Schweiz
Analyse

Bundesratswahl: Das taugen die Geheimpläne wirklich

Die Bundesratskandidaten Beat Jans, Regierungspraesident Basel-Stadt, vorne, und Jon Pult, Nationalrat SP-GR, hinten, geben nach den Hearings Interviews in der Wandelhalle des Nationalrats, am Diensta ...
Beat Jans (r.) und Jon Pult äusserten sich nach den Hearings vom Dienstag vor den Medien. Und sagten kaum etwas.Bild: keystone
Analyse

«Geheimpläne» für den Bundesrat: Die grosse Zeit der Wichtigtuer

Rund um die Bundesratswahl kursieren teilweise abstruse Geheimpläne. Faktisch läuft es auf Beat Jans oder Jon Pult hinaus. Denn selbst die SVP hat kein Interesse an einer Chaos-Wahl.
06.12.2023, 16:3206.12.2023, 17:15
Mehr «Schweiz»

Der Samichlaus hielt am Dienstag Einzug ins Bundeshaus, samt Blackfacing-Schmutzlis. Anlass war ein Empfang des Kantons Freiburg (der heilige Nikolaus ist der Schutzpatron des Hauptorts) mit kulinarischen Leckereien. Anwesend war die Freiburger Politprominenz, darunter der scheidende Bundesrat Alain Berset und Post-Präsident Christian Levrat.

Im Fondue moitié-moitié rührte auch Gerhard Andrey, der Sprengkandidat der Grünen bei der Bundesratswahl am nächsten Mittwoch. Seine Chancen, der FDP einen Sitz abzujagen – den von Ignazio Cassis –, liegen nahe beim Nullpunkt. Die Bürgerlichen wollen ihm keine Anhörung gewähren. Andrey musste sich am Dienstag mit der GLP begnügen.

Bundesratskandidat Beat Jans, Regierungspraesident Basel-Stadt, liest vor einem Korb mit Basler Laeckerli in seinen Unterlagen, vor Beginn der Hearings der Bundesratskandidaten bei der Konferenz baeue ...
Beat Jans warb am Montag mit Läckerli um die Stimmen der bäuerlichen Parlamentarier.Bild: keystone

Für Beat Jans und Jon Pult, die offiziellen Kandidaten der SP für die Berset-Nachfolge, verlief der Tag wesentlich anstrengender. Sie mussten einen eigentlichen Super Tuesday absolvieren, mit Hearings bei gleich vier Fraktionen: SVP, FDP, Grüne und Grünliberale. Nach diesem «Marathon» liessen sie sich an der Samichlaus-Party nicht mehr blicken.

Jans hat die Nase vorn

Oberflächlich betrachtet bleibt das Rennen offen. Keine der Parteien wollte sich auf einen Namen festlegen. Auch die beiden Kandidaten hielten sich vor den Medien bedeckt. Derzeit scheint Jans die Nase vorn zu haben. Der Basler wirkt sympathischer, und sein Alter (er ist fast 60) gilt eher als Vorteil. Er dürfte kein Langzeit-Bundesrat wie Alain Berset werden.

Schon am Montag bei der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier scheint Beat Jans entgegen seinem Image als «Bauernschreck» gepunktet zu haben, und das nicht wegen den mitgebrachten Läckerli. Es lag auch an Jon Pult, dem eine Kampagne der von ihm mitgeführten Kommunikationsagentur Feinheit angekreidet wurde.

Bizarre SVP-Klage

Die «NZZ am Sonntag» hatte darüber – welch seltsamer Zufall – einen Tag vor dem Bauern-Hearing berichtet. Die Kampagne «Agrarlobby stoppen!» hatte die Landwirtschaft nachhaltig verärgert, und Pult konnte sich offenbar mehr schlecht als recht verteidigen. Wirklich überzeugt ist die Bauern-Fraktion jedoch von keinem der beiden SP-Kandidaten.

