Schweiz
Bundesratswahl

Ärger bei der SP über Daniel Jositsch – doch Wermuth gibt sich entspannt

Ärger bei der SP über Daniel Jositsch – doch Wermuth gibt sich entspannt

58 Stimmen holte der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch im ersten Wahlgang, als die Nachfolge von Simonetta Sommaruga bestimmt wurde. Damit hatte er das Maximum als wilder Bundesratskandidat herausgeholt. Anstatt Grösse zu zeigen, blieb er auf seinem Stuhl sitzen. Das sorgt für Ärger – aber nicht nur.
08.12.2022, 06:14
Anna Wanner, Stefan Bühler und Christoph Bernet / ch media
Mehr «Schweiz»

Das Phänomen ist nicht neu: Kandidaten sammeln bei Bundesratswahlen Stimmen, ohne das aktiv zu wollen. Das Paradebeispiel dafür ist der Sprengkandidat, der damalige SVP-Nationalrat und Bauernpräsident Hansjörg Walter. Er holte die Stimmen von Mitte-links, die Ueli Maurer als Bundesrat verhindern wollten. Nur eine fehlte ihm zum Bundesrat, es war seine eigene.

Daniel Jositsch, Staenderat SP/ZH, hinten Mitte, verfolgt die Ersatzwahl fuer den Bundesrat, am Mittwoch, 7. Dezember 2022 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Marcel Bieri)
Ein Mann bleibt sitzen: SP-Ständerat Daniel Jositsch.Bild: keystone

Das wäre dem SP-Ständerat Daniel Jositsch wohl nicht passiert. Im Unterschied zu früheren wilden Kandidaturen warb er offensiv dafür, Stimmen zu erhalten. Denn, so erklärte er im «Blick», er werde die Wahl annehmen.

Das kann als Retourkutsche gegen seine Partei gewertet werden. Diese erklärte unmittelbar nach der Rücktrittsankündigung von Simonetta Sommaruga, es gebe ein reines Frauenticket. Jositsch fühlte sich vor den Kopf gestossen, erklärte, es handle sich um «Diskriminierung» und lancierte seine Kandidatur trotzdem.

Auf viel Gegenliebe stiess das nicht. Parteirat und SP-Fraktion unterstützten den Entscheid der Parteispitze und nominierten Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider für das Zweierticket.

Für Jositsch war die Geschichte damit nicht gegessen. Tatsächlich erzielte er im ersten Wahlgang prompt 58 Stimmen. Mehr sollten es nicht mehr werden. Die Wahl war nicht zu schaffen.

«Der Machismus ist ausgeprägt»

Als fairer Verlierer hätte Jositsch in jenem Moment der Vereinigten Bundesversammlung erklären können, er stehe für eine Wahl nicht zur Verfügung. So, wie es auch Hansjörg Walter tat. Doch Jositsch genoss die Machtdemonstration, er blieb auf seinem Stuhl sitzen. So wartete er den zweiten Wahlgang ab und holte 28 Stimmen. Im dritten noch sechs. An der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider hätte sich wohl nichts geändert.

Doch durch sein Auftreten fühlten sich viele Parteimitglieder bestätigt. SP-Fraktionschef Roger Nordmann erklärt, die Strategie seiner Partei sei richtig gewesen: «Der Machismus im Parlament ist weiterhin ausgeprägt. Hätten wir einen Mann auf dem Ticket gehabt, wäre dieser gewählt worden.»

Andere finden, Jositsch habe sich mit seinem Auftritt unmöglich gemacht – auch für künftige Kandidaturen. Er habe die Partei und deren Leitung desavouiert. Co-Chef Cédric Wermuth sagt dazu: «Natürlich hätte Daniel Jositsch eine persönliche Erklärung abgeben können, dass er nicht zur Verfügung steht. Bei mir bleibt aber nichts Negatives zurück, seine Kandidatur als Zürcher Ständerat ist keinesfalls in Frage gestellt.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Wärst du gerne Bundesrat? Wenn du von diesen Privilegien gehört hast, vermutlich schon
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
155 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
3klang
08.12.2022 07:47registriert Juli 2017
Die Situation von Jositsch mit derer von Walter zu vergleichen passt nicht ganz. Mit 58 Stimmen im ersten Wahlgang war er nie eine reelle 'Gefahr' für die Wahl einer der beiden Frauen. Von daher war auch keine Reaktion von ihm nötig.
14122
Melden
Zum Kommentar
avatar
sowhat
08.12.2022 07:12registriert Dezember 2014
Wenn das eine Machtdemonstration hätte werden sollen, dann ging das in die Hose. Es wurde eine Demonstration der Machtlosigkeit.
9619
Melden
Zum Kommentar
avatar
M.Ensch
08.12.2022 06:35registriert März 2020
Machismus im Parlament ... Klar. Man kann es so drehen und wenden. Es wirkt aber auch gesucht. Zeit, sich der politischen Arbeit zuzuwenden. Es geht nicht nur um Feminismus und Quoten.
15882
Melden
Zum Kommentar
155
Zürcher Regierung will keine Bezahlkarte für Asylsuchende

Der Zürcher Regierungsrat hält eine Bezahlkarte für Asylsuchende, wie sie in Deutschland beschlossen wurde, für eine aufwändige und wenig zielführende Idee. In Zürich gab es bereits ein Gutscheinsystem, das wegen Misserfolgs aufgegeben wurde.

Zur Story