Schweiz
Bundesrat

Nach Skandalen: Bund will Ruag enger an die Leine nehmen

Mechaniker warten die Raupen an einem Panzer vom Typ Leopard 2 in einer Wartungshalle der RUAG, am Montag, 20. Maerz 2023, in Thun. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Mechaniker warten die Raupen an einem Panzer vom Typ Leopard 2 in einer Wartungshalle der RUAG, am Montag, 20. März 2023, in Thun.Bild: keystone

Nach Skandalen: Bund will Ruag enger an die Leine nehmen

Der Rüstungskonzern im Besitz der Eidgenossenschaft sorgte in jüngerer Vergangenheit für zahlreiche Negativschlagzeilen. Nun will der Bund die als privatrechtliche AG organisierte Ruag MRO in eine neue Gestalt überführen - und wieder unter die eigenen Fittiche nehmen.
27.11.2024, 15:48
Christoph Bernet, Benjamin Rosch / ch media
Mehr «Schweiz»

Der Bundesrat will das Experiment der bundeseigenen Rüstungsfirma Ruag MRO als privatrechtlicher Aktiengesellschaft beenden. Die Landesregierung hat am Mittwoch beschlossen hat, für das Unternehmen mögliche Rechtsformen des öffentlichen Rechts zu prüfen. Im Vordergrund stehen die Umwandlung in eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts. Als Variante ebenfalls untersucht werden soll eine Reintegration als Verwaltungsabteilung des Verteidigungsdepartements VBS.

Bis Ende Mai soll das VBS eine Vernehmlassungsvorlage zur zukünftigen Rechtsform der Ruag MRO erarbeiten. Der Entscheid des Bundesrats vom Mittwoch stützt sich auf ein Gutachten von Martin Dumermuth, dem früheren Direktor des Bundesamts für Justiz. Dieses Gutachten kommt zum Schluss, dass die aktuelle Rechtsform den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt.

Das Gutachten empfiehlt «dynamischere politische Steuerung» der Ruag als dies bei einer privatrechtlichen AG möglich sei.. Dafür sprächen sowohl die grosse Nähe zur Armee, deren Aufträge über 80 Prozent des Umsatzes der Ruag ausmachen, als auch die veränderte geopolitische Lage.

Als Ogi die Ruag verkaufen wollte

Was ist passiert? Um das zu verstehen, ist ein Blick in die skandalträchtige Annalen des Schweizer Rüstungskonzerns nötig.

Die Geschichte der Ruag ist auch eine der Geopolitik. Der Fall der Berliner Mauer stiess in der Schweiz die Armeereform 95 an. In Windeseile schrumpften die Bestände der Armee um mehr als 200'000 Mann und auch das Budget im damaligen Militärdepartement. Krieg wurde vom unmittelbar drohenden Schreckensszenario in der Schweiz zu einem internationalen Geschäftsmodell mit Gewinnaussichten.

Folgerichtig entschied der damalige Vorsteher Adolf Ogi, die Industriebetriebe der «Gruppe Rüstung» zu privatisieren: So sollten Aktionäre angelockt werden. Am 10. Oktober 1997 sagten National- und Ständerat Ja zur Gründung einer «RüstungsUnternehmen-AktienGesellschaft» – es war die Geburtsstunde der Ruag.

Allein: Die Hoffnungen auf eine florierende Schweizer Rüstungsindustrie konnte die Ruag trotz grossen Expansionskurses in Raumfahrt- und andere Bereiche nie ganz einlösen. Der Zwiespalt als Technologiepartner einer neutralen Armee in einem internationalen Waffenhandel erwies sich schon bald als zu gross, als dass sich Investoren gefunden hätten. Mehr noch: Als 2016 bekannt wurde, dass die Ruag Opfer eines Spionage-Hackerangriffs geworden war, wurde das noch junge Unternehmen gehörig durchgeschüttelt.

Skandal, Entflechtung und neue Skandale

Der Bundesrat musste erkennen, dass «zwischen der RUAG und dem Bund zahlreiche Informatikschnittstellen» bestehen. Oder anders: Die internationalen Geschäftstätigkeiten des Rüstungskonzerns bedeuteten ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz.

Dies veranlasste den Bundesrat, die Ruag in zwei unterschiedliche Firmen zu entflechten. Die Ruag MRO sollte sich auf ihren Job als Technologiepartner der Schweizer Armee konzentrieren: Flugzeuge flicken, Panzer reparieren, Waffensysteme warten. In der Ruag International Holding hingegen bündelte der Bund all jene Firmenteile, für die er eigentlich keine Verwendung mehr hatte. Dazu gehört etwa Beyond Gravity, die ehemalige Raumfahrtdivision der Ruag mit Standorten in Finnland, Schweden, Deutschland und den USA. Oder Ammotec, die Munition herstellte.

