Der Samichlaus hielt am Dienstag Einzug ins Bundeshaus, samt Blackfacing-Schmutzlis. Anlass war ein Empfang des Kantons Freiburg (der heilige Nikolaus ist der Schutzpatron des Hauptorts) mit kulinarischen Leckereien. Anwesend war die Freiburger Politprominenz, darunter der scheidende Bundesrat Alain Berset und Post-Präsident Christian Levrat.
Im Fondue moitié-moitié rührte auch Gerhard Andrey, der Sprengkandidat der Grünen bei der Bundesratswahl am nächsten Mittwoch. Seine Chancen, der FDP einen Sitz abzujagen – den von Ignazio Cassis –, liegen nahe beim Nullpunkt. Die Bürgerlichen wollen ihm keine Anhörung gewähren. Andrey musste sich am Dienstag mit der GLP begnügen.
Für Beat Jans und Jon Pult, die offiziellen Kandidaten der SP für die Berset-Nachfolge, verlief der Tag wesentlich anstrengender. Sie mussten einen eigentlichen Super Tuesday absolvieren, mit Hearings bei gleich vier Fraktionen: SVP, FDP, Grüne und Grünliberale. Nach diesem «Marathon» liessen sie sich an der Samichlaus-Party nicht mehr blicken.
Oberflächlich betrachtet bleibt das Rennen offen. Keine der Parteien wollte sich auf einen Namen festlegen. Auch die beiden Kandidaten hielten sich vor den Medien bedeckt. Derzeit scheint Jans die Nase vorn zu haben. Der Basler wirkt sympathischer, und sein Alter (er ist fast 60) gilt eher als Vorteil. Er dürfte kein Langzeit-Bundesrat wie Alain Berset werden.
Schon am Montag bei der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier scheint Beat Jans entgegen seinem Image als «Bauernschreck» gepunktet zu haben, und das nicht wegen den mitgebrachten Läckerli. Es lag auch an Jon Pult, dem eine Kampagne der von ihm mitgeführten Kommunikationsagentur Feinheit angekreidet wurde.
Die «NZZ am Sonntag» hatte darüber – welch seltsamer Zufall – einen Tag vor dem Bauern-Hearing berichtet. Die Kampagne «Agrarlobby stoppen!» hatte die Landwirtschaft nachhaltig verärgert, und Pult konnte sich offenbar mehr schlecht als recht verteidigen. Wirklich überzeugt ist die Bauern-Fraktion jedoch von keinem der beiden SP-Kandidaten.
Das trifft auf einige bürgerliche Parlamentarier zu, vor allem aus der SVP. Von dort hört man Klagen, Jans und Pult seien «politische Zwillinge». Das wirkt bizarr, denn gerade die SVP pflegt ihre Gefolgsleute regelrecht auf Linientreue einzupeitschen. Dennoch kursieren in den Medien «Geheimpläne» zur Wahl eines «wilden» Kandidaten, etwa Daniel Jositsch.
Ernst nehmen kann man sie kaum. Teilweise sind sie einfach abstrus. Und ein Geheimplan, der publik wird, ist eigentlich «tot». Die Blocher-Abwahl 2007 war ein Meisterstück der politischen Intrige, weil die kleine Gruppe der «Verschwörer» von SP, CVP und Grünen alles tat, um den «Schlachtplan» mit Eveline Widmer-Schlumpf zu verheimlichen.
Nun werden Ideen aus der Kategorie Polit-Kabarett ventiliert, etwa dass Bürgerliche bei der Cassis-Wiederwahl für Gerhard Andrey stimmen und die Schuld der SP in die Schuhe schieben sollen. Bundesratswahlen sind halt die grosse Zeit von – auch anonymen – Wichtigtuern, die genau wissen, dass manche Medien ihren Schmus gerne wiederkäuen.
Zu ihnen gehört der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer, der via «Weltwoche» die letztes Jahr gescheiterte Ständerätin Eva Herzog als Sprengkandidatin ins Spiel brachte. Es ist immerhin eine kreative Idee, die der SP Kopfschmerzen bereiten könnte. Auch SVP-Altmeister Christoph Blocher erklärte das offizielle Kandidatenduo für unwählbar.
Auf Teleblocher forderte er die Bürgerlichen dazu auf, einen dritten Kandidaten der SP zu wählen. Er erinnerte an Willi Ritschard und Otto Stich, die gegen den Willen der SP gewählt und fast zu Ikonen der Partei wurden. Blocher trifft einen wunden Punkt: Es ist fragwürdig, dass sich die Bundesversammlung zuletzt stets an die offiziellen Tickets hielt.
Doch dazu hat niemand so stark beigetragen wie Christoph Blocher selbst. Und das nicht wegen der nach seiner Abwahl beschlossenen Rauswurf-Klausel im Fall einer wilden Wahl. Die Welt hat sich seit Ritschard und Stich verändert. Damals gab es einen Bürgerblock, der die SP vor sich hertreiben konnte. Heute ist die Politik viel labiler und unberechenbarer.
Das liegt vor allem an Blocher, wie Mitte-Präsident Gerhard Pfister in einem viel beachteten NZZ-Interview erklärt hatte. Er habe «den Bürgerblock gesprengt», indem er die SVP in eine rechte Protestbewegung verwandelt habe. Das erschwert die Bildung von Allianzen, auch bei Bundesratswahlen, und erhöht die Gefahr einer Retourkutsche.
Gerade die SVP muss einiges befürchten, etwa bei der Nachfolge von Guy Parmelin. Es gibt bei Mitte und FDP viele, die der SVP noch so gerne eins auswischen würden. Gewichtige Stimmen stellen sich deshalb gegen Blocher, etwa Fraktionschef Thomas Aeschi. «Jetzt ist keine Zeit für Spiele», sagte die St.Galler Ständerätin Esther Friedli gegenüber Tamedia.
Am Ende dürfte die SVP-Fraktion zähneknirschend Jans oder Pult wählen, ein paar Proteststimmen für Daniel Jositsch ausgenommen. Auch die FDP liess am Dienstag durchblicken, dass sie das SP-Ticket respektieren will, wenn zuvor Ignazio Cassis wiedergewählt wird. Das Hearing bei der Mitte wird erst am nächsten Dienstag stattfinden.
An der SP-Spitze gibt man sich demonstrativ gelassen. Eine echte Dynamik für eine wilde Kandidatur sei nicht erkennbar, heisst es im informellen Gespräch. Ausschliessen mag man eine Überraschung nicht, doch eine Woche vor der Wahl sieht es so aus, als ob Cassis im Amt bestätigt und der neue SP-Bundesrat Beat Jans oder Jon Pult heissen wird.
Im Vorteil scheint wie erwähnt der Basler Regierungspräsident zu sein, doch festlegen mag sich unter der Bundeshauskuppel kaum jemand. Zu frisch ist die Erinnerung an das letzte Jahr, als Elisabeth Baume-Schneider nicht zuletzt dank bäuerlichem Support alle Prognosen über den Haufen warf. Auch deshalb bleibt es spannend bis zuletzt.
Sich als Interessenvetreter und nicht als Volksvetreter zu profilieren.