichten werden Änderungen an Geschäften von Regierungskollegen vorgeschlagen – meist ging es Ueli Maurer als Finanzminister darum, weniger Geld auszugeben.

Vom Informationsvorsprung eines Departementschefs profitieren selbstredend auch die Parteien: Die Parlamentarier einer Partei haben oft privilegierten Zugang zu Infos aus dem Departement ihrer Bundesräte; Vorstösse und Voten in den Ratsdebatten können so vorbesprochen und koordiniert werden – unterfüttert mit Daten aus den Bundesämtern. Dieses Zusammenspiel ist auch für die Arbeit in den Kommissionen von grosser Bedeutung: Harmonieren Bundesräte mit ihren Fraktionen, potenziert das ihren Einfluss auf die Geschäfte in ihrer Zuständigkeit.

Themen setzen und die Agenda bestimmen

Gerne wird kolportiert, wie Simonetta Sommaruga aus eigener Initiative als Justizministerin die Frage der Geschlechterquote in Verwaltungsräten in die laufende Revision des Aktienrechts einwob – und sie letztlich durchbrachte. Ein Erfolg für die Gleichstellungspolitikerin, auf den sie bei ihrem Rücktritt stolz hinwies. Geschickt auch, wie sie mit der Einberufung eines runden Tischs die Debatte über den Ausbau der Wasserkraft in die von ihr gewünschten Bahnen lenkte, lange bevor Bundesrat und Parlament darüber diskutieren konnten: In einer Vereinbarung der Strombranche mit Umweltverbänden wurden 15 Projekte festgelegt – ein Deal, der den Parteien und dem Parlament als praktisch unkündbar verkauft wurde.

Gerne werden Geschäfte aber auch verschleppt: Seit über einem Jahr prüft das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin zum Beispiel die Frage, ob die Schweiz zukünftig sogenannte thematische Sanktionen der EU übernehmen soll. Diese richten sich auch gegen Chinas Umgang mit den Uiguren. Parmelin und seine SVP – sowie inzwischen auch der Ständerat – sind skeptisch. Also steht der Wirtschaftsminister auf die Bremse.

Kommunikation: Amtliche Spindoctors seifen Medien ein

Von grosser Bedeutung für die Bundesrätinnen und Bundesräte ist die weitgehende Kommunikationshoheit über ihre Dossiers: Zu den Finanzen gibt in der Regel nur der Finanzminister Interviews, zur Landwirtschaft der Landwirtschaftsminister und zur Aussenpolitik der Aussenminister. Das heisst auch: Sie selber bestimmen, wann sie Interviews geben, welche Botschaft sie dort platzieren. Unterstützt werden sie dabei von vielköpfigen Medienabteilungen mit Kommunikationschefs, die bei den wichtigsten Sitzungen der Departementsspitze meist mit am Tisch sitzen.

Aus dem Umfeld dieser Spindoctors gelangen nicht selten Indiskretionen an einzelne Medien, um einer Debatte eine erwünschte Wendung zu geben oder schon vor einer Bundesratssitzung Druck auf die übrigen sechs Regierungsmitglieder aufzubauen. Das zeigte sich regelmässig bei den Beschlüssen zur Covid-Pandemie.

Eigene Ideologie in Verordnungen und Leistungsaufträge einpflanzen

In den Verordnungen werden Gesetze, die meist generell formuliert sind, konkret umgesetzt: Hier wird im Detail bestimmt, wie etwa auf einer Baustelle die Sicherheit gewährleistet werden muss, oder für welche Leistung die Bauern wie viel an Direktzahlungen erhalten. Bei der Festlegung der Details hat die Magistratsperson durchaus Spielraum, den sie in ihrem Sinn nutzen kann: Zwar werden Verordnungen durch den Gesamtbundesrat genehmigt, doch gilt hier wie bei der Personalpolitik: Man mischt sich möglichst wenig in die Angelegenheiten der Kollegen ein, damit diese einen später auch gewähren lassen.

Nicht möglich ist dies freilich bei den politischen Vorgaben für die staatsnahen Betriebe: Dass die Swisscom eine flächendeckende Grundversorgung aus eigener Kraft anbieten muss, wie die SBB die Bahninfrastruktur erhalten soll, oder dass die Post die Zahl der Poststellen «stabilisiert», das haben Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga aufgrund der rechtlichen Vorgaben stets gemeinsam dem Bundesrat vorgeschlagen. Die Vorsteherin des Uvek aus der SP und der SVP-Finanzminister mussten also stets einen Kompromiss aushandeln.

Künftig werden mit FDP-Frau Karin Keller-Sutter und SVP-Neobundesrat Albert Rösti zwei Bürgerliche bestimmen, auf welchem Standard der Service public sichergestellt werden soll. Gut möglich, dass stärker marktwirtschaftliche und weniger soziale oder gleichstellungspolitische Vorgaben in diese Papiere einfliessen. Es ist auch dieses Szenario, weshalb Linke und Grüne den Umweltminister Rösti fürchten.

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15 Kommentare
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Pulmoll
09.12.2022 13:51registriert Mai 2021
Merci für diese Übersicht. In einigen Monaten können wir dann anhand dieser sechs Punkte analysieren wie Ölbaron Rösti alle Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels verlangsamt.
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