Brigitte Beck ist seit ungefähr acht Monaten CEO der Ruag MRO.
Die 2022 als CEO eingestellte Brigitte Beck musste das Unternehmen bereits nach wenigen Monaten wieder verlassen.Bild: zvg

Nach und nach sollte die Ruag International liquidiert werden. Während Ammotec bereits an den italienischen Beretta-Konzern verkauft wurde, sucht der Bundesrat für Beyond Gravity und andere Tochterfirmen noch Käufer. Zumindest bis vor Kurzem: Jüngst regte sich politischer Widerstand, ob diese Firmenstrukturen nicht doch in Schweizer Händen bleiben sollen. In der nächste Woche beginnenden Wintersession will dazu auch das Parlament ein Wörtchen mitreden.

Auch die Ruag MRO sorgte regelmässig für Schlagzeilen. Die 2022 als CEO eingestellte Brigitte Beck musste das Unternehmen bereits nach wenigen Monaten wieder verlassen. Zwei von dieser Zeitung thematisierte öffentliche Auftritte, in denen sie neutralitätspolitische Bedenken um Waffenlieferungen in die Ukraine in den Wind geschlagen hatte, kosteten sie den Job.

Gehen musste ein halbes Jahr später auch Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin. Er hatte insbesondere in einer Kontroverse um in Italien stationierte Leopard-1-Panzer keine gute Falle gemacht. Ruag MRO wollte diese teilweise an die deutsche Rheinmetall verkaufen, welche sie für den Einsatz in der Ukraine flottmachen sollte. Allerdings ist bis heute Gegenstand juristischer Streitereien, ob die Panzer tatsächlich in vollem Umfang der Schweizer Rüstungsfirma gehören.

Nicolas Perrin, Verwaltungsratspraesident RUAG, spricht an einer Medienkonferenz ueber das Offset Projekt Rigi neues Kampfflugzeug F-35A, am Dienstag, 25. Juni 2024, in Bern. Die Vorgenehmigung ermoeg ...
Nicolas Perrin hatte insbesondere in einer Kontroverse um in Italien stationierte Leopard-1-Panzer keine gute Falle gemacht.Bild: keystone

Die nächste Grundsatzdebatte

Vor allem dieses Kapitel der Ruag, das als «Panzer-Affäre» die Druckerschwärze fliessen lässt, sorgt nun für eine Grundsatz-Diskussion im Bundesrat: Ist die Rechtsform der Ruag MRO noch die richtige? In einem Bericht kam die Eidgenössische Finanzkontrolle zur Erkenntnis, dass die Zuständigkeiten in diesem hochsensiblen Feld reichlich unklar sind.

Ob als öffentlich-rechtliche Anstalt, spezialgesetzliche AG oder sogar als Bundesamt: Dass die aktuelle Form als Aktiengesellschaft nicht den politischen Anforderungen genügt, darüber scheint nach einer dreissig Jahre währenden Pleiteserie breiter Konsens zu bestehen.

ORS-CEO Jürg Rötheli Juerg Roetheli
Jürg Rötheli, der designierte Verwaltungsratspräsident der Ruag MRO.Bild: ch media/sandra ardizzone
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
1 / 17
Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
2017 exportierten Schweizer Firmen Waffen im Wert von 446,8 Mio. Fr. in 64 Staaten – 8% mehr als im Jahr zuvor. Diese Waffenexporte machten 0,15% der Schweizer Gesamtexporte aus. Wichtigstes Empfängerland war Deutschland vor Thailand, Brasilien und Südafrika. Im Bild: Schweizer Sturmgewehre auf dem Waffenplatz Thun.
quelle: keystone / christian beutler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Renato zum lustigen Thema: Waffenexporte! Jeeee!
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
insert_brain_here
27.11.2024 19:35registriert Oktober 2019
Nettes Detail: Der geschasste Verwaltungratspräsident Nicolas Perrin ist der Schwager von Brigitte Hauser-Süess, ihres Zeichens persönliche Beraterin von Ursula Amherd.

Das komplette Beschaffungswesen der Armee und die RUAG im speziellen hat eine bestimmte Funktion, dass bürgerliche "Sicherheitspolitker" ihren guten Freunden einen "Gefallen" tun können, wofür diese natürlich ihrerseits dann ihre "Dankbarkeit" ausdrücken.

Aber ja, die böse linke Minderheit im Parlament hat die Armee kaputt gemacht und verschwendet Steuergelder...
316
Melden
Zum Kommentar
9
    Nach Alkohol-Abstimmungsflop: Migros baut ihr «Non»-Sortiment aus
    Die Detailhändlerin reagiert auf den Trend, wonach viele Jugendliche dem Alkohol abschwören. Auch die promillefreie Bier-Auswahl wird vergrössert.

    Es war eine Klatsche, welche die Migros-Präsidentin Ursula Nold wohl nie vergessen wird: Am 16. Juni 2022 sagten ihre Genossenschafter deutlich Nein zum Verkauf von alkoholischen Produkten beim orangen Riesen. Dies, nachdem sich im Vorfeld der Abstimmung die Migros-Spitze rund um Nold für eine Änderung der Statuten ausgesprochen hatte. Sie wollte, dass künftig auch Bier und Wein in den Regalen stehen.

    Zur Story