Am Donnerstagabend wurden die Departemente im neu zusammengesetzten Bundesrat verteilt. Er wird die Vergabe an seiner Sitzung vom 10. Januar 2024 formell bestätigen. Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider wechselt überraschend ins frei werdende Innendepartement. Der neue SP-Bundesrat Beat Jans amtet ab dem 1. Januar 2024 als Justizminister. Die übrigen Bundesräte behalten ihre Departemente, wie die Bundeskanzlei am Donnerstagabend mitteilte.
Das ist die Verteilung der Departemente ab dem 1. Januar 2024:
Die Departemente sind verteilt – Les départements sont répartis – I dipartimenti sono assegnati. Medienmitteilung / Communiqué / Comunicato: https://t.co/JMu4CwC93L (BK) #Departementsverteilung pic.twitter.com/K0FskNyyjf
— André Simonazzi (@BR_Sprecher) December 14, 2023
Die Verteilung der sieben Departemente erfolgt jeweils in einer informellen Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne ein Protokoll.
Bei der Verteilung kommt das Anciennitätsprinzip zum Zug. Wer am längsten im Amt ist, darf zuerst seine oder ihre Wünsche anmelden. Als Amtsältester beginnt also Guy Parmelin (SVP). Er ist im Dezember 2015 in die Landesregierung gewählt worden. Danach folgt der Tessiner Ignazio Cassis (FDP), seit 2017 im Amt. Als Nächste folgen Viola Amherd (Mitte) und Karin Keller-Sutter (FDP); beide sind seit Anfang 2019 Bundesrätinnen. Dann sind die vor einem Jahr neu gewählten Albert Rösti (SVP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP) an der Reihe.
Der neue Bundesrat Beat Jans sagte nach der Wahl, er sei offen für alle Departemente.
Kommt es zu keiner Einigung, stimmt der Bundesrat ab. Dann entscheidet die Mehrheit, und diese ist bürgerlich. Die Regierung versucht solche Abstimmungen aber tunlichst zu vermeiden, um die einzelnen Mitglieder nicht zu desavouieren. Im letzten Jahr, als die Bisherige Karin Keller-Sutter (FDP) vom Justiz- ins Finanzdepartement wechselte, fand die Landesregierung innert zwei Stunden eine einvernehmliche Lösung. Es sind auch Sitzungen bekannt, in denen innert einer Viertelstunde alles besiegelt war.
Beobachter hielten eine grosse Rochade für eher unwahrscheinlich: Guy Parmelin (SVP) fühlt sich offenbar im Wirtschaftsdepartement wohl. Er hatte 2018 in das Schlüsseldepartement gewechselt. Dass er mit 64 Jahren für wenige Jahre nochmals die Domäne wechselt, damit rechnete niemand. Karin Keller-Sutter (FDP) übernahm erst vor einem Jahr auf eigenen Wunsch die Finanzen. Dass Albert Rösti (SVP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP) ein Jahr nach ihrer Wahl bereits wieder wechseln, galt ebenso als unwahrscheinlich. Ob die Walliserin Viola Amherd (Mitte) in ihrem Präsidialjahr auch noch das Departement tauschen wollte, darüber war nichts bekannt. Vor einem Jahr blieb sie laut eigener Aussage «aus Überzeugung» im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Dieses galt bei ihren Vorgängern eher als ungeliebtes Einsteigerdepartement.
Überraschend ist deswegen, dass die bisher glücklose Bundesrätin Baume-Schneider das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) nach nur einem Jahr abgibt. Stattdessen muss sich der neugewählte Jans ab kommendem Jahr mit dem schwierigen Asyldossier herumschlagen.
Zum letzten grossen Sesselrücken kam es 2010. Damals erhielten gleich vier Departemente einen neuen Vorsteher oder eine neue Vorsteherin. Davor hatte es acht Jahre lang gar keine Rochade gegeben. Neu gewählte Bundesräte übernahmen stets die Departemente ihrer Vorgänger. Vor 2010 gab es die letzte Vierer-Rochade 1960 unmittelbar nach Einführung der Zauberformel.
Politisch führt ein Departementswechsel eigentlich nie zu grossen Umwälzungen. Allerdings ist es nicht unwichtig, welcher Partei eine Departementsvorsteherin oder ein Departementsvorsteher angehört. Ein Bundesrat hat in seinem Ministerium zahlreiche Einflussmöglichkeiten. Er hat Macht, in dem er unter anderem Entscheide beschleunigen oder vertagen kann. Zudem trifft er wichtige Personalentscheide in Schlüsselpositionen.
Auf Baume-Schneider werden schwierige Aufgaben zukommen. Die neue Innenministerin wird keine lange Schonfrist haben. Ihr stehen gleich mehrere hitzige Abstimmungskämpfe bevor. Am 3. März kommt sowohl die Renteninitiative der Jungfreisinnigen als auch die Initiative für eine 13. AHV-Rente der Linken an die Urne.
Später im Jahr wird über die Prämienentlastungsinitiative der SP, die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei sowie über die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» abgestimmt. Nicht zuletzt steht der Abstimmungskampf zur Reform der zweiten Säule der beruflichen Vorsorge (BVG) bevor. Auch diese Vorlagen wird Baume-Schneider im Namen des Gesamtbundesrats und des Parlaments in der Öffentlichkeit vertreten müssen.
