Die Schweiz und die übrigen Efta-Staaten haben am Mittwoch mit dem südamerikanischen Wirtschaftsverbund Mercosur die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Während die Wirtschaft das Abkommen begrüsst, wollen der Bauernverband und die Grünen die Details prüfen.
Mit dem Abkommen werden knapp 95 Prozent der Schweizer Ausfuhren in die Mercosur-Staaten nach Ablauf der Zollabbaufristen vollständig zollbefreit, wie das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Mittwoch mitteilte. Das entspreche Zolleinsparungen von bis zu 180 Millionen Franken jährlich.
Laut entsprechenden Beiträgen auf der Plattform X reiste Wirtschaftsminister Guy Parmelin zwecks der Verhandlungen in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires. «Ich freue mich über diesen Abschluss!», schrieb er auf X. «Wir haben einen Marktzugang in einer Gegend, wo 300 Millionen Personen leben», sagte Parmelin zudem in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen SRF.
Nebst der Schweiz gehören Norwegen, Island und Liechtenstein der Efta an. Das Wirtschaftsbündnis Mercosur vereinte in diesen Verhandlungen Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay. Bolivien trat erst nach dem Beginn der Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen dem Mercosur bei und war daher an den Verhandlungen nicht beteiligt.
Das Abkommen werde unter anderem technische Handelshemmnisse abbauen, geistiges Eigentum inklusive Ursprungsbeziehungen wie «Gruyère» schützen, den Marktzugang für schweizerische Dienstleistungserbringer und Investoren erleichtern, neue Möglichkeiten im öffentlichen Beschaffungswesen schaffen und die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen generell stärken, schrieb das WBF weiter.
Das Abkommen sei insbesondere auch wichtig, um eine Schlechterstellung gegenüber der EU zu verhindern, schrieb das Departement von Bundesrat Guy Parmelin. Die EU schloss im Dezember 2024 ein Abkommen mit der Mercosur-Staaten ab.
In den nächsten Monaten sollen die Vertragstexte unterzeichnet werden. Der Bundesrat werde sie danach dem Parlament zur Genehmigung unterbreiten. Erst nach einem erfolgreichen Ratifizierungsprozess trete das Abkommen in Kraft.
Die Verhandlungen wurden bereits im Jahr 2017 aufgenommen. Beide Parteien seien sich bereits 2019 in der Substanz einig gewesen, doch diverse politische Wechsel und die Corona-Pandemie hätten zu Verzögerungen bei der Finalisierung geführt, hiess es vom WBF vergangenen Dezember.
Die Schweiz gewähre den Mercosur-Staaten für sensible Produkte im Agrarbereich - wie etwa Fleisch - insgesamt 25 bilaterale Kontingente. Gemäss dem WBF sind die meisten klein oder der Umfang der Konzessionen entspreche den momentanen Importen.
Der Schweizer Bauernverband werde die Kontingente sorgfältig analysieren. Es sollen die Chancen und Risiken für die Schweizer Landwirtschaft bewertet werden, wie der Bauernverband auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Entscheidend sei, welche Zugeständnisse gemacht und ob diese im Rahmen der Kontingente der Welthandelsorganisation gewährt worden seien.
Laut dem WBF enthält das Abkommen auch ein umfassendes und rechtsverbindliches Kapitel sowie eine Zusatzerklärung über Handel und nachhaltige Entwicklung mit konkreten Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt und der Arbeitnehmerrechte.
Die Grünen befürchten durch das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur einen Rückgang des Schutzes des Regenwaldes sowie der Rechte der lokalen Bevölkerung. Falls sich die Befürchtungen bewahrheiteten und das Abkommen keine griffigen Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte enthalte, will die Partei das Referendum ergreifen.
Der Schweizer Industrieverband Swissmem nannte die Einigung einen «Lichtblick für die seit mehr als zwei Jahren gebeutelte Schweizer Tech-Industrie». Für ihn wäre ein Referendum ein Affront gegenüber den Industrie-KMU.
Auch der Wirtschaftsdachverband Economiessuise begrüsste in einer Mitteilung den Abschluss der Verhandlungen. Die Schweiz stärke damit ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu «einer dynamischen Wachstumsregion». Nicht nur im Handel sei das Wachstumspotenzial gross. Auch bei den Direktinvestitionen gebe es Spielraum.
Die internationale Menschenrechtsorganisation Voices lehnt Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien Brasilien, Paraguay und Uruguay ab, wenn kein verbindlicher Schutz von Menschenrechten und Umwelt vorgesehen ist. Die Nichtregierungsorganisation wies insbesondere auf die Lage in Brasilien hin.
In Brasilien gebe es gesetzliche Entwicklungen, die den Umweltschutz und die Rechte indigener Gemeinschaften weitestgehend aushebeln könnten, schrieb Voices (ehemals Gesellschaft für bedrohte Völker) in einer Mitteilung. Daher sei ein Freihandelsabkommen ohne verbindliche und durchsetzbare Umwelt- und Menschrechtsbestimmungen nicht akzeptabel.
Weiter warne die Organisation davor, dass das Abkommen die klimapolitischen Anstrengungen der Schweiz untergraben und die Schweizer Wirtschaft vermehrt mit der Abholzung des Amazonas und Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang stehen werde. (rbu/hkl/sda)