Der Bundesrat will das Experiment der bundeseigenen Rüstungsfirma Ruag MRO als privatrechtlicher Aktiengesellschaft beenden. Die Landesregierung hat am Mittwoch beschlossen hat, für das Unternehmen mögliche Rechtsformen des öffentlichen Rechts zu prüfen. Im Vordergrund stehen die Umwandlung in eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts. Als Variante ebenfalls untersucht werden soll eine Reintegration als Verwaltungsabteilung des Verteidigungsdepartements VBS.
Bis Ende Mai soll das VBS eine Vernehmlassungsvorlage zur zukünftigen Rechtsform der Ruag MRO erarbeiten. Der Entscheid des Bundesrats vom Mittwoch stützt sich auf ein Gutachten von Martin Dumermuth, dem früheren Direktor des Bundesamts für Justiz. Dieses Gutachten kommt zum Schluss, dass die aktuelle Rechtsform den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt.
Das Gutachten empfiehlt «dynamischere politische Steuerung» der Ruag als dies bei einer privatrechtlichen AG möglich sei.. Dafür sprächen sowohl die grosse Nähe zur Armee, deren Aufträge über 80 Prozent des Umsatzes der Ruag ausmachen, als auch die veränderte geopolitische Lage.
Was ist passiert? Um das zu verstehen, ist ein Blick in die skandalträchtige Annalen des Schweizer Rüstungskonzerns nötig.
Die Geschichte der Ruag ist auch eine der Geopolitik. Der Fall der Berliner Mauer stiess in der Schweiz die Armeereform 95 an. In Windeseile schrumpften die Bestände der Armee um mehr als 200'000 Mann und auch das Budget im damaligen Militärdepartement. Krieg wurde vom unmittelbar drohenden Schreckensszenario in der Schweiz zu einem internationalen Geschäftsmodell mit Gewinnaussichten.
Folgerichtig entschied der damalige Vorsteher Adolf Ogi, die Industriebetriebe der «Gruppe Rüstung» zu privatisieren: So sollten Aktionäre angelockt werden. Am 10. Oktober 1997 sagten National- und Ständerat Ja zur Gründung einer «RüstungsUnternehmen-AktienGesellschaft» – es war die Geburtsstunde der Ruag.
Allein: Die Hoffnungen auf eine florierende Schweizer Rüstungsindustrie konnte die Ruag trotz grossen Expansionskurses in Raumfahrt- und andere Bereiche nie ganz einlösen. Der Zwiespalt als Technologiepartner einer neutralen Armee in einem internationalen Waffenhandel erwies sich schon bald als zu gross, als dass sich Investoren gefunden hätten. Mehr noch: Als 2016 bekannt wurde, dass die Ruag Opfer eines Spionage-Hackerangriffs geworden war, wurde das noch junge Unternehmen gehörig durchgeschüttelt.
Der Bundesrat musste erkennen, dass «zwischen der RUAG und dem Bund zahlreiche Informatikschnittstellen» bestehen. Oder anders: Die internationalen Geschäftstätigkeiten des Rüstungskonzerns bedeuteten ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz.
Dies veranlasste den Bundesrat, die Ruag in zwei unterschiedliche Firmen zu entflechten. Die Ruag MRO sollte sich auf ihren Job als Technologiepartner der Schweizer Armee konzentrieren: Flugzeuge flicken, Panzer reparieren, Waffensysteme warten. In der Ruag International Holding hingegen bündelte der Bund all jene Firmenteile, für die er eigentlich keine Verwendung mehr hatte. Dazu gehört etwa Beyond Gravity, die ehemalige Raumfahrtdivision der Ruag mit Standorten in Finnland, Schweden, Deutschland und den USA. Oder Ammotec, die Munition herstellte.
Nach und nach sollte die Ruag International liquidiert werden. Während Ammotec bereits an den italienischen Beretta-Konzern verkauft wurde, sucht der Bundesrat für Beyond Gravity und andere Tochterfirmen noch Käufer. Zumindest bis vor Kurzem: Jüngst regte sich politischer Widerstand, ob diese Firmenstrukturen nicht doch in Schweizer Händen bleiben sollen. In der nächste Woche beginnenden Wintersession will dazu auch das Parlament ein Wörtchen mitreden.
Auch die Ruag MRO sorgte regelmässig für Schlagzeilen. Die 2022 als CEO eingestellte Brigitte Beck musste das Unternehmen bereits nach wenigen Monaten wieder verlassen. Zwei von dieser Zeitung thematisierte öffentliche Auftritte, in denen sie neutralitätspolitische Bedenken um Waffenlieferungen in die Ukraine in den Wind geschlagen hatte, kosteten sie den Job.
Gehen musste ein halbes Jahr später auch Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin. Er hatte insbesondere in einer Kontroverse um in Italien stationierte Leopard-1-Panzer keine gute Falle gemacht. Ruag MRO wollte diese teilweise an die deutsche Rheinmetall verkaufen, welche sie für den Einsatz in der Ukraine flottmachen sollte. Allerdings ist bis heute Gegenstand juristischer Streitereien, ob die Panzer tatsächlich in vollem Umfang der Schweizer Rüstungsfirma gehören.
Vor allem dieses Kapitel der Ruag, das als «Panzer-Affäre» die Druckerschwärze fliessen lässt, sorgt nun für eine Grundsatz-Diskussion im Bundesrat: Ist die Rechtsform der Ruag MRO noch die richtige? In einem Bericht kam die Eidgenössische Finanzkontrolle zur Erkenntnis, dass die Zuständigkeiten in diesem hochsensiblen Feld reichlich unklar sind.
Ob als öffentlich-rechtliche Anstalt, spezialgesetzliche AG oder sogar als Bundesamt: Dass die aktuelle Form als Aktiengesellschaft nicht den politischen Anforderungen genügt, darüber scheint nach einer dreissig Jahre währenden Pleiteserie breiter Konsens zu bestehen.
Das komplette Beschaffungswesen der Armee und die RUAG im speziellen hat eine bestimmte Funktion, dass bürgerliche "Sicherheitspolitker" ihren guten Freunden einen "Gefallen" tun können, wofür diese natürlich ihrerseits dann ihre "Dankbarkeit" ausdrücken.
Aber ja, die böse linke Minderheit im Parlament hat die Armee kaputt gemacht und verschwendet Steuergelder...