Alle vier Jahre zum Auftakt einer neuen Legislaturperiode muss der Bundesrat zur Gesamterneuerungswahl antraben. Am nächsten Mittwoch ist es wieder so weit. Alain Berset (SP), der zwölf Jahre lang das Innendepartement geleitet hat, tritt nicht mehr an. Seine bisherigen Kolleginnen und Kollegen hingegen wollen es nochmals wissen.
Die Wahl erfolgt nach dem Anciennitätsprinzip. Das amtsälteste Mitglied muss sich zuerst der Bundesversammlung stellen, während die Berset-Nachfolge ganz am Schluss geregelt wird. Trotz Geraune und Geschimpfe dürfte es einen ruhigen Ablauf geben, auch wenn eine Überraschung nicht auszuschliessen ist. Doch niemand hat Interesse an einem Chaos.
Die Bisherigen dürften somit wiedergewählt werden, obwohl der Bundesrat während der diversen Krisen der letzten Jahre nicht immer auf der Höhe seiner Aufgabe war. Wir ziehen Bilanz, beurteilen ihren Formstand und wagen ein paar Spekulationen, wann die nächsten Rücktritte fällig werden könnten. Und wer für einen Departementswechsel infrage kommt.
Der Waadtländer holte vor acht Jahren den zweiten Bundesratssitz für die SVP zurück. Seither ist er unauffällig geblieben. Irritierend wirkt seine Passivität im Europadossier, denn mit Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) leitet er das eigentliche Schlüsseldepartement. Dies dürfte seiner Parteizugehörigkeit geschuldet sein. Ein Wechsel ist für Parmelin, dem der Rücken zu schaffen macht, dennoch kein Thema. Vielmehr wird über einen baldigen Rücktritt spekuliert. Die Frage lautet: Will er 2026 ein zweites Mal Bundespräsident werden? Falls nicht, ist ein Rücktritt auf Ende des nächsten Jahres wahrscheinlich.
Die Grünen greifen den Sitz des Aussenministers an. Sie werden scheitern, doch kein Bundesrat steht stärker in der Kritik als der Tessiner Freisinnige. Er sei auch nach sechs Jahren nicht wirklich in der Landesregierung angekommen, heisst es. Andere Stimmen diagnostizieren bei ihm eine zunehmende Amtsmüdigkeit. Die unter Druck stehende FDP würde es wohl gerne sehen, wenn er weitere vier Jahre bleibt. Vielleicht sucht der ehemalige Kantonsarzt den «Befreiungsschlag» mit dem von der SVP angeregten Wechsel ins Innendepartement. Der Neustart in der Europapolitik könnte ihm den willkommenen Vorwand liefern. Auch bei Cassis stellt sich die Frage eines zweiten Präsidialjahres. Er wäre 2027 an der Reihe, oder bei einem vorzeitigen Parmelin-Rücktritt ein Jahr früher.
Anders als Alain Berset vor einem Jahr dürfte die Oberwalliserin mit einem Glanzresultat zur Bundespräsidentin für 2024 gewählt werden. Das VBS, das die Mitte-Politikerin vor fünf Jahren wider Willen übernehmen musste, hat mit dem Ukraine-Krieg stark an Bedeutung gewonnen. Nicht immer machte Amherd eine glückliche Figur, doch sie spürt den Druck des Auslands wegen der verweigerten Weitergabe von Waffen stärker als die anderen Mitglieder des Bundesrats. In den nächsten Jahren darf sie mit mehr Geld für die Armee rechnen. Ein Departementswechsel ist möglich, aber wenig wahrscheinlich. Wenn schon, dann hätte sie sich vor einem Jahr das UVEK unter den Nagel reissen können. Vielmehr wird spekuliert, sie könnte bald abtreten, vielleicht schon auf Ende des Präsidialjahres.
Das muss man als Mitglied der Schweizer Landesregierung erst einmal fertigbringen: Vom britischen Wirtschaftsblatt «Financial Times» wurde die Finanzministerin zu einer der 25 einflussreichsten Frauen des Jahres gekürt. Mit der per Notrecht verordneten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat die St.Gallerin vermutlich eine weltweite Finanzkrise verhindert. Keller-Sutter gilt ohnehin als «starke Frau» im Bundesrat. Doch nun drohen schwierige Zeiten. Es zeichnen sich harte Verteilkämpfe um die Bundesfinanzen ab. Selbst Bürgerliche rütteln an der vermeintlich sakrosankten Schuldenbremse. Dennoch dürfte KKS – Unvorhergesehenes ausgenommen – die gesamte Legislaturperiode im Amt verbleiben.
Seit einem Jahr leitet der ehemalige Auto- und Erdöl-Lobbyist das Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement UVEK. Und hat dabei die Befürchtungen der Kritiker eher bestätigt. Zwar brachte Rösti das Klimaschutzgesetz durch die Volksabstimmung, ohne seiner SVP allzu sehr auf die Füsse zu treten. Und beim Energie-Mantelerlass trug er dazu bei, eine Vorlage zu zimmern, die eine Referendums-Abstimmung überstehen dürfte. Doch unter seiner Ägide wurde auch der Ausbau der Autobahnen und der grossflächige Abschuss von Wölfen beschlossen. Einer Aufhebung des AKW-Bauverbots steht er ebenfalls offen gegenüber. Rösti muss mit einigen linksgrünen Denkzettel-Stimmen rechnen.
Manche fragen sich bis heute, wie die Jurassierin vor einem Jahr die Wahl gegen die klare Favoritin Eva Herzog schaffen konnte. Die Bauern spielten eine Rolle, doch auch die FDP soll – warum auch immer – zu ihrer Wahl aufgerufen haben. Das Image einer «Zufalls-Bundesrätin» konnte die Sozialdemokratin bislang nicht abstreifen. Im ihr fremden Justizdepartement tut sie sich schwer. In der Asylpolitik steht sie unter Dauerbeschuss der Rechtsbürgerlichen. Nun wird das Departement des Innern frei. Es könnte die ehemalige Sozialarbeiterin reizen. Ein Wechsel nach nur einem Jahr wäre nicht die feine Art, ist aber nicht ausgeschlossen.