Niemand hat die Schweizer Politik der letzten 25 Jahre dermassen geprägt wie Christoph Blocher. Sein angekündigter Rücktritt aus dem Nationalrat wirbelt entsprechend viel Staub auf. Zahlreich sind die Reaktionen auf Twitter, sie reichen von Enttäuschung bis zu unverhohlener Freude.
Die vielen Blocher-Verächter sollten sich nicht zu früh freuen. Der 73-jährige SVP-Übervater denkt gar nicht daran, der Politik den Rücken zu kehren. Das stellt er im Interview auf seinem «Haussender» Teleblocher klar. Er legt sein Parlamentsmandat nieder und ist damit in gewisser Hinsicht konsequent. Denn vom Politbetrieb in Bern hat der Herrliberger nie viel gehalten: «Parlamentsarbeit ist langweilig», sagt er auf Teleblocher.
Bei seiner Rückkehr in den Nationalrat 2011 musste er feststellen, dass ausserhalb der SVP niemand auf ihn gewartet hatte. In den acht Jahren seiner Abwesenheit sind neue Leute gekommen. Grosse Stricke hat Blocher keine mehr zerrissen. Dafür blieb er der «Absenzenkönig»: Mehr als jede dritte Abstimmung hat er geschwänzt, obwohl er weniger ausgelastet ist als früher.
Gesundheitliche Gründe hat sein Rücktritt anscheinend nicht. Doch Christoph Blocher wird nicht jünger, er muss seine Kräfte einteilen. Warum soll er sich mit der Reform der Sozialwerke befassen? Oder mit lärmigen Töffs? Auch eine Rückkehr in den Bundesrat dürfte kein Thema mehr sein, obwohl man gerade bei Blocher nie sicher sein kann. Bei der nächsten Gesamterneuerungswahl im Dezember 2015 wird er 75 Jahre alt sein.
Blocher will sich auf das eine Thema konzentrieren, das ihn obsessiv antreibt: Den Kampf gegen die Integration der Schweiz in die Europäische Union. Mit dem Komitee «Nein zum schleichenden EU-Beitritt» hat er im letzten Herbst eine neue Kampftruppe gegründet. Sie will ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU um jeden Preis verhindern.
Vermutlich hat Blocher realisiert, dass sich der SVP-Erfolg vom 9. Februar als Pyrrhussieg entpuppen könnte. Wenn Brüssel hart bleibt, wird sich die Schweiz in zwei bis drei Jahren zu einem europapolitischen «Offenbarungseid» gezwungen sehen: Alleingang oder «erweiterter» Bilateralismus, mit automatischer Übernahme von EU-Recht und dem EU-Gerichtshof als entscheidender Instanz in Streitfällen.
Dies entspräche mehr oder weniger einer EU-Mitgliedschaft ohne Stimmrecht. Christoph Blochers schlimmste Albträume würden wahr, dagegen will er kämpfen, mit aller Kraft, ohne den Ballast des Nationalratsmandats. Es ist seine letzte Schlacht, und sie wird brutal werden. Die Befürworter des bilateralen Wegs sollten sich warm anziehen.