Es ist eine stattliche Anzahl von Leuten, die am Donnerstag um 16.15 Uhr im Bundeshaus Ost zusammenfindet. Eine zwölfköpfige Delegation aus dem Berner Oberland hatte sich aufgemacht, um sich mit Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte) zu treffen. Es sind mehrheitlich Gemeindepräsidenten aus dem Haslital, sekundiert von Evi Allemann (SP), der Berner Regierungspräsidentin. Amherd wiederum weiss Oberst im Generalstab Marc Studer an ihrer Seite, dazu den Chefbeamten Bruno Locher und Bernhard Berset. Letzterer leitet das Projekt «Neues Kampfflugzeug» im Verteidigungsdepartement.
Seit Monaten schwelt Unmut im Haslital. Der Grund ist der neue Kampfjet vom Typ F-35: Er sei wesentlich lauter als seine Vorgängermodelle, sagen Anwohner, die den Flieger bereits einmal auf dem Militärflugplatz Meiringen haben abheben sehen.
Das VBS hingegen stellt sich auf den Standpunkt, im Schnitt werde die Lärmbelastung kaum steigen. Der Flieger sei zwar minim lauter, dafür würden aber die Flugbewegungen abnehmen. Die Fronten sind verhärtet, doch nun kommt neue Dynamik in den Konflikt.
Vor rund zwei Wochen haben sich die Gemeindepräsidenten von Brienz, Meiringen und anderen betroffenen Dörfern mit Evi Allemann getroffen. Eingefädelt hat das die Berner SP-Nationalrätin Ursula Zybach, deren Vater bereits als Waffenmechaniker am Militärflugplatz gearbeitet hatte. Sie war es auch, die Mitte Juli ein Treffen zwischen Vertretern der Gemeinden, des VBS und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) organisierte.
Bei jenem Gespräch hat sich eine ungute Ahnung der Lokalbevölkerung bewahrheitet. «Uns wurde dort gesagt, dass die Messungen für die Lärmemissionen des F-35 gar nie in Meiringen vorgenommen wurden», sagt Zybach. Die Empa bestätigt auf Anfrage dieser Zeitung den Sachverhalt: Sämtliche Lärmmessungen für den F-35 stammen vom Flugplatz Payerne.
Eine einzige Messung zeichnete den Start des US-Fliegers in Meiringen auf. Diese ist allerdings unbrauchbar - und wird auch nicht veröffentlicht, weil die Hersteller die Herausgabe der Daten untersagen. Bei den Karten des VBS, auf welchem die Haslitaler die Lärmbelastung für ihren Hof nachschauen können, handelt es sich lediglich um Modelle, welche auf Messungen aus Payerne zurückgehen.
Dort allerdings gibt es weit und breit keine steilen Felsflanken, wie dies in Meiringen der Fall ist. Und auch der Brienzersee als sogenannte schallharte Fläche dürfte den Fluglärm kilometerweit tragen. Nicht nur Bauern ärgern sich deshalb über die drohende Beschallung, auch Touristikerinnen fürchten Einbussen. Und auch in Emmen, wo der Flieger ebenfalls stationiert wird, dürfte man die Debatte verfolgen.
Im März hat deshalb die Gemeinde Meiringen einen umfassenden Fragenkatalog zuhanden des VBS eingereicht. Die Gemeinde will unter anderem wissen, warum die US Air Force auf deutlich höhere Emissionswerte kommt, welche Auswirkungen der Lärm auf die Gesundheit haben könnte und wie das Objektblatt für den F-35 aussehen wird, in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Flieger festgehalten sind. Die Ungeduld der Haslitaler ist nachvollziehbar: Auf das Objektblatt zum seit Jahren stationierten F/A-18 wartet die Bevölkerung bis heute.
Viel Redebedarf also für die Oberländer Delegation in Bern. Und als wäre dies nicht genug, sorgt Stunden vor dem Gespräch ein neuer Vorstoss für Unruhe: Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann will mittels Postulat prüfen, ob die nicht ihre Lärmschutzmassnahmen zurückfahren könne: «Schliesslich könnten Ausgaben und Kosten der Armee für Sanierungen und Schallschutzmassnahmen eingespart werden, wenn die Lärmschutzvorschriften in einem verträglichen Mass gelockert werden könnten», heisst es im Vorstoss.
Das Geld stünde dann der Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit zur Verfügung. Pikant: Just an jenem Donnerstag des Treffens empfiehlt der Bundesrat das Postulat zur Annahme.
Im Anschluss an das Treffen zeigen sich die Beteiligten dennoch zufrieden. «Es war ein gutes, konstruktives Gespräch», sagt Daniel Studer, Gemeindepräsident von Meiringen. «Viola Amherd ist wirklich auf unsere Anliegen eingegangen.» Es sei der Start zu einem «intensiveren Dialog».
Drei Themen hätten auf der Traktandenliste gestanden: der Lärm an sich, bauliche Massnahmen und die allgemeinen Auswirkungen auf die Region. Das VBS bestätigt dies auf Anfrage. Zu den genauen Inhalten wollen sich die Gesprächsparteien noch nicht äussern. Aber immerhin: Einen Tag nach dem Gespräch sind die Antworten auf den erwähnten Fragenkatalog in Meiringen eingetroffen. Sie erstrecken sich über dreizehn Seiten und sollen demnächst publiziert werden, verspricht Studer.
Längerfristig will er dafür weibeln, dass prioritär die Lärmemissionen durch den Jet auf das notwendige Minimum sinken, dass die Betroffenen bestmöglich vor dem verbleibenden Lärm geschützt werden, und dass über mögliche Kompensationsmassnahmen verhandelt wird. «Der Erfolg unserer Bemühungen wird sich erst in der Zukunft zeigen», sagt er.
Nicht Gegenstand des Gesprächs vom Donnerstag war der Vorstoss von Werner Salzmann. «Das ist sicher ein Thema, das wir in Ruhe anschauen und worauf wir gegebenenfalls noch reagieren», sagt Studer.
Zunächst aber kämpfen er und auch SP-Nationalrätin Zybach dafür, dass der Flieger vor seiner definitiven Stationierung noch einmal ins Berner Oberland zurückkehrt. «Das würde der Ernsthaftigkeit dieser Sache gerecht», findet Studer.
Und geht es nach Zybach, würde dies gleich verbunden mit einem nächsten Treffen zwischen den Gemeindepräsidenten und der Verteidigungsministerin - dieses Mal quasi als Gegenbesuch. «Man muss einen Start des F-35 ab Meiringen einfach einmal mit eigenen Ohren erlebt haben», sagt sie. (aargauerzeitung.ch)