Bundesratskandidat Jon Pult, Nationalrat SP-GR, rechts, gefolgt von Severin Meier, politischer Fachrefent der SP, erscheint zum Hearing vor der Fraktion der GLP, am Rand der Herbstsession der Eidgenoe ...
Jon Pult auf dem Hearing-Marathon am Super Tuesday.Bild: keystone

Das trifft auf einige bürgerliche Parlamentarier zu, vor allem aus der SVP. Von dort hört man Klagen, Jans und Pult seien «politische Zwillinge». Das wirkt bizarr, denn gerade die SVP pflegt ihre Gefolgsleute regelrecht auf Linientreue einzupeitschen. Dennoch kursieren in den Medien «Geheimpläne» zur Wahl eines «wilden» Kandidaten, etwa Daniel Jositsch.

Geheimpläne, die keine (mehr) sind

Ernst nehmen kann man sie kaum. Teilweise sind sie einfach abstrus. Und ein Geheimplan, der publik wird, ist eigentlich «tot». Die Blocher-Abwahl 2007 war ein Meisterstück der politischen Intrige, weil die kleine Gruppe der «Verschwörer» von SP, CVP und Grünen alles tat, um den «Schlachtplan» mit Eveline Widmer-Schlumpf zu verheimlichen.

Nun werden Ideen aus der Kategorie Polit-Kabarett ventiliert, etwa dass Bürgerliche bei der Cassis-Wiederwahl für Gerhard Andrey stimmen und die Schuld der SP in die Schuhe schieben sollen. Bundesratswahlen sind halt die grosse Zeit von – auch anonymen – Wichtigtuern, die genau wissen, dass manche Medien ihren Schmus gerne wiederkäuen.

Blochers seltsames Spiel

Zu ihnen gehört der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer, der via «Weltwoche» die letztes Jahr gescheiterte Ständerätin Eva Herzog als Sprengkandidatin ins Spiel brachte. Es ist immerhin eine kreative Idee, die der SP Kopfschmerzen bereiten könnte. Auch SVP-Altmeister Christoph Blocher erklärte das offizielle Kandidatenduo für unwählbar.

Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher, anlaesslich der 1. Mitgliederversammlung von Pro Schweiz, am Samstag 3. Juni 2023, in Bern. (KEYSTONE /Marcel Bieri)
Christoph Blochers Angriff auf das SP-Duo stösst selbst in der SVP auf wenig Resonanz.Bild: keystone

Auf Teleblocher forderte er die Bürgerlichen dazu auf, einen dritten Kandidaten der SP zu wählen. Er erinnerte an Willi Ritschard und Otto Stich, die gegen den Willen der SP gewählt und fast zu Ikonen der Partei wurden. Blocher trifft einen wunden Punkt: Es ist fragwürdig, dass sich die Bundesversammlung zuletzt stets an die offiziellen Tickets hielt.

Gefahr einer Retourkutsche

Doch dazu hat niemand so stark beigetragen wie Christoph Blocher selbst. Und das nicht wegen der nach seiner Abwahl beschlossenen Rauswurf-Klausel im Fall einer wilden Wahl. Die Welt hat sich seit Ritschard und Stich verändert. Damals gab es einen Bürgerblock, der die SP vor sich hertreiben konnte. Heute ist die Politik viel labiler und unberechenbarer.

Das liegt vor allem an Blocher, wie Mitte-Präsident Gerhard Pfister in einem viel beachteten NZZ-Interview erklärt hatte. Er habe «den Bürgerblock gesprengt», indem er die SVP in eine rechte Protestbewegung verwandelt habe. Das erschwert die Bildung von Allianzen, auch bei Bundesratswahlen, und erhöht die Gefahr einer Retourkutsche.

«Keine Zeit für Spiele»

Gerade die SVP muss einiges befürchten, etwa bei der Nachfolge von Guy Parmelin. Es gibt bei Mitte und FDP viele, die der SVP noch so gerne eins auswischen würden. Gewichtige Stimmen stellen sich deshalb gegen Blocher, etwa Fraktionschef Thomas Aeschi. «Jetzt ist keine Zeit für Spiele», sagte die St.Galler Ständerätin Esther Friedli gegenüber Tamedia.