Im Falle der BVG-Reform, der 13. AHV-Rente sowie der Prämienentlastungsinitiative wird die neue Innenministerin gegen ihre eigene Partei antreten müssen. Auch daneben dürfte Baume-Schneider die Arbeit nicht ausgehen. Im Gesundheitsdossier geht es beispielsweise um die Umsetzung der Pflegeinitiative, die Ausarbeitung des revidierten Epidemiengesetzes oder die Digitalisierungsoffensive.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) befasst sich mit den Themen Bürgerrecht, innere Sicherheit, Asyl und Migration. Das Asyldossier dürfte den neuen Justizminister Beat Jans von Beginn an fordern.
Die bisherige Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider sieht ihrer neuen Aufgabe positiv entgegen. «Ich freue mich, die Leitung im Innendepartement zu übernehmen und meine Expertise und meine Energie in den sozialen Bereich, ins Gesundheitswesen und in Kulturbelange zu stecken.»
Je me réjouis de reprendre la responsabilité du @EDI_DFI et de mettre mon expertise et mon énergie au service du domaine du social, de la santé et de la culture notamment. Mon Département @EJPD_DFJP_DFGP sera assurément en de bonnes mains avec mon collègue @Beat_Jans. pic.twitter.com/ib3OTxu2iK
— Elisabeth Baume-Schneider (@elisabeth_baume) December 14, 2023
Das schrieb die Sozialdemokratin aus dem Jura am Dienstagabend auf dem Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Ihr bisheriges Departement werde in gute Hände übergeben.
Restart für EBS - das EJPD wird so unattraktiv wie einst das EMD. #HeisseKartoffelMigration #KryptospracheBundesverwaltung #BrauchtEJPDbaldneueAbk.?
— Lukas Golder (@LukasGolder) December 14, 2023
Der Politik- und Medienwissenschafter Lukas Golder vom Institut Gfs Bern sagte, das Justizdepartement werde so unattraktiv wie einst das Militärdepartement. «#HeisseKartoffelMigration» kommentierte er im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch das Verteidigungsdepartement galt schon als ungeliebtes Einsteigerdepartement.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneiders Departementswechsel nach nur einem Amtsjahr ist laut dem Genfer Politologen Nenad Stojanović für die Sozialdemokratin eine Chance für einen Neuanfang nach einem missglückten Start. «Damit hat niemand gerechnet», sagte Stojanović der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Donnerstag auf Anfrage. Ein Departementswechsel nach einem Jahr sei «sehr unüblich» und «erstaunlich», sagte Stojanović. «Ihr war der Start nicht gelungen. Das ist der Hintergrund, warum sie jetzt wechselt.»
Baume-Schneider habe Schwierigkeiten gehabt, sich mit ihren Vorschlägen im Asyldossier in der Regierung durchzusetzen, erklärte Stojanović. «Sie hatte Mühe.» Offenbar sei sie mehrmals mit Ideen im Bundesrat und im Parlament gescheitert. Der Wechsel ins Innendepartement sei für sie eine Chance für einen Neuanfang.
Baume-Schneider scheiterte unter anderem mit ihrer Idee für Wohncontainer für zusätzliche Unterbringungsplätze für Asylsuchende. Sie beantragte im Parlament dafür rund 130 Millionen Franken. Im Ständerat brachte sie das Anliegen allerdings nicht durch und erlitt Schiffbruch.
Der Grüne-Präsident Balthasar Glättli äusserte sich auf X positiv zur Nachricht von Beat Jans’ neuem Departement. Er traue dem Basler diese herausfordernde Aufgabe zu.
Bundesrat @beat_jans traue ich es zu, auch bei herausfordernden Dossiers Lösungen zu finden.
— Balthasar Glättli🌻 🕊 (@bglaettli) December 14, 2023
Als scheidender Basler Stapi kennt er sowohl die Chancen und Herausforderungen der Migration als auch Lebens- und Wirtschaftsräume, welche Landesgrenzen überschreiten, aus dem Alltag. https://t.co/BxBnnqTHDM
Die SP hat sich nach dem angekündigten Wechsel von Elisabeth Baume-Schneider ins Innendepartement zuversichtlich geäussert. Die Bundesrätin verfüge aufgrund ihres Studiums der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin sowie als Direktorin der Hochschule für Sozialarbeit und Gesundheit in Lausanne über hervorragende Erfahrungen im Gesundheits- und Sozialbereich.
«Wir sind überzeugt, dass Elisabeth Baume-Schneider über alle Kompetenzen verfügt, um das Innenministerium mit Bravour zu leiten», liess sich der Co-Präsident der SP-Fraktion im Bundeshaus, Samuel Bendahan, im SP-Communiqué vom Donnerstagabend zitieren.
Die 59-jährige Jurassierin könne die solidarische Schweiz angesichts der vielen anstehenden Herausforderungen, etwa bei den Krankenkassenprämien und der Stärkung der Kaufkraft voranbringen.
Daneben sei der Einzug von Beat Jans im Justizdepartement eine «ausgezeichnete Nachricht» für Menschenrechte, den Schutz der Schwächsten, Menschen auf der Flucht sowie die Verteidigung einer humanistischen und offenen Schweiz, erklärte Samira Marti, Co-Präsidentin der SP-Bundeshausfraktion.
Jans sei ein Politiker, der Menschen zusammenbringe und Brücken baue. Zweifellos werde er dazu beitragen, die Beziehungen zu Partnern im europäischen Dossier voranzubringen.
(hah/sda)