Am Ende dürfte die SVP-Fraktion zähneknirschend Jans oder Pult wählen, ein paar Proteststimmen für Daniel Jositsch ausgenommen. Auch die FDP liess am Dienstag durchblicken, dass sie das SP-Ticket respektieren will, wenn zuvor Ignazio Cassis wiedergewählt wird. Das Hearing bei der Mitte wird erst am nächsten Dienstag stattfinden.

Letztes Jahr als Warnung

An der SP-Spitze gibt man sich demonstrativ gelassen. Eine echte Dynamik für eine wilde Kandidatur sei nicht erkennbar, heisst es im informellen Gespräch. Ausschliessen mag man eine Überraschung nicht, doch eine Woche vor der Wahl sieht es so aus, als ob Cassis im Amt bestätigt und der neue SP-Bundesrat Beat Jans oder Jon Pult heissen wird.

Im Vorteil scheint wie erwähnt der Basler Regierungspräsident zu sein, doch festlegen mag sich unter der Bundeshauskuppel kaum jemand. Zu frisch ist die Erinnerung an das letzte Jahr, als Elisabeth Baume-Schneider nicht zuletzt dank bäuerlichem Support alle Prognosen über den Haufen warf. Auch deshalb bleibt es spannend bis zuletzt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
1 / 8
Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
Evi Allemann, Berner Regierungsrätin, kandidiert bereits das zweite Mal. Sie wollte bereits 2022 als Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga kandidieren, landete jedoch nicht auf dem Wahlvorschlag der SP. Allemann erreichte den dritten Platz und wurde nicht nominiert. Die ausgebildete Juristin hat zwei Kinder.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Hier verkündet Berset seinen Abgang aus dem Bundesrat
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
61 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
B-M
06.12.2023 17:07registriert Februar 2021
Pult wäre dem Bauernhearing besser ferngeblieben und hätte in letzter Minute ausrichten lassen, dass sein Zeitplan keine Hearings vor Gruppen zulassen, die gerade mal 4% der Erwerbstätigen repräsentieren, welche ihrerseits nur 1% des BIP ausmachen.
13332
Melden
Zum Kommentar
avatar
Leader
06.12.2023 20:03registriert September 2018
Immer wieder schön und auch spannend zu beobachten wie sich die Bauernvertreter wie Landvögte aufspielen, andere mit Verschwörungstheorien prahlen, um nach der BR Wahl das zu tun was ihnen wichtig ist:
Sich als Interessenvetreter und nicht als Volksvetreter zu profilieren.
546
Melden
Zum Kommentar
avatar
Glungge-Bur
06.12.2023 19:07registriert November 2022
Im Prinzip ist es egal ob Herr Jans oder Herr Pult gewählt wird! Wichtig ist vor allem dass der neu gewählte Bundesrat (oder Bundesrätein?!) auch die Interessen des "einfachen Bürgers oder der einfachen Bürgerin" in allen sozialen Bereichen wahrnimmt! - In diesem Sinne erinnere ich gerne auf den "Sozialdemokrat alt Bundesrat Willy Ritschart sel." hin! Ein glaubwürdiger Bundesrat "eine Vaterfigur - ein Landesvater"!!
343
Melden
Zum Kommentar
61
Untersuchung entlastet UNRWA: Verändert sich so alles? Ein Überblick
Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA sei von Hamas-Terroristen infiltriert, behauptete Israel im Januar. Viele Staaten, auch die Schweiz, setzten ihre Hilfszahlungen daraufhin aus. Nun hat eine unabhängige Untersuchung keine Belege für Israels Anschuldigungen finden können. Was bedeutet dieses Resultat? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Anfang Jahr forderte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass die Vereinten Nationen (UN) das Mandat des Palästinenserhilfswerks UNRWA beendet. Gemäss Israel sei die Organisation von Hamas-Terroristen unterwandert. Ihr Geheimdienst habe Belege, die beweisen würden, dass zwölf UNRWA-Mitarbeitenden sich aktiv am terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt zu haben.

Zur Story